Neue Zürcher Zeitung - 08.09.2019

(John Hannent) #1

25


NZZ am Sonntag8. September 2019

Die grössten Erfolge undFlops


von Andreas Meyer sind Spiegel


seinesFührungsstils 29


Wer in der richtigen Situat ion


das richtige «Portemonnaie»


zückt, sp art. Ei ne Übersi cht 30


DieBilanzdesSBB-Chefs Bar, TwintoderApplePay?


ANDREW HARNIK

/ KEYSTONE

Donald Trumps Launekannrasch kippen:Beim letztenBesuchvon Bundesrat Ueli Maurerwaren die Devisenkäufe nochkein Thema.(Washington, 16.Mai2019)

800 Mrd.Fr.

700

600

500

400

300

200

100

0
2010 11 12 13 14 15 16 17 18 19

Fremdwährungsreser ven seit 2010

Nationalba nk sitzt auf Milliarden


Quelle: SNB

Microsoft

Apple

Amazon

Google (Alphabet)

Facebook

Johnson &John son

Exxon Mobil

Visa

Procter & Gamble

Verizon

3,2 Mrd. $

3,0

2,6

2,2

1,5

1,3

1,1

1,1

1,0

1,0

Aktienbesitz der SNB per Ende Juni

Microsoft als grösste Investition


Quelle: SEC

SchweizerDevisenkäufegeraten


insVisiervonDonaldTrump


Der Schweiz droht einWährungskonflikt mitden USA – wegen der erneuten


Devisenkäufe der Nationalbank. Damit sind erstmals dieBedingungen erfüllt,


um dieSchweiz alsWährungsmanipulatorin anzuklagen.VonAlbertSteck


C


hina hat unsereGeschäfte undFabri-
ken gestohlen, unsere Arbeitsplätze
vernichtet und dieLöhne der ameri-
kanischen Arbeiter gedrückt. Damit
ist jetztSchluss»,verkündeteDonald Trump
auf Twitter. Beim ThemaWährungskrieg läuft
er – wie am5. August – zuHochform auf.Sei-
ne Tiraden sind nochwütender als sonst.
An diesemTag ernannte das US-Finanz-
departement China offiziell zumWährungs-
manipulator. Das Land habe umfangreiche
Eingriffe auf dem Devisenmarkt durch-
geführt, hielt dieBehördefest. Durch die
Schwächung der eigenen Währung habe
China unfaireVorteile im Handel erlangt.

Unmut in den USA nimmtzu
Gerät dieSchweiz als Nächstes insVisier von
Donald Trump? DieFrage stellt sich, seit die
Schweizerische Nationalbank(SNB) zum ers-
ten Mal seit gut zweiJahrenwieder im grossen
Stil ausländischeDevisen kauft.Zwar hält die
Nationalbankgeheim,wie viel Geld sie für
ihre Transaktionen ausgibt.Doch die Statistik
der Sichtguthaben bei der SNB ermöglicht
eine zuverlässigeSchätzung:Demnach hat sie
allein seit Mitte Juli Fremdwährungen im
Wert von 13 Mrd.Fr. er worben.

Damit qualifiziert sich dieSchweiz nach
amerikanischerDefinition alsWährungsma-
nipulatorin – was in denUSA zu wachsendem
Unmut führt. Zu den einflussreichen Kritikern
zählt der ÖkonomJoseph Gagnonvom Peter-
son Institute, demrenommierten Thinktank
in Washington. «Der grosse Handelsüber-
schuss derSchweiz geht zulasten ihrer Part-
ner, die nicht auf ewigDefizite aufweisenkön-
nen.» Das Gleichgewicht lasse sich nur mit
einem stärkerenFranken erreichen, betont
Gagnon.«Wer diese Anpassungverzögert,
schadet anderenLändern. Einen solchen
Währungskrieg gilt es um jedenPreis zuver-
hindern –falls nötig mitSanktionen.»
Das Peterson Institute hat kürzlich einen
brisanten Vorschlag präsentiert, umWäh-
rungsmanipulatore n zu bestrafen.Demnach

sollen dieUSA aufGegengeschäfte setzen.
Wenn also die SNBDollar kauft, neutralisiert
die US-Notenbank diese Intervention, indem
sie im gleichen UmfangFranken erwirbt. Die
Idee stösst auf breite politische Unterstüt-
zung, namentlich bei derDemokratin Eliza-
bethWarren, die zu denfavorisiertenPräsi-
dentschaftskandidaten zählt.Denn dieUSA
stehen unter Druck, das immer bedrohlichere
Handelsdefizit mit demRest derWelt in den
Griff zu bekommen.
«Das Instrument derGegengeschäfte hat im
Vergleich zu Strafzöllen klareVorteile», erklärt
Gagnon. «Esverletztkein internationales
Recht. Zudemgenügtwohl bereits die Ankün-
digung der Massnahme, um einLand von der
Währungsmanipulation abzuhalten.»
Für dieSchweiz dagegen wäre es drama-
tisch,wenn die SNB ihreDevisenkäufe auf
einenSchlag stoppen müsste. Bisherkonnte
die Nationalbank nach eigenem Gutdünken
riesigeMengen anFremdwährungen kaufen.
Auf 770 Mrd.Fr. summieren sich ihreReser-
ven inzwischen(vgl. Grafik oben).Der Besitz
an US-Aktien erreichtgegen 100 Mrd. $.
Dass die SNB so unbehelligt agierenkonnte,
verdankte sie einemglücklichen Umstand:Ge-
mässdenKriterien desUS-Finanzdeparte-

ments gilt einLand erst alsWährungsmanipu-
lator, wenn esgege nüber denUSA einen Han-
delsüberschussvon mehr als 20 Mrd. $ imJahr
aufweist. Bisvor kurzem lag dieSchweiz weit
darunter. Doch seit 2009 haben sich die
Exporte in dieUSA verdoppelt. DiesesJahr
wurde die kritische Grenzevon 20 Mrd. $ nun
erstmalsgeknackt. Immerhin,die Schweiz er-
hältvorerst eine Gnadenfrist.Denn derUS-
Report, inwelchem die derzeitigenDevisen-
käufe erfasst sind, erscheint erst imFrühling.

Währungskäufe alsletzt e Waffe
Doch weshalb greift die SNBgerade jetzt mit
Milliardensummen auf demDevisenmarkt
ein?Der Grund sei die Europäische Zentral-
bank (EZB), erklärt AlexanderKoch, Ökonom
bei derBank Raiffeisen. NächsteWoche dürfte
EZB-Präsident Mario Draghi dieLeitzinsen
noch stärker ins Minus senken. «Die SNBwill
frühzeitig ihrePräsenz markieren.So hofft
sie, den Druck auf denFranken abzufedern.»
Damit steckt die SNB im Dilemma.Denn die
Devisenkäufe sindfaktisch ihre letzteWaffe
gegen den starkenFranken.Der Negativzins
dagegen ist mit –0,75% schon heute nahe an

«DergrosseHandels-
überschussderSc hweiz
geht zulastenihrer
Partne r, dieni chtauf
ewigDe fizite aufweisen
können.»

Ein Land gilt in den
USA alsWährungs-
manipulator,wenn:


  • derExportüber­
    schussmit den USA
    mehr als20 Mrd. $
    beträgt,

  • der Leistungs­
    bilanzüberschuss
    3% des Bruttoinland-
    produkts (BIP) über-
    trifft und

  • die Devisenkäufe
    der Notenbank im
    Minimum 2% des BIP
    erreichen.


DieKriterien
derUSA

Fortsetzung Seite 27

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