TRIEBWERKE Die künstlichen Baumriesen im »Gardens by the Bay«
erzeugen Solarstrom, sind Klettergerüste für seltene Pflanzen, speichern
Regenwasser und kühlen die Gewächshäuser im Park
Wie ein Schwert fällt Dunkelheit über
den Park. Die erleuchteten Fenster der
Bürotürme tauchen den Rasen in fahles
Licht. Fußballer rollen ihre Tornetze
zusammen, und der Hügel, auf dem
sonst die Redner stehen, wirdjetzt sym
bolisch zum Grab.
Jolovan Wham, der Organisator des
Abends, ist laut Twitter-Profil "schwu
ler Sozialarbeiter und Menschenrechts
aktivist": Mit Kollegen hat er eine NGO
gegründet, die das fast rechtlose Heer
der Arbeitsmigranten berät- jener 1,4
Millionen Bauarbeiter und Haushalts-
GEO 09 2019
hilfen etwa aus Bangladesch oder von
den Philippinen, die im virtualisierten
Singapur die handfeste Arbeit tun.
Jetzt stellt Jolovan Wham ein Dut
zend elektrische Teelichter auf, legt ei
nen Strauß Chrysanthemen und einen
DIN-A2-Bogen dazu. Mit schwarzem
und rotem Filzstift kritzeln die Versam
melten Botschaften aufs Papier: "Ruhe
in Frieden", "Todesstrafe ist nicht Recht",
"Der Staat ist nicht Gott".
Diese Mahnwache hat nichts Kämp
ferisches an sich. Sie sieht eher aus wie
ein Picknick ohne Essen und Getränke.
Drei Stunden lang kauern die Bür
gerrechtler auf Plastikplanen im kurz
geschorenen Gras, in leise Gespräche
vertieft. Ein paar späte Jogger ziehen
an ihnen vorbei und drei Polizisten, die
zur Parkwache schlendern. Neugier
zeigt nur ein weißer Mäh-Roboter, der
die Gesellschaft in surrenden, errati
schen Kurven umkreist: "Ich glaube
kaum", mutmaßt eine Frau, "dass der
nur für den Rasen hier ist."
Um halb elf, exakt zur angemeldeten
Zeit, packt Jolovan Wham die Planen
zusammen. Im Moment ist es ratsam,
die Regeln zu beachten: Schließlich sind
mehrere Anklagen gegen ihn offen.
Es ist ein ganzer Strauß von Verge
hen, die sein Staat ihm vorwirft. Etwa
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