Der Tagesspiegel - 07.09.2019

(John Hannent) #1
TextBirgitRieger
FotosTobiasSchult

hielt jedenfern, de rnicht für dieStasi tätigwar.
Kurz nach demZweitenWeltkrieg nutztedie so w-
jetische Geheimpolizei denKeller derVilla Heike
als Verhörzentrale.Nurein paar Wochenvorher,
im April 1945,wurdeRichardHeike,der Berliner
Fleischereimaschinenfabrikant, der dasHaus
1910 als Showroom undFamiliendomizilerbauen
ließ, vonder RotenArmee erschossen, direktvor
seiner Haustür.Für Dumet istder Balkon abervor
allem eins:Luxus. „Groß, vieleStunden am Tag
Sonne.“ Das Geländer,auf de mihreArme ruhen,
glänzt nochganz neu.
Johanna Dumet ist 28Jahrealt, dunkle Haare,
dichte Augenbrauen,ihr Spezialgebiet sindStill-
leben. Siemalt Obstund Geschirr wi eschon die
Niederländer im Mittelalter .Die AltenMeister
übertrafen sichgege nseitig damit, die Dinge
möglichst naturgetreu abzubilden.Später kamen
Cézanne und die Impressionisten undzeigten,
dassman das auch völlig anders machenkann.
Aber2019? Gibt es eigentlichnichts, wasman
dem Thema Stillleben noch hinzufügen kann.
Außer: einGespür für denAugenblick. Unddas
kriegt Johanna Dumet ziemlichgutauf die Lein-
wand. Siemalt so selbstbewusstwie di enächste
Frida Kahlo,nur ohn edie Schmerzen.
Die Französin siehtSchönheit ,wonoch keine ist.
Siehat den Kopf vollerIdeen und ausreichend
Abstand zuBerlin. Den braucht,werhier zur Ruhe
kommen will.Zwanzig großeBilder hatsie in den
letztensechs Monatengemalt.Das ist viel und
erfordert Disziplin. Ankunftini hrem
Atelier ist normalerweise morgens um neun Uhr.
Das ehemaligeStasi-Gefängnis nebenan öffnet um
zehn.DannkommendieerstenSchulklassenin
die Gedenkstätte und trabenhinter ihren Lehrern
auf dem Trottoir entlang.
Seit siebenJahren lebt Dumet in derStadt,
FreundeinB arcelona ha tten ihr gera ten: „Geh
nach Berlin!“ Also ging sie.Fand eineWohnung
in Kreuzberg.Besorgt esicheinen Putzjo b, um
Geld zuverd ienen.Bis es ihrzud ummwurde.
Ein Wohnun gsbesitzerverl angtevon ihr ,seinen
riesigen Spiegel beimSaubermachen Zentimeter
für Zentimeter anzuhauchen.
Die Annoncefür das Atelier entdeckte sie vor
eineinhalbJahren auf eBayKleinanzeigen.
Der Architekt ChristofSchubertwollte die al te
Indu striellenvi llazum Atelierhaus umbauen und
suchteMieter .Die mondäneVilla Heikesieht
neben Stasi-Gefängnis,Lidlund Plattenbau aus,
als hät te man sie aus denZwanzigerjahren hierhin
gebeamt. Seit derWende stand das Gebäudeleer,

Niemand malt


heute noch Stillleben.


Niemand außer


Johanna Dumet.


Die 28-jährige


Französin hat in der


Villa HeikeinHohen-


schönhausen ihr


Traumatelier


gefunden. Es istein


Haus mit Geschichte.


Doch für Dumet


zähltvorallem:


Gegenwart


VomBalkon aus hatman eine nguten Blick auf das
Grauen.Wenn Johanna Dumet in ihremAtelier in
Hohenschönhausenkurz nachdraußen tritt, eine
Pause macht oder einfach nur nachdenkt,kann
sie linker Hand die alten Gefängnismauern sehen.
Nebenan Blieg tBlock F, die ehemalige„Abteilung
Bewaffnung“ undgege nüber BlockN, der „Oper a-
tivTechnischeSektor“, in dem Abhöranlagen her-
gestell twurden.Das Haus, indem sieihr Studio
eingerichtet hat, dieVilla Heike, trägt denBuch-
staben Jfür „Geheimarchiv“ .Hierlagertenzu
DDR-Zeitenangeblich el fKilometergeheime NS-
Akten, um siebei Bedarfgegen Politiker oder
Beamteder Bundesrepublik zuverwenden.
Bis 19 90 wardas Gebiet rund umdieVilla Heike
und das ehemaligeStasi-Untersuchungsgefängnis
streng abgeriegelt, auf Ost-BerlinerStadtplänen
existierteesn ur al sweißer Fleck. Eingroßes Tor

Die Annonce


für dasAtelier


in der mondä-
nen VillaHeike


entdeckte


Johanna Dumet


voreineinhalb


Jahren auf eBay
Kleinanzeigen


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