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NACHHAlTIGKElT
Saft vom Sonnenkiosk
Handys sind nichts wert, wenn der Akku leer ist. Deshalb bieten Händler in
Ruanda auf Marktplätzen Solarstrom an - aus mobilen Ladestationen
Auf einer staubigen Straße, etwa drei
Autostunden von Ruandas Hauptstadt
Kigali entfernt, umrundet eine Men
schengruppe einen weißen Kasten. Es
ist ein Kiosk, doch er hat weder Snacks
noch Brause im Angebot: Hier gibt es
Saft fürs Handy. Ausge-
meisten, denen er fehlt, leben auf dem
Land. Dabei ist das Handy in Subsaha
ra-Afrika oft unverzichtbar. Um so we
nig Bargeld wie möglich in der Tasche
zu tragen, bezahlen die Ruander im All
tag fast alles per Mobiltelefon: die Mie-
te, Steuern, eine Packung
klappte Solarpaneele, der
Sonne zugewandt, über
ragen das Behältnis. Aus
seinem Inneren baumeln
Kabel. Die Kunden laden
hier ihre Mobiltelefone,
surfen im Internet, bezah
len online Rechnungen.
73%
Kaugummis.
Das fiel auch dem Un
ternehmer Henri Nyaka
rundi auf, als er 2008 die
Heimat seiner Eltern be
suchte. Er machte das ru
andische Stromproblem
der Ruander haben
ein Handy, doch oft
fehlt es an Strom
Mobiltelefone symbolisieren den
Aufstieg des Landes -doch außerhalb
der Hauptstadt kommt der Fortschritt
nur langsam an. Zwei Drittel der rund
13 Millionen Ruander haben keinen ge
sicherten Zugang zu Elektrizität-die
zu seiner Chance: Mit ei
nem Netzwerk aus Solarkiosken, das
den Strom zu den Handys überall im
Land bringt.
Subunternehmer, oft Frauen, die es
sonst schwer haben auf dem Arbeits
markt, betreiben mittlerweile 78 dieser
Freiberufler betreiben die mobilen Ladestationen, ein kleiner Teil ihres
Einkommens geht an den Hersteller. Oft bieten die Kioske zusätzlich WLAN
Kosmos
Mehr als 30 Handys kann ein
Solarkiosk zugleich laden - auch
nachts, dank Lithiumbatterien
Kioske im ganzen Land. An Bushalte
stellen, auf Marktplätzen oder in beleb
ten Straßen verwandeln sie das ostafri
kanische Sonnenlicht in Strom. Seit
dem Frühjahr 2019 stehen auch Kioske
in ugandischen Flüchtlingscamps. Bis
zum Ende des Jahres sollen einige in
der Elfenbeinküste hinzukommen, bald
darauf in Nigeria.
Jede Betreiberin eines Solarkiosks
zahlt zunächst 30 Dollar, dafür gibt es
eine Schulung und die Arbeitskleidung;
Nyakarundis Firma liefert den Kiosk
vor die Haustür. Umgerechnet rund
100 Dollar könne eine Kioskinhaberin
im Monat einnehmen, sagt Nyakarun
di. Zwei Dollar davon gehen an sein Un
ternehmen, auf den Flächen der Kios
ke können Firmen Werbung platzieren.
"So verdienen wir unser Geld."
Das sei der eigentliche Clou der ruan
dischen Solarkioske: Sie sind kein alt
ruistisches, mit Spenden finanziertes
Projekt, sondern Bestandteil eines Ge
schäftsmodells -von dem sämtliche
Beteiligten profitieren können. Das
mache sie erst wirklich nachhaltig, sagt
Nyakarundi.
GEO 09 2019