Globale Vernichtungsorgie
Nr. 36/2019 Sind wir noch zu retten?
Wie viel Wald der Mensch zum Überleben
braucht
Danke, dass Sie das Thema sowohl im
Amazonasgebiet als auch in Deutschland
beleuchtet haben. Der Wald stirbt vor un-
serer Haustür – und dieser Wald scheidet
als CO
²
-Speicher aus. Wir brauchen eine
nationale Anstrengung zum Schutz des
Waldes und des Klimas. Die toten Bäume
sollten »eingelagert« werden, damit das
gespeicherte CO
²
nicht entweichen kann.
Ferner benötigen wir eine Aufforstungs-
initiative. Der Schutz des Amazonas -
gebiets kann nur durch ein internationales
Abkommen im Rahmen des Pariser Klima -
abkommens erreicht werden.
Günter Pfeiffer, Windeck-Herchen (NRW)
In einem Punkt hat Bolsonaro recht: Was
befugt die entwickelten Länder, Brasilien
vorzuschreiben, was mit seinem Regen-
wald zu geschehen hat? Sanktionen sind
hier sicherlich keine Lösung, sondern ver-
stärken den Drang, die eigenen Ressour-
cen zu nutzen. Wenn die Regenwälder
eine Ressource sind, die von der gesamten
Menschheit gebraucht wird: Warum zahlt
man dann nicht dafür? Die entwickelten
Länder könnten in einen Fonds einzahlen,
der an die Länder ausgegeben wird, die
am meisten Klimasenken bereitstellen.
Damit könnte die Erhaltung des Waldes
wirtschaftlicher werden als die Rodung.
Michael Habermann, Lotte (NRW)
Der brasilianische Präsident Bolsonaro
weist Kritik aus Europa mit dem Argu-
ment zurück, wir sollten uns doch zuerst
um die Naturzerstörung und die Wälder
bei uns kümmern. Leider hat er damit
durchaus recht. Seit Jahrzehnten tobt in
Deutschland ein erbitterter Streit darüber,
ob wir uns fünf oder gar zehn Prozent Na-
turwälder ohne forstliche Nutzung leisten
können und ob das überhaupt sinnvoll ist.
Pläne zur Ausweisung von Nationalparks
rufen sofort aggressiv geführte Debatten
hervor. Wenn seltene Arten und Biotope
der Ausweisung von Bau- und Gewerbe-
gebieten im Wege stehen, blickt man fast
durchweg in genervte Gesichter. Über Fut-
termittel- und Rohstoffimporte sind wir
ohnehin unmittelbar an der globalisierten
Vernichtungsorgie beteiligt. Eigentlich sind
Bolsonaro, Trump und Co. ehrlicher als
wir: Sie fördern die Zerstörung und jubeln
dazu.
Dr. Christian Stierstorfer, Regensburg
Dass Länder wie Brasilien den Regenwald
nur erhalten, wenn die wirtschaftlich er-
folgreichen Länder, die ihre Urwälder
schon lange abgeholzt haben, sie dafür be-
zahlen, ist für mich klar. Davon abgesehen
sollten wir zuallererst den Erhalt und die
Erneuerung von unseren eigenen Wäldern
vorantreiben. Zum Beispiel unsere unsin-
nigen Rasenflächen, auf denen keine Scha-
fe weiden und auf denen nicht mal Feder-
ball oder Ähnliches gespielt wird, die nur
noch ein Statussymbol sind. Da wäre Platz
für viele Millionen Bäume. Und Laub auf-
sammeln kann ja wohl nicht viel schlim-
mer sein als Rasen mähen.
Benedikt Hartwig Bullerdiek, Kapstadt
Wer im Glashaus sitzt ... Wie viel Wald
braucht es für ein Jahr SPIEGEL?
Dieter Holhorst, Hamburg
DER SPIEGEL: Sehr geehrter Herr Hol-
horst, danke für Ihren Leserbrief. Bereits
jetzt werden sämtliche Titel der SPIEGEL-
Gruppe auf Papier produziert, welches das
FSC-Siegel für verantwortungsvolle Forst-
wirtschaft trägt. Zurzeit arbeiten wir mit
mehreren Papierfabriken zusammen, um
ein Recyclingpapier zu entwickeln, welches
unseren Qualitätsansprüchen entspricht.
Wir planen, noch in diesem Jahr eine Teil-
auflage des SPIEGELauf Recyclingpapier
umzustellen. Herzliche Grüße
Silke Kassuba, Herstellungsleiterin im SPIEGEL-Verlag
Endlich, so möchte man sagen, nimmt die
Weltöffentlichkeit von dem alljährlich
stattfindenden Niederbrennen der tropi-
schen Regenwälder Kenntnis. Diskutiert
wird aber fast ausschließlich der damit ver-
bundene unermessliche Schaden für das
Klima. Im Gegensatz dazu findet die zwei-
te Seite der Medaille, die Vernichtung des
artenreichsten terrestrischen Lebensrau-
mes, der tropischen Regenwälder, kaum
Beachtung in der öffentlichen Wahrneh-
mung. Globales Artensterben und Klima-
wandel müssen zusammengedacht wer-
den. Der SPIEGELschrieb schon in dem
Artikel »Weisheit des Verzichts« (Ausgabe
19/2019), dass der Verlust von Ökosyste-
men und Arten dramatischere Folgen
haben könnte als der Klimawandel.
Dr. Bernhard Lohr, Günzburg (Bayern)
128
»Es geht ja nicht nur um Holz – es geht um einen Lebensraum von unglaub-
lich vielen Tierarten, um die Heimat der letzten Ureinwohner und eben
um einen wichtigen Umweltfaktor. Ein Urwald wächst nicht einfach nach.«
Verena Roos, Steißlingen (Baden-Württemberg)
DER SPIEGEL Nr. 37 / 7. 9. 2019
VICTOR MORIYAMA / GREENPEACE
Brennender Amazonasregenwald
Tucholsky der Zehnerjahre?
Nr. 35/2019 SPIEGEL-Gespräch mit
Philipp Ruch, Kopf des »Zentrums für
Politische Schönheit«
Bewundernswert, wie Ihre Redakteure bei
diesem pseudointellektuellen Wirrkopf
ernst und sachlich bleiben konnten. Der
Mann hat die völlig andersartige Situation
der Weimarer Republik, die maßgeblich
zu Hitler führte, nicht verstanden – oder
wissentlich ausgeblendet. Es gibt heute kei-
ne Phalanx aus reaktionären Militärs,
Adel, Bürokratie und Industrie, die die De-
mokratie ablehnen und zerstören wollen.
Für bedenklich halte ich es, dass er wohl
von einigen ernst genommen wird.
Rainer Fahning, Wedel (Schl.-Holst.)
Vielen Dank für die Bestätigung, dass linke
Verschwörungstheoretiker genauso krude
Ansichten haben wie die rechten. Da
bleibt ein Kurs der Mitte alternativlos!
Peter Rohde, Fellbach (Bad.-Württ.)
Was ich sehr irritierend fand, war Ihre apo-
logetische Haltung in Richtung der AfD.
Der Höhepunkt war, als auf den Satz von
Ruch »Es darf niemals zu einer Regierungs-
beteiligung der AfD an einer Bundesregie-
rung kommen. Niemals« von Ihrer Seite
entgegnet wurde »Moment!« Geht es
noch? Sie arbeiten für den SPIEGEL, nicht
die »Welt« oder sonst ein eher konservati-
ves Blatt. Wenn es mit Ihrem Magazin
so weit gekommen ist, dass für Sie eine
Regierungsbeteiligung der AfD unwider-
sprochen denkbar ist, dann bin ich ent-
setzt. Denn dann hat Ruch mit seiner
Argumentation recht: Dann ist die AfD
in der Mitte des Sagbarkeitsfelds ange -
kommen, und wir können darauf warten,