NZZamSonntag8.September 2019
Aktuell
Ernüchterung im Kontrollraum inBangalore.
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S / XINHUA
Verwüstungen auf Elbow Cay, Nord-Bahamas.
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ROBERT
F. BUKATY
/ AP / KEYSTONE
Die E-Zigarettekönnte der Grund für mehrere Todesfälle in den USA sein.
Joaquin Phoenix
US-Behördenratenna chneuenTodesfällen vom«Dampfen»ab
RomanElsener,NewYork
In denUSA sind in den letzten
Wochen fünfPersonen an den
Folgen einer bisher unbekannten
Lungenkrankheit gestorben.
Ärztevermuten, dass die Erkran
kungen auf den Konsum von
E-Zigaretten zurückzuführen ist.
33 US-Gliedstaaten melden ins
gesamt 450 möglicheFälle der
Krankheit, derenSymptomeHus
ten,Übelkeit, hohes Fieber und
schwerste Kurzatmigkeit sind.
Ein erster Fall wurde laut denUS
Zentren fürGesundheitsschutz
(Centers for Disease Control and
Prevention, CDC) im April be
kannt.Über denSommer stieg die
Zahl derBetroffenen schnell an,
in den letzten zweiWochen hat
sie sichvervierfacht.
Am häufigsten befällt die
KrankheitJugendliche oder junge
Erwachsene, die nochvor kurzem
kerngesund waren. Sie kann aber
auch bei älterenPersonen –vor
wiegend Männern – auftreten.
Der Gliedstaat Indiana gab am
Freitag denTod eines65jährigen
Mannes bekannt, auch aus Min
nesota und Kalifornienfolgten
gleichentags Todesmeldungen.
Bereits früher bekanntwurde je
einTodesopfer in Illinois und
eines in Oregon.
Die CDC und dieBehörde für
Lebens und Arzneimittel FDA
untersuchen die Epidemie, haben
bis jetzt aberkeine eindeutige Ur
sache identifizierenkönnen. Alle
gemeldetenFälle stünden jedoch
im Zusammenhang mit derVer
wendungvon E-Zigarettenpro
dukten,teilen dieBehörden mit.
Sie raten vom sogenannten «Va
ping», dem Dampfenvon E-Zi
garetten dringend ab.
E-Zigaretten bestehen aus ei
nemMundstück, einem Akku,
einem elektrischenVerdampfer
und einerAustauschKartusche,
die mit einer öligen Flüssigkeit
gefüllt ist.WirdamMundstück
gezogen und der Verdampfer
per Knopfdruck betätigt,wird
die Flüssigkeitvernebelt und in
haliert. Manche Expertenvermu
ten, dass es sich beimAuslöser
der Krankheit um einVitaminE
Acetat handelt, das invielen –
aber langenicht allen – der Flüs
sigkeiten nachgewiesenwerden
konnte. Andere Ärzte glauben,
dass durch dasAufheizenMetall
partikel desMundstückesfrei
gesetztwerden und denSchaden
in der Lungeanrichten.
Auffällig ist, dassrund 80 Pro
zent der Patienten angaben, auch
Substanzen inhaliert zu haben,
die die aus Hanfgewonnenen
Wirkstoffe THC oder CBD enthiel
ten. Invielen Gliedstaaten kön
nen solcheProdukte legal er
worbenwerden. Unerforscht ist
weitgehend,wie dieseWirkstoffe
mit dentoxischen Elementen in
den Flüssigkeiten reagieren.
Laut der FDA gibt es aberkeine
Substanz, die in allen Proben
identifiziertwurde. Um dieVer
bindung zwischen dem Dampfen
E-ZigarettenunterVerdacht
und den Krankheitsfällen besser
zuverstehen, brauche man mehr
Informationen. Imrenommierten
«New EnglandJournal ofMedi
cine» bezeichnete der Harvard
Arzt David C. Christiani die Zu
nahme derFälle als «eindeutige
Epidemie, die ein rasches Han
deln»verlange. Es müsse ein
breiteres Bewusstsein für die
schädlichenAuswirkungen des
Gebrauchsvon E-Zigaretten ge
schaffenwerden.
Ursprünglich sollten E-Ziga
retten Rauchern helfen,vom Ta
bakgenusswegzukommen. Statt
dertödlichen Gifte, die beimVer
brennenvon Tabak entstehen,
sollte beim «Vaping» weniger
schädlicher Dampf inhaliertwer
den. ImvergangenenJahrver
breitetesich das Dampfen unter
amerikanischenTeenagern aber
in einem riesigenAusmass. Im
mer mehrvormalige Nichtrau
cher griffen zum E-Stengel. Eine
von derRegierung inAuftragge
gebene Studie ergab 2018,dass
21 Prozent der befragtenJugend
lichen zwischen14 und18 Jahren
E-Zigaretten konsumieren,fast
doppelt sovielewie imJahr da
vor. Das «New EnglandJournal of
Medicine»veröffentlichteeine
Studie mit 53 Patienten aus den
Gliedstaaten Illinois undWiscon
sin. Die Hälfte der durchschnitt
lich19jährigen Patienten muss
ten in die Intensivstation ge
brachtwerden.17 hatten so starke
Atembeschwerden, dass sie an
Beatmungsgeräte angeschlossen
werden mussten.
Auch in derSchweiz hat etwa
der probeweiseKonsumvon E
Zigaretten bei 15-Jährigen nach
Angaben der Lungenliga stark zu
genommen. 51Prozent gaben im
vergangenenJahr an, eine E-Ziga
rette geraucht zu haben. Diese
fallen noch unter dasLebensmit
telgesetz und sindfrei erhältlich.
ImKonfliktzwischen
RusslandundderUkr aine
wäch st nundie Hoffnungauf
eineEntspannung.
JuttaSommerbaue r,
Moskau
Zwischen Russland und der
Ukraine kam es amSamstag zu
einem lang erwarteten grossen
Gefangenenaustausch. Es war
nicht die erste, aber doch die be
deutendsteTauschAktion zwi
schen den Nachbarstaaten seit
der Annexion der Krim und dem
Beginn eines Separatistenkon
flikts imOsten der Ukrainevor
fünfJahren. Unter den 35von
Moskaufreigelassenen Ukrainern
waren 24 ukrainischeSeeleute
sowie dervon der Krim stam
mende ukrainische Regisseur
OlegSenzow. Für dieFreilassung
Senzows hatten sich unter ande
rem Amnesty International und
das Europäische Parlament stark
gemacht.Senzowwar imVorjahr
mehrereWochen lang imHunger
streik.AuchRoman Suschenko,
Journalist der Nachrichtenagen
tur Ukrinform, sass im Direktflug
nach Kiew.
Das Flugzeug ausMoskau lan
dete um 13 Uhr 30 am Flughafen
KiewBorispol.Der ukrainische
PräsidentWolodimirSelenski be
grüsste seine Landsleute per
Handschlag auf derRollbahn. An
gehörige umarmten die Männer,
Journalisten berichteten live vom
HistorischerGefangenen austausch
Ort desGeschehens. «Es ist unge
wohnt, sovieleMenschen zu se
hen», erklärte einFreigelassener.
«Ich bin sehr froh,wieder zu
Hause zu sein», sagte einer der
Matrosen, die seit demAufbrin
gen ihrerSchiffe durch dierussi
scheKüstenwache im Asowschen
Meer im November 2018fest
gehaltenworden waren.
Schon vor mehr als einer
Woche schien derAustausch zum
Greifen nahe,wurde aberwieder
verschoben. Bis zuletztwurde
um die Namen auf der Listege
feilscht.Während in der ukraini
schen Öffentlichkeit der Aus
tausch seitWochen einvieldisku
tiertes Thema war, blieb er in
Russland Verschlusssache. So
auch amSamstag: DieLandung
des Flugzeugs inMoskauWnu
kowodurfte nur das Staatsfern
sehen filmen.Der Chef der staat
lichenMediengruppeRossijaSe
wodnja und KremlPropagandist
Dmitri Kisselow war vor Ort.
Sonst warkein Publikum zugelas
sen. Über die nachRussland
transferierten Häftlingeistwenig
bekannt. Nur dieFreilassungvon
WolodimirTsemach durch Kiew
erregte internationalAufsehen.
Der SeparatistenkämpferTse
mach war am Abschuss des Flu
ges MH17 imJuli 2014 über der
Ostukraine beteiligt.298 Men
schen – darunter viele Niederlän
der –, die in der Passagier
maschine auf dem Flugvon Ams
terdam nachKuala Lumpur sas
sen, starben damals.Der ukraini
«Joker»gewinntden
Goldenen Löwen
Der Hollywood-Film
«Joker» ist bei denFilm-
festspielenvon Venedig
mit dem Goldenen Löwen
ausgezeichnetword en.
Der Film mit Joaquin
Phoenix in der Rolle des
Batman-Gegenspielers
Joker erhielt den Haupt-
preis zum Abschluss des
Filmfestivals am Samstag.
Der Film bliebvor allem
mit derüber ragenden
Leistungvon Joaquin
Phoenix in Erinnerung.
Todd Phillips, bekannt als
Regisseur der «Hangover»-
Klamaukfilme, erzählt auf
gesellschaftskritische
Weise dieVorgeschichte
des Bösewichts aus den
Batman-Comics.(sda)
Indi scheMissionzur
Mondlandungscheitert
Der Versuch Indiens nach
den USA, der Sowjetunion
und China auf dem Mond
zu landen, ist missglückt.
Als das Landemodul
«Vikram» 2,1 Kilometer
über der Oberfläche des
Mondes flog,verlor die
indische Weltraum-
behörde Isro den Kontakt
zu ihm. Der indische
Regierungschef Narendra
Modi, der mitseinen Wis-
senschaftern mitfieberte,
sagte: «Unsere Entschlos-
senheit, den Mond zu
erreichen, wurdestärker.»
Ein Teil der unbemannten
142 Millionen Dollar-Mis-
sion Chandraya an-2 war
laut Experten dennoch
erfolgreich. Der Orbiter
fliege um den Mond,
sende Bilder, mache Mes-
sungen und liefere wich-
tige Daten.(dpa)
HoheZahlvonTote nauf
denBahamasbe fürchtet
Auf denBahamas ist auch
eine Woche nach dem
Hurrikan «Dorian» das
Ausmass der Zerstörun-
gen noch nicht zu über-
blicken. Dieoffizielle
Bilanzstand zuletzt bei 43
Toten, Hunderte von Men-
schen werd en aber noch
vermisst. Die endgültige
Zahl der Todesopfer
werd e überwältigendsein,
sagte der Gesundheits-
minister der bahamischen
Regierung. Hilfsorganisa-
tionen undBehörden
brachten am Samstag
Lebensmittel und Medika-
mente in denverwüsteten
Norden des Archipels.Ein
Kreuzschiff landete mit
1100 Schutzsuchenden in
Palm Beach an der Küste
von Florida. «Dorian» blieb
zwei Tage über denBaha-
mas undwar einer der
stärksten Wirbelstürme im
Atlantikseit Beginn
moderner Aufzeichnun-
gen.(sda,Reuters)
HerberSchlag für
BorisJohnson
Amber Rudd tritt als
Ministerin für Arbeit und
Renten aus dem Kabinett
von Boris Johnson zurück.
Auch aus derkonser vati-
ven Fraktion tritt sie aus.
Sie glaube nicht mehr
daran, dass sich die Regie-
rung bemühe,mit einem
Abkommenaus der EU
auszutreten,schreibt sie
in einem am Samstag
publizierten Rücktritts-
brief. Siekönne nicht
zusehen, wie loyale, mode-
rate Konservative aus der
Partei ausgeschlossen
würden. Johnson hat 21
Konservative rausgewor-
fen, die in derBrex it-F rage
gegen ihn gestimmt
hatten.(ami.)
Familien umarmen in Kiew freigelassene Angehörige.(7. 9. 2019)
GLEB GARAN
ICH /
REUTERS
sche Geheimdienst entführte
Tsemach imJuli aus demSepara
tistengebiet. Die Niederlande kri
tisierten Kiew für dieFreilassung
Tsemachs, der in einem Strafpro
zess belangt hätte werdenkön
nen.Der Kreml, der dierussische
Verantwortung für den Abschuss
leugnet, dürfte auf derAusliefe
rungTsemachs bestanden haben.
Für Kiew hatte in demFall die
Heimholung der eigenenGefan
genenPriorität: Manwilligte ein.
Insbesondere für den neuen
ukrainischenPräsidenten Selens
ki war dergestrigeTag einwichti
ger Meilenstein. Er hatte nach sei
nerWahl im Aprilversprochen,
dasVerhältnis zuMoskau zuver
bessern und die Gefangenen
heimzuholen.RusslandsPräsi
dent WladimirPutin hatte sich
erst amDonnerstag zu dem be
vorstehenden Ereignisgeäussert.
Der Austausch bedeute einen
«grossenSchritt hin zur Normali
sierung» des russischukraini
schenVerhältnisses. Ob dieGeste
des gutenWillens eine Entspan
nungsphase einleitet, bleibt ab
zuwarten. Die Ursachen desKon
flikts zwischenRussland und der
Ukraine bleiben trotz demFreu
dentag bestehen. Damit es etwa
imDonbass zu einer nachhaltigen
Entspannungkommt, müsste der
MinskerFriedensplan umgesetzt
werden.Fortschritte könnteein
direktes Treffen zwischenPutin
undSelenski bringen. Dafür setzt
sich Kiew ein.