- September 2019 DIE ZEIT No 38
Sie kämpft für Demokratie
Sie kämpft um ihr politisches Überleben
Als würde man einen Waldbrand mit einem eimer
Wasser löschen wollen: So nennen Hongkonger De-
monstranten wie die Kommunikationsstudentin tif-
fany poon, 19, das angekündigte Zugeständnis von
regierungschefin Carrie Lam, das Auslieferungsgesetz
an China zurückziehen. »Zu wenig, zu spät«, sagen
die regimekritiker. Lams einlenken gleiche einem
»pflaster auf einer verrotteten Wunde«. Der regie-
rung freie Wahlen abzutrotzen hält tiffany für ein
Ziel in weiter Ferne. Auch eine Unabhängigkeit
Hongkongs befürwortet sie nicht. Sie sagt: »Ich liebe
trotz allem die chinesische Kultur. Gerade weil ich
China alles Gute wünsche, stehe ich heute hier.« So-
lange die regierung keine unabhängige Untersuchung
der polizeigewalt verspricht, will tiffany nicht klein
beigeben. »Am tag des Generalstreiks, am 5. August,
war ich dabei, als die polizei tränengas auf Kinder
und alte menschen schoss«, sagt die Studentin. Im
Jahr 2014 war sie noch zu jung, um in der »regen-
schirm-bewegung« am ersten Kampf für mehr De-
mokratie teilzunehmen. Auch heute findet ihre mut-
ter, sie sei eigentlich immer noch zu jung für protest-
aktionen. Darum geht in diesen tagen die ganze Fa-
milie mit auf die Straße: Neben tiffanys mutter sind
auch die Großeltern, ihre tanten und Onkel dabei.
»Wenn sie unsere Freiheiten weiter beschneiden, wer-
den wir auswandern«, sagt tiffany. »Aber noch haben
wir nicht verloren.« TEXTE: XIFAN YANG; FOTO: LAM YIK
Sie ist eine Karrierebürokratin. War immer Klassen-
- e beste. Niederlagen kennt sie eigentlich nicht: Ihre b
amten nennen sie eine Kämpferin, die nie klein beigebe.
- ück Genau das wurde ihr zum Verhängnis: Ohne r
- egierungs sicht auf Verluste versuchte Hongkongs r
chefin Carrie Lam, 62, ihr Auslieferungsgesetz mithilfe
- olizei regelrecht durchzuprügeln – Gerüchten zuder p
eking nach der Hälfte ihrer p folge, um sich gegenüber
ersten Amtszeit für eine zweite in Stellung zu bringen.
roteste, die sie dadurch auslöste, bedrohen nach p Die
onaten die Autorität der gesamten Hongkonger m drei
ine Zivilbeamtin wie Lam, erzogen im e egierung. r
riten, habe nie gelernt, die b alten Kolonialapparat der
ürger zu lesen, nehmen Verteidiger b Stimmung ihrer
sie in Schutz. Lams Vorgänger seien aus ähnlichen
age blass, t Gründen gescheitert. Sie selbst wirkt dieser
angeschlagen, gelähmt. »Carrie, blinzele zweimal,
wenn du Hilfe brauchst«, machen sich ihre Kritiker im
Netz lustig. Damit weisen sie darauf hin, dass Lams
egierungschefin nach ihren eigenen r Spielraum als
Worten inzwischen »sehr, sehr, sehr eingeschränkt ist«.
an könnte das mit guten Gründen eine Untertrei-m
bung nennen. Carrie Lam soll einen Ausgleich finden
evölkerung eines Stadtstaates, die nach b zwischen der
egime in r Demokratie ruft, und einem autoritären
eking, das ihr Stabilität befiehlt. Der Druck, unter p
rdplatten, e dem sie steht, ist der zweier geopolitischen
die immer härter aufeinanderpressen.
DAS SEHE ICH ANDERS!
10 STREIT
Foto: Thomas Peters/Reuters