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FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019
Deutschland und die Welt
Axel Schefflerwill wegen des Brexits Brite
werden. „Ich werde jetzt wohl einen briti-
schen Pass beantragen, solange man noch
die doppelte Staatsbürgerschaft behalten
kann“, sagte der Illustrator dem „Mannhei-
mer Morgen“ vom Mittwoch. Scheffler ist
mit seinem Buch „Der Grüffelo“ zu einem
der erfolgreichsten Bilderbuchillustrato-
ren der Welt geworden und lebt seit 37 Jah-
ren in Londen. Das will der 62 Jahre alte,
in Hamburg geborene Künstler mit seiner
Familie auch nach einem EU-Austritt tun
— „solange es einigermaßen erträglich
bleibt“. Er sehe die Brexit-Entwicklung
aber „mit großer Sorge“ und halte die De-
batten für „einfach schrecklich“. Schwie-
rig findet Scheffler zudem, den britischen
Premierminister Boris Johnson zu zeich-
nen. „Er wird häufig als Clown dargestellt,
aber er ist ein sehr gefährlicher Clown–
ich glaube nicht, dass man das zeichne-
risch überhaupt darstellen kann.“ (AFP)
Ashton Kutcherhat seiner Ehefrau Mila
Kunis mit einem gebrochenen Zeh impo-
niert. Bei dem Versuch, die gemeinsame
Tochter Wyatt nach einem nächtlichen Be-
such im Bett der Eltern in ihr Zimmer zu-
rückzutragen, ging der Hollywood-Star
plötzlich zu Boden. „Ich hatte nicht be-
merkt, dass mein Bein eingeschlafen war.
Ich stürzte, und mein Zeh zeigte in eine an-
dere Richtung“, sagte Kutcher in der Talk-
show „Live with Kelly und Ryan“ des Sen-
ders ABC am Dienstag. Weil er um
drei Uhr morgens nicht ins Krankenhaus
fahren wollte, habe er selbst Hand ange-
legt. „Ich habe das getan, was Mel Gibson
in ,Lethal Weapon‘ getan hat. Ich habe
den Zeh wieder gerichtet.“ Mila Kunis,
mit der Kutcher bis 2006 für die Fernsehse-
rie „Die wilden Siebziger“ vor der Kamera
stand, sei tief beeindruckt gewesen. „Mila
sagte, das sei sexyer als alles, was sie bis-
lang erlebt habe“, erzählte der Schauspie-
ler. Kutcher und Kunis heirateten im Som-
mer 2015. Mit der vier Jahre alten Wyatt
und dem zwei Jahre alten Dimitri lebt das
Paar in Los Angeles. (ceh.)
reb. DÜSSELDORF, 11. September. Bei ei-
ner Explosion in einem Wohnhaus in Düs-
seldorf ist am frühen Mittwochmorgen ein
Mann ums Leben gekommen. Eine
schwangere Frau und ein weiterer Bewoh-
ner wurden verletzt. Nach der Explosion
brach in dem Mehrfamilienhaus Feuer aus.
Als die Rettungskräfte eintrafen, berichte-
ten Bewohner, die sich ins Freie gerettet
hatten, dass sich noch ein Nachbar in dem
Haus befinde. Feuerwehrleute mussten zu-
nächst den Brand im Treppenhaus lö-
schen. Im zweiten Stock stießen sie dann
auf den verbrannten Leichnam des 75 Jah-
re alten Mannes. Polizei und Staatsanwalt-
schaft nahmen die Ermittlungen zur Ursa-
che der Explosion und des Feuers auf.
LOS ANGELES, 11. September. Der An-
fang von Harvey Weinsteins Ende ist
längst ein Stück Hollywood-Folklore. An-
fang Oktober 2017 erschütterte ein Ent-
hüllungsartikel der „New York Times“ die
Filmwelt, in dem die Journalistinnen Jodi
Kantor und Megan Twohey den Produzen-
ten beschuldigten, jahrzehntelang Nach-
wuchsschauspielerinnen, Models sowie
Mitarbeiterinnen sexuell belästigt und
vergewaltigt zu haben. Einige Tage später
zog der „New Yorker“ nach. Der Reporter
Ronan Farrow, Sohn der Schauspielerin
Mia Farrow und des Filmemachers Woo-
dy Allen, hatte 13 Frauen getroffen, die
Weinstein Missbrauch vorwarfen. In den
folgenden Wochen wurde Hollywood von
der MeToo-Bewegung eingeholt. Selbst
die Staatsanwaltschaft in New York, die
frühere Vorwürfe in der Schublade ver-
schwinden ließ, rang sich zu einer Ankla-
ge gegen den Filmstudioboss durch.
Das am Dienstag in den Vereinigten
Staaten veröffentlichte Buch „She Said“
der Journalistinnen Kantor und Twohey
lässt die Öffentlichkeit jetzt auch an ihren
Recherchen teilhaben. Wer half bei der
Aufdeckung von Weinsteins mutmaß-
lichem System aus Missbrauch und Vertu-
schung? Unter anderen war es Oscar-
Preisträgerin Gwyneth Paltrow, die die
„New York Times“ seit einem Treffen im
Sommer 2017 unterstützte. Die Schauspie-
lerin nutzte ihre Beziehungen in Holly-
wood, um Kantor und Twohey den Kon-
takt zu weiteren mutmaßlichen Opfern zu
erleichtern. Paltrow ließ die Pulitzer-Preis-
trägerinnen zudem an eigenen Erfahrun-
gen teilhaben. Nach der Besetzung für das
Historiendrama „Emma“ soll Weinstein
die damals Zweiundzwanzigjährige in ei-
ner Hotelsuite begrabscht haben.
Auch Bob Weinstein, Mitgründer der
Filmgesellschaften Miramax und The
Weinstein Company, gewährte Einblicke
in die Einschüchterungsversuche seines
Bruders. Sie endeten meist mit Vertrau-
lichkeitsvereinbarungen, die betroffene
Frauen zum Schweigen zwangen. Wie
weit Weinstein für die Imagerettung ging,
erlebten Kantor und Twohey am Tag vor
der Veröffentlichung des ersten Artikels.
In Begleitung mehrerer Juristen, unter ih-
nen die kalifornische Frauenrechtlerin
Lisa Bloom und Linda Fairstein, die ehe-
malige Chefin der Abteilung für Sexual-
straftaten der Staatsanwaltschaft in Man-
hattan, erschien Weinstein damals unan-
gemeldet in der Redaktion.
Die Drohgebärde blieb ohne Wirkung.
Am 5. Oktober 2017 erfuhren die Leser
der „New York Times“ wie geplant, dass
der Studiochef angeblich immer wieder
Schauspielerinnen wie Ashley Judd und
Rose McGowan sexuell bedrängt hatte.
„Uns wurde schnell klar, dass unsere ers-
ten Artikel nur der Anfang waren. Durch
das Buch konnten wir viele weitere
Puzzleteile zusammenfügen“, sagte Two-
hey dem „Guardian“. Zu den Puzzleteilen
gehörte auch die Anwältin Bloom. Laut
„She Said“ entwarf die Kalifornierin in
Weinsteins Auftrag eine PR-Strategie, um
McGowan mundtot zu machen. Bloom
stellte angeblich Dossiers zusammen, um
die Schauspielerin und weitere Frauen un-
ter Druck zu setzen. Für das „Organisie-
ren einer positiven Reputation“ soll die
selbsternannte Frauenrechtlerin Bloom
ein Honorar von 895 Dollar je Stunde be-
kommen haben. McGowan forderte nach
der Veröffentlichung des Buchs jetzt ein
Berufsverbot für Bloom.
Weinstein bereitet sich unterdessen auf
sein Strafverfahren vor. Der eigentlich für
den 9. September geplante Prozessbeginn
war kurzfristig von dem Gericht in New
York auf den 6. Januar verschoben wor-
den. Falls der gestürzte Hollywood-Mo-
gul wegen schwerer Vergewaltigung und
Missbrauchs von zwei Frauen schuldig ge-
sprochen wird, droht ihm eine lebenslan-
ge Haftstrafe. CHRISTIANE HEIL
NEW YORK, 11. September. Einen besse-
ren Ort für die Feier zum dreißigjährigen
Firmenjubiläum hätte sie sich nicht aus-
suchen können. Die Brant Foundation
liegt in der trendigen Lower East Side,
bis zu seinem Tod im Jahr 2013 lebte in
diesem Haus der Künstler Walter De
Maria, und außer Ausstellungen bietet
die Stiftung an der sechsten Straße einen
grandiosen Ausblick auf New York, wenn
man aufs Dach steigt.
Hier oben einen Cocktailempfang aus-
zurichten – das passt. Denn Dorothee
Schumacher, deren Unternehmens-
zentrale in Mannheim immerhin eine
schöne Aussicht auf den Hafen bietet,
liebt den weiten Blick. Also kommen am
Dienstagabend, an einem milden Spät-
sommertag, echt Indian Summer, viele
Kunden, Freunde und Fans auf die Dach-
terrasse, um die deutsche Modemacherin
vor aufstrebender Kulisse zu feiern.
Mitveranstalter ist die Zeitschrift „Inter-
view“, die zum großen Reich des Unter-
nehmers Peter Brant gehört – dessen
fünfstöckiges Abschreibungsobjekt, das
er sich hierhin gestellt hat, ganz neben-
bei seinen Kunstsinn beweisen soll.
Dorothee Schumacher ist seit Jahren
auf dem amerikanischen Markt präsent.
Ihre Marke hatte sie schon früh in Mai-
land vertrieben, wo sie auf Einkäufer
amerikanischer Kaufhäuser traf. Nur die
Hälfte ihrer Umsätze macht die Modema-
cherin heute in Deutschland, Österreich
und der Schweiz. In den Vereinigten Staa-
ten, wo sie auch durch einige Kleidungs-
stücke für die Serie „Sex in the City“ be-
kannt wurde, ist sie in immerhin 65 Ge-
schäften vertreten, und oft macht sie hier
auch Trunk Shows, also kleine Schauen
aus dem Koffer. Insofern ist es keine An-
geberei, dass sie mit zehn Mitarbeiterin-
nen aus Mannheim gekommen ist und
hier über den Dächern von Manhattan
ihre 30 Jahre in der Branche feiert.
Meist ist sie allerdings in ihrem Show-
room, bei der Arbeit. Die Räume sind in
dem riesigen alten Lagerhaus an der
Westseite Manhattans, das den gesamten
Block zwischen der 26. und 27. Straße
einnimmt. Das Gebäude ist so groß, dass
man sich darin verirren kann. Von früher
gibt es noch Aufzüge für Lastwagen. Und
wenn man auf der Suche nach Tommy
Hilfiger ist, der hier ebenfalls Büros hat,
kann es durchaus sein, dass man Schuma-
chers Sohn Max Singhoff in die Arme
läuft, der sich in der Familienfirma ums
Geschäftliche kümmert.
Da wundert es dann auch nicht, dass
an diesem Morgen in einem Studio ne-
benan Christiane Arp von der deutschen
„Vogue“ Modeaufnahmen macht. Vorher
kommt sie noch schnell vorbei. Und auch
wenn man sich die stets minimalistisch
gekleidete Chefredakteurin nicht so
recht im Blumenkleid von Dorothee
Schumacher vorstellen kann – die beiden
wichtigsten aktiven Frauen der deut-
schen Mode verstehen sich blendend.
So wie Max Singhoff die weitläufigen
Lagerräume zwischendurch für eine Par-
tie Tischtennis an einer blitzblanken Plat-
te nutzt, so kann auch seine Mutter nicht
stillhalten. Sie geht zur großen Fenster-
front, um den weiten Blick Richtung Mid-
town zu genießen, der so viel Freiheit ver-
spricht, sie nimmt sich ein Kleid vom
Ständer, um es vorteilhaft fürs Foto hin-
zuhängen, oder sie bespricht sich im Ge-
hen mit Mitarbeiterinnen. Sich hinzuset-
zen – schon dieses Konzept klingt ihr viel
zu bequem.
Seit 30 Jahren geht das schon so. 1989
fing sie in Düsseldorf klein an. Sie hatte
in Italien und Frankreich gearbeitet und
fand die Mode in Deutschland nicht femi-
nin genug: „Immer breite Schultern und
weiße Blusen.“ Sie spürte auch, dass die
Frauen trotz dieses Looks oft unsicher
waren. „Damals waren sie noch auf einen
strengen Stil reduziert und noch nicht so
phantasievoll“, sagt sie. „Ich sehe da eine
Entwicklung, auch in Businessstädten
wie Frankfurt. Frauen haben sich in ihrer
Weiblichkeit gefunden.“ Das kommt ihr
entgegen mit ihrem so romantischen wie
pragmatischen Stil, den sie „Power-
dressing mit einem Lächeln“ nennt.
Es begann mit fünf Jersey-Shirts. Wäh-
rend der Modemesse CPD in Düsseldorf
hatte sie ein Zimmer im Hilton gemietet.
Die Einkäuferinnen mochten nicht allein
die fünf Jersey-Teile, sondern auch die
Chance, jenseits der Messehallen eine
junge Designerin zu entdecken. Und sie
ließen sich durch die Blumensträuße be-
eindrucken, die damals noch größer wa-
ren als die Kollektion. Aus dem Hotelzim-
mer wurden über die Saisons drei Suiten.
Und die Geschäfte wollten mehr von ihr.
Also eröffnete sie den Showroom an der
Cecilienallee, den sie noch heute hat.
Als sie 1999 in die umgebaute alte Kar-
tonagenfabrik am Hafen von Mannheim
zog, hallte es in den Gängen, wenn sie
sich zuriefen. Inzwischen sind auch die
Lager Büros, es gibt 130 Angestellte, und
das Unternehmen macht mittlere zwei-
stellige Millionenumsätze. Einen Busi-
nessplan brauchte sie dafür nicht. Sie
wollte einfach nur „die Kundin spüren“.
„Klein, aber mein“, das war das Motto
der Marke, die sie zunächst gemeinsam
mit ihrem damaligen Mann Jörg Singhoff
(„eine Blitzliebe“) aufbaute. Heute ist
der Wettbewerb schärfer. Das Familien-
unternehmen muss sich nicht nur gegen
Billigheimer behaupten, sondern auch ge-
gen die Marktmacht der Konzerne, die
Modeläden erpressen – zum Beispiel in-
dem sie fordern, dass man eine nicht so
gut laufende Marke des Konzerns ordert,
wenn man Teile einer Trendmarke aus
dem Konzern bestellen möchte.
Auch sich hier in New York zu zeigen
ist ein Risiko. Hunderte Marken präsen-
tieren noch bis zum Wochenende ihre
Kollektionen auf der Fashion Week. Zwi-
schen Blockbuster-Schauen wie Coach
und Proenza Schouler einen Cocktail-
empfang auf den Plan zu setzen, das ist
mutig. Nicht einmal die lange Geschichte
der deutschen Versuche, hier Fuß zu fas-
sen, entmutigt sie. Von Wunderkind bis
Strenesse waren schon alle in New York
- die meisten mit mäßigem Erfolg auf
dem riesigen Markt. Ihre Antwort auf sol-
che Bedenken: „Cheers to the future!“
Überhaupt wird es nicht allzu konkret,
wenn man mit dieser Modemacherin re-
det. Sie sagt Sätze wie: „Das facettenrei-
che Leben der Kundin spiegelt sich in der
Mode. Wobei das Wort Mode zu wenig
ausdrückt, denn es geht ja um einen gan-
zen Lebensstil.“ Oder: „Wenn man Mode
als Sprache verstanden hat, ist das ein
Riesengeschenk.“ Oder: „Die Menschen
lieben es, Teil von etwas zu sein, das sich
entwickelt.“ Oder, lachend: „Ich bin fürs
Gefühl zuständig.“
Um die Verkaufszahlen muss sich jetzt
Sohn Max kümmern, er ist seit einigen
Jahren dabei. Tochter Colette, die gerade
Abitur gemacht hat, hilft im Showroom.
Sohn Florian, der als Datenanalyst in
North Carolina arbeitet, kommt später
noch zur Feier auf der Dachterrasse. Nur
der Jüngste, Joseph, ist zu Hause geblie-
ben. Dorothee Schumacher wird ihre Kin-
der nicht zum Mitmachen zwingen: „Man
muss den Kindern Freiheit schenken,
dann bekommt man viel zurück.“ Und
manchmal kommen sie dann auch zurück.
Kurze Meldungen
DÜSSELDORF, 11. September. Es ist ein
Urteil mit Signalwirkung, das das Landge-
richt Düsseldorf am Mittwoch gefällt hat:
Anour A., ein Geldautomatensprenger
aus den Niederlanden, muss für fünf Jahre
ins Gefängnis. Die Kammer ist überzeugt,
dass A. zu einer der berüchtigten Banden
zählte, die zunächst immer wieder in ihrer
Heimat Geldautomaten aufsprengten. Als
die Banken in Holland zunehmend gas-
dichte Automaten installierten oder Farb-
patronen einsetzten, die bei einer Explosi-
on das Geld unbrauchbar machen, wich
die Audi-Bande nach Deutschland aus.
Audi-Bande nennen die Ermittler die
straff organisierte, arbeitsteilig und mit
wechselnder Besetzung agierende Gruppe
von Niederländern nordafrikanischer Her-
kunft, weil die Gangster besonders gerne
hochmotorisierte Fahrzeuge der Marke
Audi stehlen. In denen rasen sie nach ih-
ren Sprengattacken gen Heimat.
Lange schien die Polizei chancenlos. Im
Oktober 2015 richtete das Landeskrimi-
nalamt Nordrhein-Westfalen eine Ermitt-
lergruppe mit dem Namen „Heat“ ein, um
die spektakulären Sprengüberfälle zentral
auszuwerten und den Gangstern endlich
auf die Spur zu kommen. Bis heute ist das
ein mühsames Geschäft. Auch weil es die
eine Audi-Bande nicht gibt – vielmehr
handelt es sich bei der Bande nach gemein-
samen Erkenntnissen der niederländi-
schen und deutschen Ermittler um eine
Großgruppe von rund 250 jungen Män-
nern vor allem aus den Städten Utrecht
und Amsterdam. Nun aber gelingen den
Fahndern immer wieder beachtliche Erfol-
ge. So konnten im April 2018 in Castrop-
Rauxel im nördlichen Ruhrgebiet zwei der
rasenden Räuber nach einer missglückten
Sprengung festgenommen werden. Anour
A. gelang damals zwar die Flucht. Im
November konnte er dann aber aufgrund
eines europäischen Haftbefehls in den Nie-
derlanden festgenommen und nach
Deutschland überstellt werden.
Zwei Taten konnten A. nun gerichtsfest
nachgewiesen werden: Nach Überzeu-
gung des Landgerichts Düsseldorf hat A.
in Deutschland gemeinsam mit mehreren
Komplizen einen Automaten gesprengt
und dabei rund 110 000 Euro erbeutet.
Eine andere Attacke blieb ohne Erfolg.
Zwei weitere Mitglieder der Audi-Bande
hatte das Düsseldorfer Gericht schon Mit-
te Juli ebenfalls zu Strafen mit Signalwir-
kung verurteilt: Sie müssen für vier Jahre
sowie sechs Jahre und neun Monate ins
Gefängnis. REINER BURGER
STUTTGART, 11. September. Auf der
Rosensteinstraße im Stuttgarter Nord-
bahnhofsviertel sind 50 Kilometer pro
Stunde vorgeschrieben. Am 6. März die-
ses Jahres bricht ein 20 Jahre alter Mecha-
troniker-Lehrling mit einem Kumpel ge-
gen 23 Uhr zu einer kleinen Ausfahrt auf.
Es geht darum, im Viertel zu zeigen, wie
viel PS man auf die Straße bringen kann.
Der junge Mechatroniker hat sich dazu ei-
nen Jaguar vom Typ F bei einem Händler
in Nürtingen ausgeliehen. 550 PS, Höchst-
geschwindigkeit 270 Kilometer pro Stun-
de, Kaufpreis mindestens 62 000 Euro.
Der Sportwagen lässt sich innerhalb von
fünf Sekunden auf Tempo 100 beschleuni-
gen. Ein Freund warnt den Mechatroni-
ker noch, das Auto sei „ anders“ und eine
„kranke Karre“, also ein supergeiles
Auto. „Übertreib es nicht“, soll er kurz
vor der Fahrt gesagt haben.
Den 20 Jahre alten Lehrling hält das
nicht auf. Er holt einen Kumpel ab, der
setzt sich zu ihm ins Auto, vor einer Kreu-
zung der Rosensteinstraße drückt der Me-
chatroniker das Gaspedal voll durch. Die
Fahrt dauert nicht länger als 50 Sekun-
den. Er versucht vor einer Kreuzung nach
links auszuweichen, dann kollidiert der Ja-
guar mit einem Citroën-Kleinwagen vom
Typ C1, der aus einer Seitenstraße
kommt. Die Aufprallgeschwindigkeit soll
etwa 110 Kilometer pro Stunde betragen
haben. Die 22 Jahre alte Frau und der
25 Jahre alte Mann in dem Citroën, beide
stammen aus Nordrhein-Westfalen und
leben erst seit kurzer Zeit in Stuttgart,
sterben noch am Unfallort. Der Citroën
ist ein Trümmerhaufen, die Scheiben ei-
nes Billard-Cafés gehen zu Bruch.
Am Mittwoch saßen die Angehörigen
der beiden Opfer als Nebenkläger in Ver-
handlungssaal 1 des Stuttgarter Landge-
richts. Der Vater des jungen Manns trug
ein Polo-Shirt mit einem Porträt seines ge-
töteten Sohns. Auf den Tischen haben sie
gerahmte Porträtfotos ihrer verstorbenen
Kinder so aufgestellt, dass der Angeklag-
te die Fotos eigentlich sehen muss.
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft hat-
te zunächst nur wegen fahrlässiger Tö-
tung ermittelt, dann hatte sie den Zwan-
zigjährigen nach Jugendstrafrecht doch
wegen Mordes, verbotener Kraftfahrzeug-
rennen und wegen vorsätzlicher Gefähr-
dung des Straßenverkehrs angeklagt. Die
Auswertung der Daten der Bordelektro-
nik des Fahrzeugs hatten nahegelegt, dass
der Angeklagte vorsätzlich gehandelt ha-
ben könnte. „Sie haben das Gaspedal vor
den Straßeneinmündungen voll durchge-
drückt, schon vor dem Kolping-Bildungs-
werk hatten sie eine Geschwindigkeit von
145 Stundenkilometern erreicht“, sagte
die Staatsanwältin zur Begründung ihrer
Anklage. „Berechtigte Interessen anderer
Verkehrsteilnehmer waren ihnen gleich-
gültig. Ihnen war bewusst, dass ein direk-
ter Zusammenstoß zum Tode von Ver-
kehrsteilnehmern führen konnte.“ Die
Staatsanwaltschaft stuft die Tat als Mord
ein, weil dem Angeklagten damit beding-
ter Tötungsvorsatz nachgewiesen wurde.
Schon am ersten Verhandlungstag
nahm in der Zeugenvernehmung die Fra-
ge, wie der Angeklagte das Gaspedal des
Jaguars bedient hatte, einen großen
Raum ein. Als ersten Zeugen hörte das
Gericht den Freund des Angeklagten an,
der bei der kurzen, tödlichen Fahrt mit im
Sportcoupé saß. Er habe am späten
Abend auf Instagram gesehen, dass sein
„gelegentlicher Freund“ in der Stadt mit
dem weißen Sportwagen unterwegs gewe-
sen sei. Dann habe man gechattet, sein
Freund habe ihn angerufen: „Hey, lass
mal eine Runde fahren.“ Wenige Minuten
später habe er mit dem Jaguar vor seiner
Tür gestanden. „Er war ein Internet-Po-
ser, er wusste, dass es bei Frauen gut an-
kommt, wenn man mit solchen Autos
herumfährt.“ Der Angeklagte habe sich
den Jaguar nur ausgeliehen, um ein paar
Fotos auf Instagram posten zu können.
Bei den verschiedenen Cliquen im Viertel
sei er eher unbeliebt gewesen, weil er
selbst für die Fahrt zum nächsten Burger-
Restaurant noch ein Tankgeld verlangt
habe, weil er eben geizig gewesen sei. „Er
ist keine Person, die Stress macht. Er hat
Fotos von geliehenen Autos immer wie-
der gepostet.“
Die Verteidiger halten den Mordvor-
wurf für ungerechtfertigt und begründe-
ten das am Mittwoch in einer kurzen Er-
klärung: „Der Angeklagte hatte bis zum
März ein ganz normales Leben.“ Er habe
mit dem Strafgesetzbuch keine Erfahrung
gemacht, das Unfallgeschehen sei „unfass-
bar tragisch“. Für eine Verurteilung we-
gen Mordes werde es aber „aus tatsäch-
lichen und rechtlichen Gründen“ nicht rei-
chen. Der Stuttgarter Fall unterscheide
sich von anderen Raserprozessen, er eig-
ne sich auch nicht zur Generalpräventi-
on. Das wird das Gericht in den nächsten
Wochen zu klären haben.
Anders als in vorherigen Strafverfah-
ren ereignete sich der Unfall nicht bei ei-
nem illegalen Autorennen, an dem mehre-
re Fahrzeuge beteiligt waren, rechtlich ist
das für eine Verurteilung wegen Raserei
(Paragraph 315d) auch nicht notwendig.
Für ein bedingt vorsätzliches Handeln
spricht zudem viel, weil der Angeklagte
schon am Nachmittag teilweise mit einer
Geschwindigkeit von mehr als 200 Kilo-
metern pro Stunde auf den Autobahnen
rund um Stuttgart unterwegs war. Auch
hierfür musste er das Gaspedal immer
wieder „voll durchdrücken“.
Das erste Mordurteil in einem „Raser-
prozess“ hatte der Bundesgerichtshof
(BGH) im Jahr 2017 aufgehoben. Das Ur-
teil gegen einen Mann, der mit einem ge-
stohlenen Taxi mit bis zu 145 Stundenkilo-
metern durch Hamburg raste, einen
Mann tötete und zwei schwer verletzte,
war hingegen vom BGH kürzlich bestä-
tigt worden. Dem Zeugen und Mitfahrer
fiel es am ersten Verhandlungstag schwer,
Mitgefühl zu zeigen. Wie er sich denn ge-
fühlt habe, als er vom Tod zweier Men-
schen erfahren habe: „Ich war jetzt nicht
happy. Entschuldigung. Es war Scheiße.“
Gwyneth Paltrow
half, Weinstein vor
Gericht zu bringen
Powerdressing mit einem Lächeln
Ein Toter bei Explosion
inDüsseldorf
Lange
Haftstrafe für
Automatensprenger
Das Gaspedal voll durchgedrückt
In Stuttgart steht ein Zwanzigjähriger vor Gericht, der mit einem Jaguar durch die Stadt raste und zwei Menschen tötete / Von Rüdiger Soldt
Dorothee Schumacher
feiert in New York ihre
30 Jahre in der Mode.
Von Alfons Kaiser
Von Düsseldorf nach New York:Dorothee Schumacher in ihrem Showroom an der Westseite von Manhattan Foto Helmut Fricke
Vor Gericht:Der Angeklagte will uner-
kannt bleiben. Foto dpa