Die Welt - 07.09.2019

(Axel Boer) #1

30


07.09.19 Samstag, 7. September 2019DWBE-HP


  • Belichterfreigabe: ----Zeit:Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Zeit:-Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: ---Zeit:---Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: :Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: Zeit:Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe: -Belichterfreigabe:
    Belichter: Farbe:Belichter: Farbe:Belichter:


DWBE-HP

DW_DirDW_DirDW_Dir/DW/DW/DW/DW/DWBE-HP/DWBE-HP
07.09.1907.09.1907.09.19/1/1/1/1/Kul1sa/Kul1saPKRUEGE1 5% 25% 50% 75% 95%

30 DAS FEUILLETON DIE WELT SAMSTAG,7.SEPTEMBER2019


D


ass Rock tot ist, hat Wanda
wohl nicht mitbekommen.
Zum Glück, denn die Wiener
Band ist ein Phänomen, das
uns seit Jahren mit schnapsge-
tränkten Balladen begeistert. Wanda macht
Musik, um nach der Sperrstunde – die es in
Wien tatsächlich gibt – betrunken durch die
Nacht zu stolpern. Auf der Suche nach Liebe
oder Schnaps. Oder beidem. Vor der Veröf-
fentlichung ihres vierten Albums „Ciao!“, fra-
gen wir den notorisch kettenrauchenden
Sänger Marco Michael Wanda, ob es denn gut
geworden sei. Ein Gespräch über den Rausch,
die Einsamkeit des Menschen und die tradi-
tionell unpolitische Wiener Kunstszene.

VON MATTHIEU PRAUN

WELT:Sie haben vor der Veröffentlichung
in einem Interview gesagt, dass das kom-
mende Album entweder sehr gut oder aber
richtig schlecht wird. Wie ist es nun ge-
worden?
MARCO MICHAEL WANDA:Ich bin ganz zu-
frieden, muss ich sagen. Ich glaube, es ist we-
der gut noch schlecht, sondern es ist irgend-
wie anders geworden. Als Dilettant bin ich
der festen Überzeugung, dass man Musik so-
wieso nicht steuern kann in ihrer Entwick-
lung. Wenn man anders lebt, klingt die Musik
auch irgendwie anders.

Wandas letztes Album „Niente“ kam vor
zwei Jahren heraus. Was hat sich seitdem
verändert?
Unser Leben hat sich stark verändert. Ob es
vorher überhaupt ein Leben war, weiß ich
nicht. Wir haben eine durchaus finstere Pha-
se erlebt und überlebt. Das Ganze drohte
wirklich auf bestem Wege gegen die Wand zu
fahren. Sehr exzessiv. Wir waren sehr jung,
als alles angefangen hat, und es ging viel-
leicht zu schnell. Der Konsum, die Rausch-
lust und die Exzesse, das alles hat mich er-
schreckt.

Und wo stehen Sie jetzt, haben Sie alle ge-
meinsam einen Gang zurückgefahren?
Kann man so sagen! Aber ich bin sehr froh,
dass das alles so passiert ist. Heute kenne ich

mich besser aus, ich kenne die Gefahren die-
ses Geschäfts.

Ist die Band Wanda erwachsen geworden?
Erwachsen fühle ich mich noch nicht. Aber
ich kann zumindest mittlerweile abschätzen,
was gut für mich und für uns ist und was
schlecht. Und die Reise hat ja auch erst be-
gonnen, wir sind gerade an der ersten Stati-
on angekommen. Eine Zeit lang war das Ver-
sprechen in Gefahr, dass das Ganze hier eine
geistige Reise wird. Es war dann irgendwann
nur noch eine Suche nach Exzessen. Das hat
sich mit diesem Album geändert: Diesmal
war es wieder eine geistige Reise, bei der es
sehr um die Musik ging. Und ich denke, das
hört man auch.

Wie ist dieses vierte Album denn entstan-
den?
Wir haben auch während der Aufnahmen alle
ganz anders gelebt: Wir waren alle gemein-
sam in einem Haus und haben dort zwei Wo-
chen miteinander koexistiert. Es war ein
sehr liebevoll hergerichtet Haus an der
tschechischen Grenze, wo wir auch ein biss-
chen Anschluss an die Menschen vor Ort hat-
ten. Vor allem über die Kinder, die die ganze
Zeit mit uns Fußball spielen wollten. Es war
total interessant, in dieser Atmosphäre zu
arbeiten, denn bei den bisherigen Alben sa-
ßen wir immer kettenrauchend in irgendwel-
chen Kellern.

Das hat man gehört. Ihre Musik ist auch
von einer gewissen Suff-Ästhetik geprägt

Das hat man gehört. Ihre Musik ist auch
von einer gewissen Suff-Ästhetik geprägt

Das hat man gehört. Ihre Musik ist auch

gewesen, Wanda macht Lieder zum Saufen
und Rauchen, heißt es immer wieder. Wel-
che Rolle spielt Rausch in Ihrer Musik?
Unsere Medien sind voller Angst, voller Het-
ze, voller selbst erfüllender Prophezeiungen.
Als Reaktion darauf betäubt sich diese Ge-
sellschaft, um zu verdrängen. Wir haben
wahnsinnig viel Tablettensucht. Ich meine,
die Hälfte aller Hausfrauen in Europa ist von
Tabletten abhängig. Alle saufen, überall sind
Drogen. Rausch ist also kein Thema, das
Wanda gepachtet hat. Wir singen über etwas,
das tief mit dieser Gesellschaft verbunden
ist, das wie ein Geschwür in dieser Gesell-
schaft wuchert.

Rausch als Betäubung – trinken Sie also
auch, um zu verdrängen?
In meinem Leben hat das Trinken den
Stellenwert einer Normalität, aber das ist
wohl eher im Pathologischen angesiedelt.
AAAuf der anderen Seite halte ich viel davon,uf der anderen Seite halte ich viel davon,
das Trinken als ein uraltes Mittel zu be-
trachten, um sich geistig zu erweitern.
AAAber man muss halt für sich selber heraus-ber man muss halt für sich selber heraus-
fffinden, wo die Grenze ist und wie man esinden, wo die Grenze ist und wie man es
positiv nutzen kann. Ich trinke nicht, um
zu verdrängen, sondern um mich zu stel-
len. Wenn ich trinke, dann steigt sehr viel
in mir auf. Und als professioneller Trinker
kann ich das, was aufsteigt, mittlerweile
ordnen und deuten. Es ist für mich eher et-
was Schamanistisches.

Sie haben einmal gesagt, Sie wollen gegen
eine bestimmte Gegenwartsstimmung an-
schreiben. Wogegen genau?
Ich schreibe über das Leben, das ich kenne.
Das Leben, das wir kennen, bewegt sich ir-
gendwo zwischen Konsum, sozialem Auf-
stieg und fürchterlicher Armut, die uns allen
die Sprache verschlägt. Über so etwas wie
Spaltung und Rechts-links-Thematiken
schreibe ich nicht. Das interessiert mich
nicht. Und die Signatur meiner Existenz soll
auch nicht gelesen werden als eine Stim-
mungsmache gegen irgendwas. Ich bin gegen
gar nichts, ich nehme diese Welt irgendwie
an. Es ist sicher nicht die schlechteste aller
möglichen Welten, auch wenn es uns so ver-
kauft wird.

Ihre Texte sind oft melancholisch und vol-
ler Trauer. Sie handeln von menschlichen
Abgründen und zeichnen auch nicht gera-
de ein hoffnungsvolles Bild der Welt. Wel-
che Welt verkauft Wanda?
Ich mache mich textlich auf die Suche
nach dem Prototypen des modernen Men-
schen. Daher sind unsere Texte zwar tief-
traurig, darin liegt aber auch die Schön-
heit. Die Musik ist dabei immer der Hoff-
nungsträger, beides isoliert würde also
nicht funktionieren. Diese beiden Ebenen
gehören zusammen, die Musik erhebt sich
über den Text. Der Text kann voller Leid,
Elend und Schmerz sein, aber über die

Musik kriegt das Ganze einen hoffnungs-
vollen Glanz.

Was ist denn der Prototyp des modernen
Menschen?
Der moderne Mensch ist einsam. Für mich
ist der Mensch mehr als ein konsumieren-
der Roboter. Man hat das Gefühl, wenn man
in diese Welt schaut, dass es nur noch um
die Insignien des Kapitalismus geht. Aber
auf der anderen Seite rufen wir Astrologin-
nen an und lassen uns mit Tarotkarten die
Zukunft lesen. Wir haben so etwas durch-
aus Sympathisches, Uraltes, etwas Mysti-
sches. Darauf will ich aufmerksam machen
mit meiner Arbeit.

Wie politisch ist Wanda denn eigentlich?
The Doors haben mal gesagt, sie seien eroti-
sche Politiker, das würde ich unterschreiben.
Bei uns geht es mehr um Themen wie kör-
perliche und geistige Selbstbefreiung.

Ist das ein Grund warum Wanda sich nie
explizit politisch äußert?
Das hat viele Gründe. Vor allem möchte ich
nicht als ein weiterer Scheinexperte auftre-
ten. Politik und Wissenschaft wird im Mo-
ment so angezweifelt, dass ein Vakuum ent-
steht, in dem sich unglaublich viele selbst er-
nannte Experten tummeln. Aus einer mir
rätselhaften, hilflosen Haltung heraus su-
chen Menschen darin zunehmend Antwor-
ten und finden sie in Verschwörungstheo-
rien. Das finde ich problematisch. Meine
Wahrheit ist Liebe und Musik und der
Mensch. In meinen Texten geht es immer
um das, was wir gemeinsam haben. Was uns
verbindet, sind ganz banale Qualitäten:
Hoffnung, Sehnsucht, Furcht, Liebe. Ich
möchte gerne allen zurufen: „Beschäftigt
euch mit dem, was ihr gemeinsam habt!“
Man kann durchaus kritisch mit Parteien
umgehen, das ist ja klar, das muss man auch.
Aber man darf die Parteien nicht mit ihren
Wählern verwechseln.

Ist das eine sehr österreichische Haltung?
Der deutsche Popkosmos ist oft latent po-
litisch. Viele Bands definieren sich dezi-
diert als links und positionieren sich, zum

Beispiel gegen Rechtspopulismus. Das
scheint schon fast dazuzugehören.
Also grundsätzlich gehe ich damit voll d’ac-
cord. Ich finde diese Bemühungen zum Teil
großartig, vor allem auf der linksintellektuel-
len Seite der Kunst. Aber ich finde, dass das
oft übers Ziel hinausschießt. Wenn ich dann
Künstler sagen höre „Mit einem Rechten
darfst du gar nicht reden“, das ist dann der
Moment, wo ich nicht mehr mitgehen kann.
Der Dialog ist gerade das Allerwichtigste,
dass wir uns miteinander beschäftigen über
diesen Graben hinaus. Das ist total wichtig.

Dabei gibt es doch in Österreich genug
Gründe, sich in die Politik einzumischen,
eigentlich immer schon.
AAAber die Wiener Kunstszene war eigentlichber die Wiener Kunstszene war eigentlich
nie wirklich obrigkeitskritisch. Das waren
wir nie. Während ihr den Rudi Dutschke
hattet, während ihr euch immer gegen Füh-
rungen engagiert habt in Deutschland, ha-
ben wir uns in der Kunst mit unserem Anus
beschäftigt. Da haben Künstler auf Tische
geschissen. Wir waren halt immer beschäf-
tigt mit unserem Unterbewusstsein. Sig-
mund Freud ist ein jüdischer Intellektuel-
ler aus Wien, das ist tief verwurzelt in un-
serer Denkweise. Wir beschäftigen uns mit
dem Abgründigen. Wir haben unsere Füh-
rungen immer hingenommen und wir ha-
ben immer versucht, uns nicht spalten zu
lassen von einer Führung. Und unsere Re-
volution war ja auch ganz anders als alle
anderen bürgerlichen Revolutionen in Eu-
ropa: relativ unblutig.

Und in dieser Tradition steht Wanda?
Das färbt natürlich ab. Wir sind ein Völk-
chen, das sich von Panikmache nicht gerne
mitnehmen lässt. Wir vertrauen solchen Sa-
chen nicht, wir sind skeptisch und lassen uns
nicht gerne erklären, dass wir gespalten sind.
Deswegen wird die FPÖ hier auch seit ewi-
gen Zeiten mehr oder weniger geduldet.
Denn man verwechselt sie nicht mit ihren
Wählern. Ich kann mit einem FPÖ-Wähler
ein Bier trinken, weil er für mich nicht die
Partei ist. Er ändert die Verfassung nicht. Er
macht irgendwo mit, aber darüber kann man
sich ja unterhalten. Und das muss man auch.

Die Gruppe Wanda mit Frontmann Marco Michael Wanda in der Mitte

W
OLFGANG SEEHOFER

/ ALEXANDER BACHMAYER

„Es war irgendwann


nur noch eine Suchenur noch eine Suche


nach Exzessen“nach Exzessen“


Wanda macht Lieder zum Saufen und Rauchen. Warumanda macht Lieder zum Saufen und Rauchen. Warum


auch nicht? Im Interview spricht der österreichische Sängeruch nicht? Im Interview spricht der österreichische Sänger


Marco Michael Wanda über das Trinken als Mittel derarco Michael Wanda über das Trinken als Mittel der


Bewusstseinserweiterung und darüber, warum er dieewusstseinserweiterung und darüber, warum er die


Wiener Kunstszene für unpolitisch hältiener Kunstszene für unpolitisch hält


© WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung DIE WELT -2019-09-07-ab-22 573d3b1afd4d76e1ea8390d8af9b1c4f

RELEASED BY "What's News" vk.com/wsnws TELEGRAM: t.me/whatsnws

Free download pdf