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euerdingstreffe ich immer, wenn ich
vonderTherapiekomme,eine nzorni-
genalten Herrnmit einem Gehstock.
Sein Ärgernis: ich. Mit meinemFahrrad auf
seinemGehsteig.
Ich habe Verständnisfür sei nenÄrger.
Fahrradfahrer*innen auf dem Fußweg sinddie
Pest .Wie oft sitze ich draußen im Café und bin
genervt,weilmirallefünfMinutenjemandfastvom
RadinmeinenPistazien-Eisbecherstürzt.OhneHelm.
MiteinerHandaufInsta.UndinderanderenHandden
Einkaufsbeutel.NiemandkannsolcheMenschenleiden.
Aberdann,wennichselbe raufdemFahrradbin
undwiederdienasseKopfsteinpflasterstraßelang
muss,weicheauch ich gern mal auf den Fußweg
aus.Gan zvorsichtignatürlich.Kanngarnicht spas-
sieren.Ichfahr ejaS chrittundhabeAugen.Oder
an der vierspurigen Straße ohne Fahrradweg. Da
gönneichmirmanchmal,überdieFußgängeram-
pelzufahren–beigrün !UnddenGehwegaufdergegenüberlie-
gendenStraßenseitezunehmen,umdannlinksabzubiegen.Fühlt
sichsichereran,alsnebenbrüllendenLkwsentlangzueiern.
DerguteHerrfindetwahrscheinlich,dassichseineSicherheit
gefährde.Wasihndazubringt,dieArmeauszubreiten,alswäreer
einGreifvogel,undfluchendaufmichzuzurennen.Auchalsich
schonlängstabgestiegenbinun dschiebe,versuchterwiederholt,
sichsovormeinemRadinPositionzubringen,dassichihnfast
anfahre ,dabei fuchtel termit seinemStock in Richtung meiner
Speichen. Irgendwieschaffeich es an ihm vorbei, höreihn mir
abernochlange„DublödeFotze“hinterherrufen.
Bissch en overthe top, denke ich, aber die StVoist auf seiner
Seite,alsoselberSchuld.AberMoment–selberSchuld,dassmich
einerals„Fotze“beschimpft?Nein.IchförderekeinenSelbsthass
inmir!WoherdiesefuckingWut?Erhättejaauch„SteigenSiemal
bitte ab, junge Dame!“sagen können,odervon miraus„Steigen
Sieab,jungeDame,sonstmachichIhnennenPlatten!“Aberdie-
sesbeleidigendeGebrüllfühltsi cha nwiederZorneinesganzen
Lebens.Aaah,was,wenneranSchmerzensgeldkommenwollte,
weilseineRentesoschmalist?MeinHerzrast.
BERLINERINNEN
Laura Naumann, geboren1989 inLeipzig, ist Theateraut orin un dPerformerin.
In di eser Kolumneerzählt sievon wärmendenBegegnungeninder manchmalvielzucoolenStadt.
Kampfgegen denZorn:
Laura Naumannüberdie
KraftderHundestimme
IchkenneLeute,diesagenein-
fach„Fuckyou!“zurück,wenn
ihnenjemandmiteinem„Fuck
you!“ kommt. Oder sie brül-
lenalserste,wennihnenwas
nichtpasst.Mirkommtinsol-
chenSituationennichtmalein
„Blödmann“überdieLippen.
Vielleicht, weil ich Schwie-
rigkeitenhabemitaggressiven
Impulsen,kannsein.Aberichfinde
Beschimpfungen auch einfach scheiße.
Washatdasjemalsbessergemacht?
Beimnächsten Mal sehe ich ihn schon von
Weitem. Ichspringesofor tabund schiebe, aber
er hat mich schon entdeckt. Er nimmt Anlauf.
OhneWitz: Er nimmt Anlauf und versucht,mir
insFahrradzurennen.Wiederbrüllter.Wieder
beschimpftermich.Wassolldas?Ichspüreeinen
deutlichenImpuls,michzuwehren.Wasfü rschrec klicheDinge
werdeichsagen,wennichmichlasse?
ZumGlückverbringeichvielZeitmitLeuten,dievielZeitmit
Hunden verbring en.VondiesenMenschenkannmaneinigesler-
nen. Die strenge Stimme zum Beispiel, mit der sie Hunde dazu
bringen,daszutun,wassiewollen(Folgemir,wohinauchimmer
ichgehe! SteckdeineSchnauzeerstindasHundeeis,wenniches
direrlaube!).Unddas,ohnesiezubeleidigen!
UndsosageichzudemZornbrockeninderbestimmtestenWei-
se und mit der strengsten, gebieterischstenStimme, die ich fer-
tigbringe:„Nichtschonwieder.Hörjetztauf.“Underverstummt
tatsächlich.LässtdenStocksinkenundziehtab.
Wow. Die Power der Hundestimme.Ich bin begeistert. Und
verbring edie folgenden Tage damit, mir den nächsten Show-
downzwischenKamikaze-MeundKamikaze-Opavorzustellen.
WelcheSä tzekönnteichnochsagen?Wirdes„Sprichmichnie
wiederano deric hmachdich kaputt“sein? Oder einschlichtes
„Tschüss“?Werdeichihnvielleichteinfachumarmenundihmauf
demHandyTaylorSwifts„YouNeedToCalmDown“vorspielen?
Oder einfa chnie,niewiederaufdemFußwegfahren?
Foto:Privat
Youneed to
calm down