Handelsblatt - 12.09.2019

(lily) #1

Günther Schuh


Auf den Spuren von


Nicolaus August Otto


A


ls er gehört hat, dass ihm der
Kölner Motorenhersteller
Deutz in diesem Jahr den
nach seinem Gründer Nicolaus Au-
gust Otto benannten Erfinderpreis
verleihen will, reagierte Günther
Schuh zunächst mit Demut. „Ich bin
als Maschinenbauingenieur ein abso-
luter Bewunderer des Verbrennungs-
motors“, sagte der Chef des Aache-
ner Elektroauto-Pioniers Ego dem
Handelsblatt. „Wenn man sich an-
schaut, welchen gesellschaftlichen
Fortschritt Nicolaus Otto damals mit
der Technologie angestoßen hat,
scheint mir der Vergleich zu meiner
Person fast unangemessen.“
Solche Worte sind bemerkenswert,
wenn sie von einem Erfinder kom-
men, der vor einigen Jahren antrat,
dem Verbrennungsmotor den Kampf
anzusagen – zumindest auf der Kurz-
strecke. Denn mit seinem Start-up
Ego gilt Schuh in Deutschland als er-
folgreicher Konkurrent der etablier-
ten Autohersteller im Segment elek-
trisch angetriebener Kleinwagen.
Dass Schuh den mit 30 000 Euro
dotierten Preis am Donnerstag trotz-
dem erhalten wird, erklärte Deutz-
Chef Frank Hiller einerseits mit der
„Innovationsleistung“ des Aachener
Professors, andererseits mit dessen
praktischem Wirken: „Herr Schuh ist
ein starker Visionär. Dabei liegt die
Schwierigkeit von Visionen oft darin,
sie umzusetzen.“ Schuh habe sich
nicht nur als Wissenschaftler, son-
dern auch als Unternehmer bewie-
sen, sagte Hiller.
Dabei sei seine enge Anbindung an
den Wissenschaftsbetrieb eine wich-
tige Voraussetzung für die Gründung
von Ego gewesen, so der Preisträger.
„Durch meine Professorentätigkeit
hatte ich Zugriff auf gut 2 000 Exper-
ten aus verschiedensten Bereichen,
die ich während der Entwicklung im-
mer wieder um Rat bitten konnte.“
Das sei auch nötig gewesen, um den
strengen Sicherheitsanforderungen
heutiger Fahrzeuge gerecht zu wer-
den. „Autos sind inzwischen so kom-

plexe Produkte geworden, dass ge-
niale Einzelleistungen, wie damals je-
ne von Otto, heute kaum mehr
möglich sind“, so der Unternehmer.
Im vergangenen Jahr hat Schuh ei-
ne erste Ego-Fertigungslinie unweit
seiner universitären Wirkungsstätte
in Aachen errichtet. Seit Mai können
Kunden nun das Modell „Life“ bestel-
len. „Wir haben derzeit rund 40 Test-
fahrten pro Woche, davon bestellen
am Ende 39 Kunden einen Ego Life.
Das freut uns natürlich sehr“, sagte
der Gründerprofessor.
Die Konkurrenz nimmt zu
Mit Volkswagen, Daimler und BMW
setzen inzwischen auch die großen
Hersteller zunehmend auf elektri-
sche Antriebe. Eine Entwicklung, die
Schuh grundsätzlich begrüßt. „Das
Thema ist endlich in der Industrie
angekommen, bei den Zulieferern
und auch in einem Teil der Öffent-
lichkeit“, so seine Einschätzung.
„Was nun fehlt, ist die Akzeptanz
durch die Kunden und den Markt.“
Hier wünsche er sich mehr Mut von
den Konsumenten, auch mal selbst
ein Risiko einzugehen. „Häufig
herrscht noch ein Abwarten, ob sich
nicht in Zukunft womöglich doch ei-
ne andere Antriebsart etabliert.“
Mehr Mut sähe Schuh auch gern
bei Wagniskapitalgebern in Deutsch-
land. In dieser Hinsicht sei seine Si-
tuation mit jener von Nicolaus August
Otto damals vergleichbar, der die
Gründung der heutigen Deutz AG
erst mithilfe seines wohlhabenden
Bekannten Eugen Langen finanzieren
konnte. „Da herrscht bei vielen Inves-
toren in Deutschland noch eine gro-
ße Zurückhaltung: Nur wenn der Er-
trag wirklich sicher und die Rückzah-
lung am besten morgen ist, wird eine
Finanzierung gewährt.“
Deutschland habe vor allem bei
größeren Anschlussfinanzierungen in
der Wachstumsphase eines Start-ups
gegenüber dem Silicon Valley, Israel
und China noch großen Aufholbe-
darf. Kevin Knitterscheidt

Sven Seidel


Zurück in den Süden


N


ur anderthalb Jahre hat es
Sven Seidel in Hamburg als
Vorstand des Versandhauses
Otto ausgehalten. Nun zieht der
45-Jährige zurück in seine süddeut-
sche Heimat. Der Manager über-
nimmt zum 1. November die Führung
des Mannheimer Gesundheitsdienst-
leisters Phoenix. Das teilte der Kon-
zern an diesem Mittwoch mit.
Der bisherige Chef Oliver Windholz
werde Phoenix Ende September ver-
lassen, einen Grund nannte die Fir-
ma nicht. Der Manager hatte die
Gruppe mit mehr als 37 000 Mitar-
beitern seit Anfang 2014 geleitet.
„Mit Sven Seidel haben wir einen
überaus kompetenten Nachfolger,
der auf einen breiten Erfahrungs-

schatz im Handel zurückgreifen
kann“, erläuterte Bernd Scheifele,
Aufsichtsratsvorsitzender von Phoe-
nix. Phoenix, das zur Unternehmerfa-
milie Ludwig Merckle gehört, ist im
Pharmagroßhandel aktiv, betreibt
aber auch 2 500 Apotheken. Der Um-
satz erreichte im abgelaufenen Ge-
schäftsjahr knapp 26 Milliarden Euro,
unter dem Strich stand ein Verlust
von 112 Millionen Euro.
Vor seinem Wechsel zu Otto hatte
Seidel drei Jahre lang den Discounter
Lidl geführt. Seinen Abschied von
der Elbe begründete Seidel mit priva-
ten Gründen, seine Familie sei im Sü-
den verwurzelt. Zudem reize ihn die
„herausfordernde berufliche Per-
spektive“. Bei Otto haben sie den Ma-
nager geschätzt. „Herr Seidel hat in
den vergangenen 18 Monaten unse-
ren Retail- und Importgeschäften
wegweisende Impulse geben kön-
nen“, erklärte Aufsichtsratschef Mi-
chael Otto. Seidel war unter ande-
rem für Töchter wie Sport Scheck
und Manufactum zuständig. jojo

Günther Schuh: Fordert mehr
Risikobereitschaft der Konsumenten.

Dominik Asbach/laif


Der E-Auto-Pionier wird ausgezeichnet – ausgerechnet vom
ältesten Hersteller von Verbrennungsmotoren der Welt.

Der Manager wechselt vom Hamburger Versandhaus
Otto zum Mannheimer Pharmaspezialisten Phoenix.

Sven Seidel: Der
Manager hielt es bei
Otto nur anderthalb
Jahre aus.

Juergen Altmann für Handelsblatt


               
 

      


   
   



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Familienunternehmen des Tages


DONNERSTAG, 12. SEPTEMBER 2019, NR. 176^45


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