DER SPIEGEL Nr. 37 / 7. 9. 2019 125
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Peter Lindbergh, 74
1990 erschienen die Models Naomi Campbell, Linda Evan-
gelista, Tatjana Patitz, Christy Turlington und Cindy Craw-
ford zusammen auf dem Cover der britischen Ausgabe der
»Vogue«. Vor allem diese fünf Frauen dominierten in den
folgenden Jahren die Modebranche. Mit dem heute legen-
dären Foto läutete Peter Lindbergh die Ära der Super -
models ein. Seine markanten Schwarz-Weiß-Bilder, die in
vielen internationalen Magazinen veröffentlicht wurden,
revolutionierten die Modefotografie und ließen ihn selbst
zum Star werden. »Was mich interessiert, ist diese gewisse
Wirklichkeit hinter der Fassade«, beschrieb er seine Arbeit.
Die glatt geschminkte Modewelt interessierte ihn nicht.
Er fotografierte Menschen, keine Kleiderständer. Ohne viel
Schminke, die Haare oft leicht zurückgesteckt. Meist
Frauen. Meist schwarz-weiß. Der Fotograf Jim Rakete sagte
über Lindberghs Arbeit: »So wie sich die Models bei
Helmut Newton immer gleich auszogen, so stülpten sie bei
Peter immer die Seele nach außen.« Als Peter Brodbeck
kam Lindbergh im polnischen Lissa zur Welt. Seine Fami-
lie wurde vertrieben, zusammen mit zwei Geschwistern
wuchs er in Duisburg auf. Die Zeit im Ruhrgebiet prägte
vor allem seine frühe Arbeit. Die Industriearchitektur fas -
zinierte ihn, später stellte er seine Models gern in ein künst -
liches, technisches Umfeld. Nach einer Lehre zum Schau-
fensterdekorateur studierte er an der Kunsthochschule
freie Malerei. Zur Fotografie kam Lindbergh mit 27 Jahren,
als sein Bruder ihn bat, dessen Kinder zu fotografieren.
Zwei Jahre lang assistierte er dem Düsseldorfer Fotografen
Hans Lux und nahm den Künstlernamen Lindbergh an.
Seit 1978 lebte er in Paris, wo ihm der internationale
Durchbruch gelang. Noch im Februar dieses Jahres stellte
er auf der Berlinale den Dokumentarfilm »Peter Lind-
bergh – Women’s Stories« vor, ein packendes, intimes Por-
trät, das ein französischer Freund über ihn gedreht hatte.
Peter Lindbergh starb am 3. September in Paris. SCW
Valerie Harper, 80
Ihre Nebenrolle der Rhoda
Morgenstern in der ameri-
kanischen TV-Serie »The
Mary Tyler Moore Show«
war so beliebt, dass sie 1974
ihre eigene Sitcom »Rhoda«
bekam. Für die Darstellung
der jüdischen Dekorateurin
erhielt die US-Schauspie -
lerin im Lauf der Jahre vier
Emmys und einen Golden
Globe. Valerie Harper
bezeichnete Rhoda als den
»Wind in den Segeln« ihrer
Karriere. Im Showgeschäft
begonnen hatte Harper
als Tänzerin am Broadway.
1970 wurde sie in Los Ange-
les von einem Agenten ent-
deckt. Neben ihren vielen
Fernsehrollen in Serien wie
»Co lum bo« war sie gele-
gentlich in Hollywoodfil-
men zu sehen. Als Gaststar
tauchte sie in erfolgreichen
TV-Se rien wie »Sex and
the City«, »Die wilden Sieb -
ziger« oder »Desperate
Housewives« auf. 2009 wur-
de bei Harper Krebs dia -
gnostiziert. Vier Jahre spä-
ter sagten ihr die Ärzte,
dass sie nur noch drei Mona-
te zu leben habe. Kurz da -
rauf war sie wieder im Fern-
sehen zu sehen und setzte
ihre Arbeit fort. Valerie
Harper starb am 30. August
in Los Angeles. SCW
Anthoine Hubert, 22
Der Franzose kam über sei-
nen Vater, der als Amateur
an Autorallyes teilgenom-
men hatte, im Teenageralter
zum Rennsport und gehörte
dort bald zu den aufstreben-
den Talenten. Er arbeitete
sich bis in die Formel 2,
schaffte es mit seinem Team
BWT Arden zweimal aufs
Siegerpodest und war im
Nachwuchsprogramm des
Formel-1-Rennstalls
Renault. Am 31. August
wurde Hubert beim Formel-
2-Rennen im belgischen Spa-
Francorchamps von dem
Wagen des amerikanischen
Fahrers Juan Manuel Cor-
rea getroffen. Das Auto des
Franzosen wurde vollstän-
dig zerstört. Correa über-
lebte schwer verletzt –
Hubert starb. Beim Formel-
1-Rennen, das am folgenden
Tag auf demselben Kurs
stattfand, trugen die Fahrer
Trauerflor für Anthoine
Hubert. Der Unfall löste
eine neuerliche Debatte
um die Sicherheit in den
Rennserien aus. LOB
Immanuel Wallerstein, 88
Die ganze Welt auf den
Begriff zu bringen dürfte
der größte Traum aller
Gesellschafts- und Wirt-
schaftswissenschaftler sein.
Eine Erzählung für den
ganzen bunten Zauber, eine
Erklärung für die entschei-
denden Konflikte der
Menschheit. »Weltsystem-
analyse« nannte der Ame -
rikaner Immanuel Waller-
stein das, was er seit den
frühen Siebzigerjahren
in zahlreichen Büchern aus-
breitete, eine riesige ge -
lehrte Zusammenschau
von Geschichte, Soziologie,
Wirtschaftswissenschaft
und Marxismus. Das war
durchaus umstritten – für
viele Globalisierungskriti-
ker war er ab den Neunzi-
gern trotzdem ein beliebter
Stichwortgeber. Geboren
in New York, studierte Wal-
lerstein an der Columbia
University und lehrte dort
auch. Immanuel Wallerstein
starb am 31. August. RAP
KAI JUENEMANN
GARETH HARFORD / IMAGO IMAGES
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