Spitzentechnologie
Quantencomputer für Deutschland
IBM baut in Bayern einen
Quantencomputer. Die
Fraunhofer-Gesellschaft
organisiert den Zugang für
Forscher und Unternehmen.
B. Gillmann, C. Kerkmann
Berlin, Düsseldorf
A
m Dienstag besuchte die Vor-
standsvorsitzende des US-
Konzerns IBM, Virginia Ro-
metty, Angela Merkel im Kanzleramt.
Kurz darauf wurde ein aufsehenerre-
gendes Projekt bekannt: IBM baut in
Bayern einen Quantencomputer –
und kooperiert für dessen Nutzung
mit der Fraunhofer-Gesellschaft. Pro-
fitieren vom „IBM Q System One“ sol-
len Forscher und Industrie, vor allem
Mittelständler.
Quantencomputer sind enorm
aufwendig, haben aber das Potenzi-
al, weit komplexere Prozesse darzu-
stellen als selbst digitale Supercom-
puter, und können so vor allem auch
Künstliche Intelligenz (KI) deutlich
leistungsfähiger machen, teilten die
Partner mit. Deutschland hinkt bei
dieser Technologie bislang hinter-
her, die großen Player wie IBM oder
Google sitzen in den USA und Kana-
da, in der Forschung ist auch China
extrem aktiv.
Fraunhofer-Präsident Reimund
Neugebauer hofft daher auf einen
„entscheidenden Fortschritt für deut-
sche Forscher und Unternehmen al-
ler Größenordnungen“. Den Zugang
zum Quantencomputer soll ein neu-
es Fraunhofer-Center „unter vollstän-
diger Datenhoheit nach europäi-
schem Recht“ organisieren.
„Es ist wichtig, dass wir schon heute
verschiedene Anwendungsfelder des
Quantencomputings erschließen, ge-
rade auch für mittelständische Unter-
nehmen“, sagte Bundesforschungsmi-
nisterin Anja Karliczek (CDU). Die Bun-
desregierung fördert die Technologie
bis 2022 insgesamt mit 650 Millionen
Euro. Bei der Fraunhofer/IBM-Initiati-
ve will sie vor allem Unternehmen för-
dern, damit diese den Quantencom-
puter nutzen können. Dafür würden
rund 20 Millionen Euro zur Verfügung
stehen, hieß es in Regierungskreisen.
IBM hatte seinen „Q System One“
Anfang des Jahres auf der Elektronik-
messe CES in Las Vegas als ersten
auch kommerziell nutzbaren Quan-
tencomputer vorgestellt. Der endgül-
tige Standort in Bayern ist noch nicht
klar, starten könnte der Betrieb des
Quantencomputers voraussichtlich
- Welchen finanziellen Beitrag
der Freistaat Bayern leistet, konnte
das dortige Wirtschaftsministerium
noch nicht beziffern.
Quantencomputer sind etwas
grundsätzlich anderes als heutige di-
gitale Computer. Diese arbeiten mit
Transistoren, die ein- oder ausge-
schaltet sind – also nur die Zustände
„eins“ und „null“ unterscheiden. Je
größer die Datenmengen, desto
mehr sind nötig. Daher geraten selbst
teure Supercomputer an Grenzen, et-
wa bei aufwendigen Simulationen.
Helfen sollen Quantencomputer.
Sie nutzen die für Laien bizarr er-
scheinenden Gesetze der Quanten-
mechanik: Ihre Qubits können im
Prinzip unendlich viele Zustände zwi-
schen „eins“ und „null“ annehmen
und so gigantische Datenmengen ver-
arbeiten. Qubits sind aber sehr emp-
findlich, weil sie ihren Zustand sehr
schnell, teilweise beim bloßen anse-
hen, ändern – der Computer muss
daher bei Temperaturen nahe dem
absoluten Nullpunkt von minus 273
Grad Celsius im Vakuum betrieben
werden. Weil sie so aufwendig zu be-
treiben und damit teuer sind, gilt die
Quantentechnik nicht als Ersatz für
herkömmliche Computer, sondern
als wertvolle Ergänzung.
Für große Datenmengen
Anwendungen reichen von der Simu-
lation von Molekülen, um die Ent-
wicklung von Medikamenten und
Chemieprodukten zu beschleunigen,
über die Berechnung des Straßenver-
kehrs, um Staus zu vermeiden, bis
hin zur Risikoanalyse in Banken und
Versicherungen.
Forscher vergleichen den Entwick-
lungsstand mit der Frühzeit des Digi-
talrechners, als der noch ganze Räu-
me füllte. Es handelt sich also um ei-
ne Wette auf die Zukunft. Wenn die
Technik aber einmal so weit ist, wol-
len viele Unternehmen dafür gerüstet
sein. Deswegen experimentiert etwa
Volkswagen mit einem Quantencom-
puter, um den Verkehr vorherzusa-
gen – und lernt nebenbei die Pro-
grammierung der Technologie. An ei-
nem Forschungsnetzwerk von IBM
beteiligen sich Konzerne wie Barclays,
Daimler und Samsung.
Bei der Entwicklung der Quanten-
computer sind bislang die US-Firmen
IBM, Google und Microsoft führend,
dazu kommen Spezialisten wie Riget-
ti aus Kalifornien und das kanadische
Unternehmen D-Wave. Auch deut-
sche Unternehmen arbeiten mit ih-
nen zusammen.
Die EU hat allerdings das Potenzial
erkannt: Sie fördert die Erforschung
von Quantentechnologien mit einer
Milliarde Euro. Davon profitiert
beispielsweise das Projekt „Open
Super Q“, das unter deutscher Beteili-
gung einen Quantencomputer entwi-
ckeln soll: Neben Google sind die
Universität des Saarlandes und das
Forschungszentrum Jülich beteiligt.
Marktforscher erwarten, dass die Tech-
nologie noch Jahre bis zur Marktreife
braucht. Die Prognosen liegen weit
auseinander. McKinsey etwa erwartet
erste Anwendungen ab 2020 und den
Durchbruch nicht vor 2025. Das Markt-
volumen könne dann weltweit bei
zwei bis drei Milliarden Dollar liegen.
Die Boston Consulting Group meint,
der Umsatz könne schon 2030 mehr
als 50 Milliarden Dollar betragen.
Kommentar Seite 14
Geldspritze
650
MILLIONEN
Euro investiert der Bund
bis 2022 in die Förderung der
Quantentechnologie.
Quelle: Forschungsministerium
IBM-Zentrale für
den Geschäftsbereich
„Watson IoT“:
Bei der Entwicklung
der Quantencomputer
sind bislang die
US-Firmen führend.
IBM Deutschland GmbH
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Wirtschaft & Politik
DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176^11
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