Die Welt Kompakt - 19.09.2019

(C. Jardin) #1
stand. Wir nehmen dies ebenso
zur Kenntnis wie die Verwun-
derung über dieses Treffen in
der hessischen Filmszene, die
für Vielfalt, Akzeptanz und
Weltoffenheit steht. Die Minis-
terin teilt diese Verwunde-
rung“. Es sei daran erinnert,
wie Mendig vor vier Jahren ins
Amt kam. Die Findungskom-
mission war gespalten, die aus
der Filmbranche kommenden
Mitglieder waren für eine junge
Frau, die die Südtiroler Förde-
rung aufgebaut hatte, doch den
Ausschlag gaben die der Politik
unterstehenden Mitglieder; die
Politik, das war das Ministeri-
um für Wissenschaft und Kunst
unter Boris Rhein (CDU).
Staatssekretär in nämlichem
Ministerium war damals Ing-
mar Jung (CDU), ein Neffe des
früheren Verteidigungsminis-
ters Franz Josef Jung (CDU),
der wiederum mit Mendig zu-
sammen in ZDF-Aufsichtsgre-
mien gewesen war.
Hans Joachim Mendig und
Moritz Hunzinger sind alte
Freunde. Vor fünf Jahren be-
richtete die „Bild“-Zeitung un-
ter der Überschrift „Vom Hun-
zinger zum Panzinger“ von der
Wehrübung für zivile Füh-
rungskräfte im Ausbildungs-
zentrum der Panzertruppen auf
dem Truppenübungsplatz in
der Lüneburger Heide. „Super
Kameradschaft unter allen 80
Teilnehmern“, zitiert die Zei-
tung den PR-Berater. „Jochen
( d. i. Hans Joachim Mendig, d.
Red. ) und ich wurden zum
Oberleutnant der Panzertruppe
d. R. ernannt. Eine herrliche Er-
fahrung, die ich sehr genossen
habe.“ Hunzinger trägt auch
das Verdienstkreuz am Bande
des Verdienstordens der Bun-
desrepublik Deutschland und
ist Inhaber des Ehrenzeichens
der ukrainischen Hauptstadt
Kiew sowie der Orden der
Ukrainisch-Orthodoxen Kirche
des Kiewer Patriarchats Heili-
ger Erzengel Archistrategos Mi-
chael und Heiliger Apostelglei-
cher Großfürst Wladimir.
Man kann also von einer
Männerfreundschaft ausgehen.
Moritz Hunzinger ist seit ei-
nem Vierteljahrhundert einer
der umtriebigsten Netzwerker
der Republik, der schon eine

H


ans Joachim Mendig
ist ein unauffälliger
Mann. Er hat zeitle-
bens keine öffentli-
che Aufmerksamkeit erregt,
nicht als für die „Drei Damen
vom Grill“ verantwortlicher
Redakteur beim Hessischen
Rundfunk, nicht als Vorstands-
vorsitzender der Münchner
Odeon AG, die uns 93 Folgen
„Ein Fall für zwei“ schenkte –
und auch nicht als Geschäfts-
führer einer der kleineren deut-
schen Filmförderungen, von
Hessen-Film. Und nun, kurz
vor Mendigs Eintritt ins gesetz-
liche Rentenalter: Empörung!
Aufruhr! Skandal!


VON HANNS-GEORG RODEK

Und alles wegen eines einzi-
gen Fotos, aufgenommen am



  1. Juli diesen Jahres. Es zeigt
    drei Herren an einem Restau-
    ranttisch: Jörg Meuthen, den
    Parteivorsitzenden der AfD,
    nämlichen Herrn Mendig sowie
    Moritz Hunzinger, seines Zei-
    chens PR-Berater. Dieses Foto
    wurde von Meuthen auf dessen
    Instagram-Konto veröffent-
    licht, womit ein privates Tref-
    fen öffentlich wurde; nichts,
    was Politiker in ihre Kanäle
    stellen, ist dazu bestimmt, pri-
    vat zu bleiben.
    Meuthens Bildtext dazu lau-
    tet: „Sehr angeregter, konstruk-
    tiver politischer Gedankenaus-
    tausch heute in Frankfurt mit
    Prof. Dr. Moritz Hunzinger und
    Prof. Dr. Hans Joachim Men-
    dig.“ Inzwischen gibt es eine
    Erklärung von über 300 Film-
    schaffenden, die das Treffen
    „missbilligen“. Sie zitieren eine
    bekannte Äußerung von Meu-
    then („Wir wollen weg vom
    links-rot-grün-versifften 68er-
    Deutschland und hin zu einem
    friedlichen, wehrhaften Natio-
    nalstaat“) und erinnern Mendig
    an seine Aufgabe: „Der Ge-
    schäftsführer der Hessen-Film
    bekleidet eine Position mit ho-
    hen Anforderungen an Über-
    parteilichkeit, Offenheit für
    vielfältige künstlerische Posi-
    tionen, demokratische Kultur
    und Transparenz.“ Es gibt
    kaum einen prominenten Na-
    men der nicht unterzeichnet
    hätte, Regisseure (Barbara Al-
    bert, Emily Atef, Dietrich Brüg-
    gemann, Jan-Ole Gerster, Do-
    minik Graf, Veit Helmer, Chris-
    toph Hochhäusler, Sherry Hor-
    mann, Ulrich Köhler, Jakob und
    Tom Lass, Christian Petzold,
    David Wnendt, etc.), dazu un-
    gezählte Schauspieler, Produ-
    zenten und Autoren.
    Die hessische Filmförderung
    verteilt jedes Jahr 11,5 Millionen
    Euro, von denen fast 90 Pro-
    zent vom hessischen Kunst-
    und dem Finanzministerium
    kommen. Angela Dorn, die grü-
    ne Ministerin für Wissenschaft
    und Kunst, teilte mit, man habe
    Mendig befragt, nach seinen
    Angaben „handelte es sich um
    eine private Gelegenheit, die
    nicht in Bezug zur Hessen-Film


Deutschlandreise für Bill Gates
organisierte und an einem
Imagekonzept für Muammar al-
Gaddafi feilte; Honorare für ihn
kosteten Rudolf Scharping sei-
ne Karriere, ein Kredit von ihm
hätte die Karriere von Cem Öz-
demir beinahe beendet. Moritz’
Freund jedenfalls schweigt nun

eisern – was auch ihn nächste
Woche die Karriere kosten
könnte, wenn der Aufsichtsrat
der Förderung tagt und sich mit
der geballten Ablehnung der
deutschen Filmszene konfron-
tiert sieht, die bei Einzelnen (z.
B. der Regisseurin Julia von
Heinz) so weit geht, dass man
kein Geld aus Wiesbaden mehr
annehmen möchte. Mendig
schweigt und wird vermutlich
morgen (wenn die Nominierten
für den Hessischen Filmpreis
verkündet werden, einer der
wichtigsten Auftritte für För-
derchefs) durch Abwesenheit
glänzen.
Mendig hätte sich nur von
Meuthens „konstruktivem poli-
tischen Gedankenaustausch“
distanzieren müssen, der im
Politikjargon klar bedeutet,
dass man sich einig war – ein ra-
dikaler Feind der Inhalte aller
deutscher Filmförderungen,
der Chef einer dieser Filmför-
derungen und ein PR-Berater,
der im Frühjahr den Satz „Mit
Kohl gäbe es diese scheußliche

Masseneinwanderung von Wil-
den hierzulande nicht“ postete.
Doch Mendig bleibt abge-
taucht, und andere Vorwürfe
kommen nun hoch, von einem
„autoritären Führungsstil“
über den „E-Klasse-Mercedes“,
den er sich angeschafft habe,
bis zu der Verteilung seiner
Aufgaben auf einen kaufmänni-
schen Geschäftsführer und ei-
nen kaufmännischen Verwalter,
sodass für ihn „nur Repräsen-
tieren übrig geblieben“ sei. Was
daran auch sein mag, zumin-
dest AfD-Nähe unterstellt ihm
keiner. Ein Mitglied seiner För-
derkommission erinnert sich
sogar an diese Episode: „Bei ei-
ner Sitzung habe ich vehement
gegen eine Multikultiverherrli-
chungsserie gekämpft, in der je-
der Syrer Arzt und jeder Helfer
Lebensretter sein sollte. Von
Mendig kamen keinerlei Beden-
ken. Er hat die Serie durchge-
winkt. Wenn er nun abgelöst
wird, machen wir jemanden
zum Märtyrer, der das gar nicht
verdient hat.“

Die größte


Stunde seines


Lebens


Wer ist eigentlich dieser Herr Mendig,


der die ganze deutsche Filmszene


gegen sich aufgebracht hat?


DIE WELIE WELIE WELT KOMPAKTT KOMPAKT DONNERSTAG, 19. SEPTEMBER 2019 KULTUR 21


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