Der Tagesspiegel - 07.09.2019

(John Hannent) #1
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Interview


Nicola Kuhn


einKindwar.HeinStünkeund sein er Frau
Evaverdankeich viel.Bei ihnen lernte ich
als Volontär di ezeitgenössische Kunst
kennen undbegegneteErnst WilhelmNay,
FritzWinter, MaxErnst,die alle keineNazis
waren.

Alledreigalten währenddesNS-Regimes
als „entartet“.DieMuseenund privaten
Sammler kauften damals vornehmlich
solche Werke. Oder siegingennachParis,
wo manendlich dieModerne erwerben
konnte,die französische Avantgarde der
Nachkriegszeit:bevorzugtabstrakteKunst
stellvertretendfür alles,was es in Deutsch-
landwährenddes „Drit tenReic hs“nicht
gebendurft e. Dass gleichzeitigseitden
spätenfünfzi gerJahren in Deutschlandund
AmerikaeinevölligandereKunstentstand,
einneuerRealismus,wurde nicht wahrge-
nommen.

Rudolf Zwirnerist derMann, derdie Kunst verkaufte. DerGaleristerfand1967


dieerste Kunstmesse derWeltund lockte jungeKäufermit spektakulären


Happenings.Heute bekl agterden Einflussder Investoren:Jet eurerein Werk,


destobegehrter seies. EinGesprächübernackteKünstler,drittklassige


Da Vincis undSchweinefleischimKofferraum


errZwirner,wie ka meszum „Kölner
Kunstmarkt“, dieserallerer sten Kunst-
messeüberhaupt?IchstellteEnde der
Sechzigerjahreberei ts di ePop Art-Künstler
Jim Dine, Andy Warhol undRoy Lichten stein
aus, aber niemandinteressierte sich dafür.
Es kamenkaumBesucher, diePresseigno-
rierteuns.Ich beschlossdeshalb zunächst,
mitmeinerGalerie nachLondonzugehe n,
wo es eine vital ePop-und Modeszene gab.
Im letzten Moment überlegteich es mir
anders,weilmir eine gute Freundin,die
dorteineGalerie unterhielt, davonabriet.
Ohne einenLordimHintergrund, einen
Geldgeber, hätte ichkeine Chance,sagte
sie. Darauf hinkehrteich nachKölnzurück.
Ichwusste, dass wirdie Strukturen ändern
mussten, wennwir jungeKunstverkaufen
wollten.

Sieentwic kelten dasModell Kunstmesse
zusammenmit Hein Stünke, in des-
senGalerie Siein den fünfziger Jahren
volontierthatten. Sie kanntensichaus
Ihrer Kindheit inBraunschweig,woer
in derNähe Ih resElternh ausesdie NS-
AkademiefürJugendführung leitete .Über
sein eRolle im „Drit tenReich“ hatStünke
später nie mehrgesprochen.Stand das
nichtzwischen Ihnen?Natürli ch habe ich
mehrfach versucht,mit ih mins Gespräch
zu kommen,abererwolltenicht.Stünke
ist damals reingeschli ttert, er ist selb st ein
Verführter. AlsehrgeizigerjungerMann,
deraus demArbeitermilieu stammte,
ermöglichte ihmdie NSDAP,das Abitur zu
machenundzustudi eren .Auchfür mich
wäre daskeine leic hteAuseinander setzung
geworden, denn geboren1933,zwanzig
Jahrenach Stünke, hatteich trotzdem
dasGefühl,ebenfalls derTätergenerati on
anzugehören.Auchwennich damals noch

H

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