e del cinghiale statt, zu Deutsch: das »Kirchweihfest der
Gans und des Wildschweins«. Einmal im Jahr kommen an
die 1000 Gäste, sitzen an langen Tafeln mit Blick übers
Land. Neben kurzer Pasta mit Wildschwein-Ragout gibt es
cinghiale in umido, saftig ge schmor te Wildschwein-Stücke.
Antoinette Mazzaglia von Taste Florence, einem Anbieter
von Feinschmecker-Führungen, erzählt, im Sommer gebe
es praktisch an jedem Wochenende irgendwo in der Toska-
na eine solche Wildschwein-sagra. Obwohl die Tiere erst
ab den Sechzigerjahren in die Toskana eingewandert sind,
bekommt man Wildschwein hier heute das ganze Jahr über
in Metzgereien und Restaurants. Nichts ist schwer an den
Gerichten, die dort serviert werden. Ein wenig Olivenöl,
Gemüse, Gewürze, mehr braucht es nicht.
In Greve, einer Kleinstadt in der Region Chianti, reicht ein
Metzger hauchdünne Schinkenscheiben. Stefano Falorni
erzählt, er habe zusammen mit seinem Bruder 1968 das
erste Wildschwein in der Gegend geschossen. Salzig und
intensiv schmeckt der Schinken und doch fein und abge-
rundet. Sechs Monate muss er reifen.
Falorni ist 73 Jahre alt, vor über drei Jahrzehnten gehörte
er zu den Gründern von Slowfood, einer Bewegung, die
sich dafür einsetzt, regionales und ursprüngliches Essen
neu schätzen zu lernen. Seitdem man Luftfeuchtigkeit und
Temperatur elektronisch steuern kann, sagt er, sei ein guter
Schinken nicht mehr vom Mikroklima der Gegend abhän-
gig. Man könne ihn problemlos heute auch in Deutschland
herstellen. Da er keine Zeit dafür habe, könne das gern
jemand anderes übernehmen.
Taste Florence hat auch empfohlen, Franca Sodi zu treffen.
In der Küche ihres alten Bauernhauses sind die drei Wild-
schwein-Gerichte schließlich fertig. Als Sodi sie auf den Tisch
stellt, fragt sie, wie man Wildschwein denn in Deutschland
zubereite. »In großen Stücken im Ofen?«, sie kann es kaum
glauben. »Bahh!«, ruft sie, das könne sie besser.
Und tatsächlich haben die Kochkünste der alten Dame
mit deutscher Wildschweinküche nicht viel zu tun. Dem
cinghiale al latte verleihen Milch und Sahne eine wunder-
bare Cremigkeit. Dafür geben die Steinpilze dem Ganzen
eine fast trüffelige Tiefe. Das dolceforte entfaltet sich im
Mund so üppig wie ein raffiniertes Dessert: süß, sauer,
nussig, fruchtig, schokoladig, salzig, alles auf einmal.
Das Fleisch ist bei jedem Gang zur Perfektion gegart: Die
Fasern zerfallen auf der Zunge und bleiben doch saftig.
Kein noch so leichter Fehlgeschmack, keine Strenge. Das
Geheimnis des perfekten Wildschweins, es liegt in Franca
Sodis Rezepten. Jetzt muss es nur noch seinen Weg nach
Deutschland finden.
Die drei Wildschweinrezepte von Franca Sodi finden
Sie auf ZEITmagazin Online
Der Wildhändler Ingo Spindler – und ein Wildschwein-Gericht der Sterneköchin Dalad Kambhu aus Berlin 12 .9.19 N^0 38