Süddeutsche Zeitung - 10.09.2019

(Darren Dugan) #1
von birgit lotze

Sendling/Altstadt– Braucht München ein
Isarmuseum? Der Münchner Architekt Cle-
mens Bachmann ist überzeugt davon. Der
Fluss sei elementarer Bestandteil der
Stadt, sagt er. „Die Isar ist ein urmünchne-
risches Thema.“ Sie habe München von je-
her stark beeinflusst, es zu dem gemacht,
was es ist, der Stadt Leben und wirtschaftli-
chen Einfluss gebracht. Holz und Kalk wur-
den auf der Isar transportiert, später Süd-
früchte, Gewürze, Baumwolle und Seide.
Auf dem Höhepunkt der Flößerei im


  1. Jahrhundert sollen in München
    8000 Flöße pro Jahr angelandet sein. Heu-
    te sei der Fluss Lebensader, Rückzugs-
    und Erholungsgebiet, Kreativitätsraum.
    Seit elf Jahren arbeitet Bachmann im-
    mer mal wieder an einem Entwurf für ein
    kleines Isarmuseum, meist nachts und in
    seiner Freizeit, anfangs mit einem Kolle-
    gen, jetzt alleine. Einen Auftrag gibt es – zu-
    mindest bislang – nicht. Es treibe ihn um,
    sagt Bachmann. Er hat sein Lieblingspro-
    jekt noch nicht mal den städtischen Gremi-
    en vorgestellt, sieht sich als „Impulsgeber“
    aus der Bürgerschaft heraus.


Bachmann ist die Idee des Isarmuse-
ums beim Anblick des Stadtwerkegebäu-
des am Wehr auf der Südseite der Praterin-
sel in den Kopf gekommen, wo er jahrelang
auf dem Weg zu seinem Büro vorbeiradel-
te. Kabelsteg heißt die kleine Brücke, an
der das Bauwerk steht, nur für Fußgänger
gedacht, zwischen Maximilians- und Lud-
wigsbrücke. Der Bau berge Technik für die
Wasserstandsregulierung, vermutet Bach-
mann. Und er stehe an einer Stelle, wo die
Isar bei Hochwasser wie „Klein Niagara“
wirke, wo die Gischt hochkomme, ein Ort,
wo man „mitten im Geschehen“ sei. Und
dann kommt der Architekt in ihm durch:
Aus baulicher Sicht schreie der längliche,
rechteckige Gebäudeblock förmlich da-
nach, dass er nach oben hin einen Ab-
schluss bekommt, urteilt Bachmann.
Zudem liege der Wehrbau fast mittig im
Stadtraum, ergänzt er, München wieder-
um nicht ganz, jedoch relativ mittig am
Flusslauf. Und dann liege das Gebäude auf
einer Linie zwischen zwei bestehenden Mu-
seen an der Isar. „Der Platz ist nahezu ide-
al, da sich das neue Gebäude in eine Art Mu-
seumsachse zwischen dem Deutschen Mu-
seum und dem Alpinen Museum einfügen
würde.“ Und auch inhaltlich könnten sich
die drei Museen verzahnen: Das Deutsche
Museum bestimme die großen Themen
Energie, Wasserkraft bis hin zu Schiffs-
bau, Verkehr und Wasserwegebau, das Al-
pine Museum stelle Flora, Fauna und Volks-
kunde des Alpengebietes dar, da könne ein
Isarmuseum spezielle Themen für die Isar
aufgreifen.
Clemens Bachmanns Büro liegt eben-
falls an der Isar, gute vier Kilometer fluss-
aufwärts am Flaucher. Er ist einer der Krea-
tiven auf dem Gelände der Münchner
Stadtwerke an der Hans-Preißinger-Stra-
ße, HP8 genannt, wo der Gasteig dem-
nächst für fünf Jahre unterkommen soll –
so lange, bis der geplante Umbau des Kul-
turzentrums an der Rosenheimer Straße
fertig ist. Dass ein Großteil der derzeitigen
Mieter trotzdem bleiben kann, verdanken
die Künstler und Kreativen zunächst ihm.
Denn Bachmann, damals ebenfalls von der

Kündigung bedroht, versuchte noch kurz
bevor Fakten geschaffen wurden, eine Lö-
sung zu finden – auch das war wieder eine
Nachtaktion aus eigenem Antrieb, in der
Skizzen und Modelle angefertigt wurden.
Die Lösung sollte dem Gasteig wie den Alt-
mietern gemeinsam Platz bieten auf dem
HP8-Gelände.
Sein Grobentwurf und die Idee, allen ei-
ne Heimat zu geben, gefiel auch Gasteig-
Chef Max Wagner, der dort zwar dringend
Platz für die Institutionen Philharmonie,
Stadtbibliothek, Volkshochschule und Mu-
sikhochschule mit Tausenden Besuchern
und Mitarbeitern benötigte, dem aller-
dings auch nichts daran lag, Altmieter zu
vertreiben. Den Wettbewerb für den Inte-
rims-Gasteig konnte Bachmann dann
zwar nicht für sich entscheiden, doch er ge-
wann die Ausschreibung für die Kinder-
und Jugendbibliothek, die – schließlich
musste der Gasteig ja nun auf Platz auf
dem HP8-Gelände verzichten – während
der Bauarbeiten im Motorama am Rosen-
heimer Platz untergebracht werden soll.
Zwei Modelle eines Isar-Museums hat
Clemens Bachmann bislang skizziert. Ur-

sprünglich ging er von einem eingeschossi-
gen Aufbau aus, die Form erinnert an eine
Streichholzschachtel. Derzeit arbeitet er
an einem Gebäude mit mehr Volumen,
zweigeschossig, ähnlich einer aufgesetz-
ten Krone. Die bestehende Infrastruktur
will Bachmann ausnutzen: Strom und
Haustechnik sollen aus dem Sockel kom-
men, aus dem Stadtwerkebau. Ein Trep-
penhaus soll „wie ein Finger“ nach unten

geführt werden, wohl der einzige direkte
„Berührungspunkt“ mit dem Boden. Für
das Gebäude werde kein Naturraum versie-
gelt, kein Erholungsraum zerstört, sagt
Bachmann. Das heißt auch: kein Kom-
merz. Ein Café soll es deshalb nicht geben.
Der Architekt stellt sich vor, dass die Ma-
terialien der Isar sich in und am Bau wie-
derfinden, zum Beispiel Isarkiesel. Die Aus-
stellung sollte „in den Außenraum getra-
gen“ werden, so solle an der Wand der aktu-

elle Wasserstand abzulesen sein. Im In-
nern „canyonartige Wände“ und viel Licht-
einfall, große Fenster, die eine weite Aus-
sicht ermöglichen. Auf einen Blick sehe
man die natürliche Isar, den Isarkanal, die
Kiesbänke. Wie ein Schaufenster. „Der Aus-
stellungsgegenstand fließt einem vor der
Nase vorbei.“
Natürlich soll der Fluss genauso im In-
nern eine Plattform bekommen: die Isar
im Wandel der Zeit, als Rückzugs- und Er-
holungsgebiet, Flora und Fauna, die Flö-
ßer, die Künstler am Ufer. Für ein echtes
Museum sei der Raum zu klein, findet
Bachmann, auch habe der Begriff Museum
„so was Historisches, Abgeschlossenes“.
„Ich sehe die Einrichtung mehr als einen
Raum, der sich immer wieder in seiner in-
haltlichen Bespielung ändert.“ Vielleicht
sei deshalb der Begriff „Isarraum“ besser
als das Wort „Isarmuseum“. An Exponaten
und Isarthemen mangele es jedenfalls
nicht, das sehe man schon an den interes-
santen Büchern und Filmen über das Le-
ben am „letzten wilden Fluss“. Bachmann:
„Es braucht nur noch einen Ort, wo ihre Ge-
schichten erzählt werden.“

Lehel– Bis Dezember ist im zweiten Stock
desRathauses, direkt vor dem Büro des
Oberbürgermeisters, die Ausstellung „Die
Flüchtigkeit des Augenblicks“ zu besichti-
gen. Vier Künstler dokumentieren in Bild
und Text ihre Arbeiten, die sich mit Wahr-
nehmungsprozessen, Flüchtigkeit und Mo-
mentaufnahmen unserer Lebensräume be-
fassen. Die Ausstellung kann während der
regulären Öffnungszeiten des Rathauses
besucht werden, Montag bis Donnerstag
von 8 bis 17 Uhr sowie freitags von 8 bis
12.30 Uhr. Am Donnerstag, 12. September,
findet von 16.30 Uhr an eine Kuratorenfüh-
rung mit anschließendem Filmscreening
statt, die weitere Informationen zu Entste-
hung und Realisierung der Konzepte bie-
tet. Die Teilnahme ist kostenlos, eine An-
meldung wird möglichst schnell per Mail
an [email protected] erbe-
ten. croc

Einstürzende Eisberge
Magdalena Jetelová eröffnet an diesem Diens-
tag, 18 Uhr, die Schau „Essential is Visible“ in
der Deutschen Gesellschaft für christliche
Kunst, Finkenstraße 4. Öffnungszeiten: Diens-
tag bis Freitag, von 12 bis 18 Uhr.

http://www.sz.de/muenchen
http://www.facebook.com/szmuenchen
http://www.twitter.com/SZ_Muenchen

Maxvorstadt– Derinnenstadtnahe Stadt-
bezirk Maxvorstadt hat vieles zu bieten:
weltberühmte Museen und Sammlungen
im Kunstareal, allerlei Cafés, Restaurants
und Bars im Univiertel sowie insgesamt
ein urbanes Lebensgefühl in einem dicht
bebauten, historisch gewachsenen Stadt-
quartier. Doch als Begleiterscheinung
bringt das auch ein Problem mit sich, an
dem sich Bürgerschaft und die politischen
Vertreter im Bezirksausschuss (BA) schon
lange abarbeiten: Der Stadtbezirk ist weit-
gehend versiegelt, Grünflächen sind äu-
ßerst rar. Während der Sommerpause ha-
ben die Grünen im Gremium eine neue
Idee entwickelt, wie mehr Gehölze im
Stadtteil sprießen sollen: Die Fraktion will,
dass der BA 30 000 Euro aus seinem Bud-
get für Baumpflanzungen in privaten Vor-
gärten zur Verfügung stellt.
Das Vollgremium der Lokalpolitiker
wird an diesem Dienstag, 10. September,
über einen entsprechenden Antrag verhan-
deln (Arkadensaal der BayernLB, Oskar-
von-Miller-Ring 3, Beginn um 19.30 Uhr).
Es gebe in der Maxvorstadt Vorgärten von
bis zu fünf Metern und mehr Tiefe, etwa an
der Brienner Straße, der Nymphenburger
Straße oder der Arcisstraße, heißt es in
dem Papier. „Allerdings sind in diesen brei-
ten Vorgärten manchmal keine bzw. nur
kleine pflegeleichte Kugelbäumchen vor-
zufinden.“ Die Grünen setzen sich nun da-
für ein, Grundstückseigentümer mit einer
Subvention für Gehölzpflanzungen zu ani-
mieren. Konkret soll das Stadtviertelgremi-
um jeden Baum, der im Vorgarten eines Be-
standsgebäudes neu gesetzt wird, mit
500 Euro sponsern. Ihr Argument: Wür-
den heute dort Neubauten entstehen, wür-
de die Stadt den Bauherren es zur Auflage
machen, neue Bäume zu pflanzen.
Was politische Initiativen angeht, wa-
ren auch die Sozialdemokraten über den
Sommer nicht untätig. Die SPD stößt sich
etwa an den vielfach wild geparkten
E-Scootern und will einen Antrag zur Ab-
stimmung stellen, der von der Stadt ein
„Abstellkonzept für E-Scooter“ verlangt.
Ferner möchte die Fraktion Auskunft über
die Arbeitsbedingungen jener Mitarbeiter,
die die Gefährte einsammeln. Die Gewerk-
schaft Verdi hatte zuletzt Kritik an man-
chen Verleihfirmen geübt. smüh

Altstadt– Seitdem die E-Scooter Mitte des
Jahres auf den Straßen zugelassen worden
sind, haben sie ordentlich Wirbel gemacht.
Zu diesem Thema veranstaltet das Wirt-
schaftsforum am Donnerstag, 12. Septem-
ber, 19 Uhr, im Evangelischen Forum an
der Herzog-Wilhelm-Straße 24 einen Vor-
trags- und Diskussionsabend. Unter der
Leitfrage „Wem gehört die Straße?“ soll ge-
meinsam mit der SPD-Stadträtin und Rad-
verkehrsbeauftragten ihrer Fraktion, Betti-
na Messinger, dem Radverkehrsbeauftra-
gen der Stadtverwaltung, Florian Paul,
und dem Leiter Kooperation und Multimo-
dale Mobilität der Stadtwerke München
(SWM), Sven Heinrici, diskutiert werden.
Zudem präsentiert Florian Paul die Planun-
gen der Stadt zum Fahrradverkehr, Sven
Heinrici erläutert das Engagement der
SWM im Scooter-Verleih. croc

von stefan mühleisen

D


ie Fernreise ist längst auch im
Tierreich äußerst beliebt. Vielen
dieser Touristen gefällt es derart
gut in unseren Breiten, dass sie sich mir
nichts, dir nichts integrieren. Der Buchs-
baumzünsler zum Beispiel, einst aus Ost-
asien zugezogen, hat schon lange Freude
daran, fidel herumzuflattern und in Vor-
gärten Hecken zu zernagen. Eher flug-
faul, dafür ebenso frei von Flugscham, ist
der Asiatische Laubholzbockkäfer (ALB),
der vor Jahren seine Fühler nach dem
Münchner Südosten ausgestreckt hat.
Recht unverschämt sieht er die Gehölze
in Feldkirchen, Riem, Neubiberg, Wald-
perlach als All-you-can-eat-Theke; beizu-
kommen ist dem maßlosen Vieh nur mit
vorsorglichem Kahlschlag: Es wird quasi
ein Teil des Buffets umgesägt, damit er
nicht weiter sein Unwesen treiben kann.
Die Schädlingsbekämpfer freuen sich
dabei über Hinweise aus der Bevölke-
rung; denn das Insekt ist öffentlichkeits-
scheu, verrichtet im Verborgenen sein
Vernichtungswerk. Alarmiert war des-
halb jetzt ein Anwohner des Riemer
Parks, nachdem der Gebietsbetreuer zu-
letzt im SZ-Interview zuversichtlich ge-
wesen war, das ALB-Gastspiel bald been-
det zu haben. Der Anwohner schickte per
Mail Fotos von Tieren, die regelmäßig in
seine Wohnung flögen, ans Fenster ras-
ten. „Sollten das wirklich Laubholzkäfer
sein, ich habe einen tiefgefroren im Eis-
fach“, so das Angebot an den Experten
Gerhard Kraus von der Bayerischen Lan-
desanstalt für Landwirtschaft (LfL).


Doch der konnte sogleich beruhigen:
Der Anwohner hatte einen harmlosen
Ausflügler aus den USA gefrostet, der das
Pech hatte, dem fiesen Krabbler ähnlich
zu sehen: eine nordamerikanischen Kie-
fernwanze. Ein Pflanzensaftsauger, der
im Herbst gerne Gebäude zum Überwin-
tern aufsucht. Verwechselt wird der
Schädling auch oft mit heimischen Ver-
wandten, dem artigen Schneider-, Schus-
ter- oder Bäckerbockkäfer. So froh Kraus
ist, dass der Anwohner keines der Untiere
kalt gestellt hat, wirbt er doch um feinfüh-
ligen Umgang, damit es keine Unschuldi-
gen trifft: „Bitte nicht töten, sondern mit
einem Glas fangen und Fotos schicken.“
Meistens könne man Entwarnung geben



  • und die Insekten wieder freilassen.


Schaufenster


zum Fluss


Architekt Clemens Bachmann verfolgt seit


elf Jahren auf eigene Kosten sein Lieblingsprojekt:


Planspiele für ein Isarmuseum am Kabelsteg


„Der Ausstellungsgegenstand
fließt vor der Nase vorbei.“
Architekt Clemens Bachmann
möchte einem Wehrgebäude
ein Krönchen aufsetzen – für
ein Museum für die Isar.
SIMULATIONEN/FOTO: CBA

Das Gebäude soll keinen
Erholungsraum zerstören,
Kommerz ist nicht geplant

Verteilungskampf


auf der Straße


Flüchtige


Momente


Hat das Pech, dem Asiatischen Laub-
holzbockkäfer ähnlich zu sehen: Kiefern-
wanze aus dem Riemer Park. FOTO: PRIVAT


An dieser Stelle wirkt
die Isar bei Hochwasser
wie „Klein Niagara“

Redaktion:Thomas Kronewiter(Leitung),
Hultschiner Straße 8, 81677 München
Telefon:(089) 21 83-7293
Mail:[email protected]
Anzeigen:(089) 21 83-82 27
Abo-Service:(089) 21 83-8080

ANSCHAUEN


FOTO: MAGDALENA JETELOVÁ/OH

Geld fürs


private Grün


Grüne wollen Baumpflanzungen
in der Maxvorstadt subventionieren

MITTEN IN DER MESSESTADT

Die Wanze


im Eisschrank


STADTVIERTEL


NR. 209,DIENSTAG, 10. SEPTEMBER 2019 PGS


ZENTRUM


21 Ausflugziele


KREUZ & QUER


durch Bayern


Mehr unter
sz-shop.de 90 Sportarten zum Mitmachen!

Outdoor
Sport
festival

sport-festivals.de

Eintritt
frei!

Referat für
Bildung u nd Sport

M-net Flying Fox


  1. September
    Olympiapark
    10.00 – 18.00 Uhr


Entdecke Deinen
Outdoorsport
Free download pdf