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Vo n ANNA KEMPER
Neulich habe ich festgestellt, dass Art Garfunkel mich in
seiner Biografie erwähnt, und schuld daran ist letztlich ein
Münchner Brunnen. Mit 16 machte ich mit einer Freun-
din eine Woche Urlaub in München. Wir hielten die Füße
in die Isar, fanden nachts Chinesinnen in unseren Jugend-
herbergsbetten, und eines Vormittags saßen wir auf dem
Rand des Fischbrunnens am Marienplatz und ruhten uns
kurz aus. Da sahen wir, wie zwei total süße Typen auf den
Brunnen zu schlenderten. Schock: nicht auf den Brunnen
- auf uns. Waren wir jetzt nicht so gewohnt. Sie hießen
Anders und Per, kamen aus Stockholm und fragten uns, ob
wir uns hier auskennen würden und was man denn hier
so machen könnte. Weil wir uns natürlich nicht auskann-
ten, aber sofort total verknallt waren, schlugen wir vor, uns
abends im Hofbräuhaus zu treffen. Sie kamen tatsächlich,
waren aber irgendwie doppelt verabredet und mussten so-
fort wieder gehen, in den Englischen Garten, wohin wir ih-
nen heimlich folgten, um sie »zufällig« wiederzutreffen, ich
habe das meiste verdrängt (auch weil noch andere Mädchen
im Spiel waren), aber schließlich landeten wir alle zusam-
men wieder ganz in der Nähe des Fischbrunnens vor dem
Kaufhof, wo ein Straßenmusiker spielte. Wir saßen da, er
spielte The Boxer von Simon & Garfunkel, und Per sagte,
deren Musik höre er immer, wenn er aus der Schule käme.
Per beantwortete später keinen meiner Briefe, obwohl ich
ihn informierte, dass ich endlich meine Zahnspange los
war. Trotzdem war es der Beginn einer großen Liebe: zu
The Boxer, Homeward Bound und America. 20 Jahre später
erfuhr ich, dass Art Garfunkel durch Europa wanderte, und
ich fragte, ob ich ihn als Reporterin begleiten dürfe. Einen
Tag lang liefen wir am Rand einer türkischen Autobahn in
Richtung Istanbul. Es war ein großartiger, absurder, keine
Sekunde lang langweiliger Tag. »Lovely company«, schrieb er
mir danach in einer Mail. Das Porträt, das ich dann schrieb,
gefiel ihm aber anscheinend weniger, zumindest ist in seiner
Autobiografie aus der »wunderbaren Begleitung« ein »deut-
sches Verhör« geworden. Die Schönheit der Musik hat die-
sen zwei unerwiderten Lieben aber getrotzt, deshalb singe
ich seit Monaten meinem Sohn zum Einschlafen The Boxer
vor. Er denkt, die Zeilen »a pocket full of mumbles, such are
promises« hätten irgendwas mit einem Paket voll Pommes
zu tun. Und ich denke, wie seltsam und schön es doch ist,
was eine kleine Pause auf einem Brunnenrand so alles nach
sich ziehen kann.
Der Brunnen »Konkave und konvexe Form« steht auf dem
Theatinerhof, konkav liegen hier blaue Handschuhe
von Dries van Noten, gelbe und rosa Handschuhe von Roeckl
Keine Matratze, sondern der Waterfall-Brunnen.
Darauf eine pinkfarbene Tasche von
Closed und eine gelbe Tasche von Dries van Noten