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NZZamSonntag8. September 2019
Wirtschaft
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Finanzen
Ausgeklimpert:
Jetztwird
digitalbezahlt
Münzen undNoten verschwindenaus dem
Alltag, jungeAkteure drängen mit neuen
Zahlungsmitteln in dieSchweiz.Umgekehrt
machen sich die hiesigenBanken daran, mit
ihremBezahlsystem Twint dasAuslandzu
erobern.Es ist eine FragedesÜberlebens.
Von Markus Städeli undChanchal Biswas
E
s ist Zufall, klar, aber ein symbolträch-
tiger: In derWoche, in der die Natio-
nalbank ihre neue 100er-Notevor-
stellte, kündete die deutsche Smart-
phone-Bank N26 ihrenSchweizer Marktein-
tritt an. Sie offeriert ihren hiesigenKunden
eine abgespeckte, aber sehrkostengünstige
Dienstleistung an: ein Euro-Konto inklusive
Debitkartevon Mastercard. Mit N26 oder
ihren beiden britischenKonkurrenten Revolut
und Transferwise könnenSchweizer imAus-
land die hohenGebühren umgehen,welche
herkömmlicheZahlungsmittel verursachen.
Ebenfalls in dieserWoche hat dieSchweizer
Bezahl-AppTwint einenwichtigenSchritt
unternommen, um sicherzustellen, dass ihre
Kunden diese künftig auch imAusland nutzen
können. Sieruft in Zürich eineVereinigung
unabhängiger mobilerZahlungssysteme ins
Leben, die zusammen 25 Mio. Nutzer auf die
Waage bringen – und über eine MillionZahl-
stellen.Bei dieser EuropeanMobile Systems
Association (Empsa)werden Twint-Leute am
Drücker sein, obwohl dasSchweizerZah-
lungssystem mit 1,7 Mio.Kundenvergleichs-
weise klein ist. Anton Stadelmann, der
Co-Chef von Twint, wird Generalsekretär.
Søren Mose, Twint-Verwaltungsratspräsident,
wird das gleiche Amt auch bei der Empsa be-
kleiden.
«Die Initiative für die Gründungvon
Empsa gingvon Twint aus», sagtMose. «Es
war deshalb auch derWunschvon allen Part-
nern, dassTwint-Vertreter bei dieserVereini-
gung eine führendeRolle einnehmen.» Die
Schweiz geniesse grosse Akzeptanz als
Finanzplatz und liege mitten in Europa.«So
lag es auf der Hand, dass die Empsa hier ange-
siedeltwird.»
Mose zeigt sich überzeugt, dass dieVereini-
gung, deren primäres Ziel die länderübergrei-
fendeVerwendbarkeit der einzelnenZah-
lungssysteme ist, rasch wachsenwird. «Ob-
wohl erstgerade angekündet, haben bereits
weit ere potenzielle Partner bei uns ange-
klopft, unter etlichen anderen auch Alipay.»
Es wäre ein Exploit,wenn Twint mit dem On-
line-Bezahlsystem der chinesischen Alibaba
Groupvon Jack Makompatibelwürde. Alipay
hat mehr als eine halbe Milliarde Nutzer.Auch
in derSchweiz ist der Online-Marktplatz Ali
Express sehr beliebt.
Mose will nicht darüber spekulieren,wie
viel Zeit es in Anspruch nimmt, um dietech-
nische Intero perabilität derverschiedenen
Systeme herzustellen. Es helfe aber, dass die
Partner, zu denen namentlich die schwedi-
scheZahlungslösungSwish gehört, alle ähn-
liche Strategien hätten und der QR-Code in
vielenLändern bereits benutztwerde.
Obwohl auch die Handy-Bezahlsysteme der
grossenTechnologiekonzerne Apple,Google
und Samsung langsamFuss fassen, sieht sich
Twint, dasvon allen grossenBanken promo-
tet wird, in einer sehrkomfortablenAus-
gangslage. «Unsere Nutzerbasis wächst im
Momentextrem stark.JedenTag kommen
3000 bis 4000 neueKunden dazu», sagt
Mose. «Wir sind innert nur zweiJahren bei
einer Grössenordnung angekommen,wo der
Netzwerkeffektvoll spielt.»
Vom Netzwerkeffekt spricht man,wenn der
Nutzen einesProduktes für dieKonsumenten
stark steigt,wenn viele andere dieses auch
verwenden. Diese Dynamikversteht man am
besten anhand einerSocial-Media-Dienstleis-
tungwie Whatsapp.Weil fast alle diesenMes-
senger nutzen,fristen andere – auch bessere –
Konkurrenten wie etwa Threema ein Mauer-
blümchendasein.
Mose spricht zudemvon einem qualitativ
gutenWachstum. «Unsere neuenKunden sind
überdurchschnittlich oft Multi-User. Das
heisst, sie nutzenvon Anfang an mehrere
Twint-Fu nktionen. Sie bezahlen zumBeispiel
die Parkuhr, nutzenTwint aber auch beim On-
line-Shopping und überweisenFreunden
Geld.» Tatsächlich hatTwint mittlerweile eine
bemerkenswert breite Abdeckung: Es lässt
sich anLadenkassenvon Coop über Migros bis
Manorverwenden – oder in den Online-Shops
von Galaxus, Interdiscount und Co. Inviel ge-
nutzten Appswie jener der SBB kann man
Twint alsZahlungsmittel hinterlegen. Dazu
kommen bereits 90000 Parkplätze, die bar-
geld los bezahltwerden können.
«Ich glaube,wir werden viel schneller skan-
dinavische Zustände bekommen, als alle den-
ken», sagtMose. Dabei bezieht er sich auf den
Umstand, dassBarzahlungen in den nordi-
schenLändern zunehmendexotischwerden.
Oder invielen skandinavischenLäden gar
nicht mehrvorgesehen sind. Davon ist die
Schweiz,wo Bargeld einen erdrückenden
Marktanteil von 70% hat, nochweitentfernt.
«Wir sehen die Neobanken nicht alsKon-
kur renten. Im Gegensatz zu ihnenwollen wir
ja dieKunden nichtvon ihrer angestammten
Bank weglocken, sondern bieten ihnen eine
Vielzahlvon neuen mobilen Dienstleistungen
an», sagtMose. DieProduktepipeline seivoll.
Tatsächlich sind Neobanken oft selber dar-
auf angewiesen, in Handy-Zahlungssysteme
integriert zuwerden. DieRevolut-Kreditkar-
ten kann man zumBeispiel bei Apple Pay oder
Google Pay hinterlegen.
Twint kämpft also in erster Liniegegen die
grossenTech-Konzerne – und das auch mit
hartenBandagen.So eröffnete dieWettbe-
werbskommission letzten November eine
Untersuchung gegen dieTwint-Aktionäre
UBS, Credit Suisse undPostfinance sowie
gegen dieSchweizer Kreditkartenherausgeber
Aduno undSwisscard. Die Firmen sollen sich
abgesprochen haben, ihre Kreditkarten nicht
für dieBenutzung mit Apple Pay undSam-
sung Payfreizugeben, um dieBezahllösung
Twint zu schützen.Der Verdacht derWettbe-
werbshüter scheint plausibel.Der zeitliche
Vorsprung dürfte beiTwint wegen beschrie-
benen Netzwerkeffekts über Erfolg und Nicht-
erfolg entscheiden.
Die Schweizer Finanzanbieter haben be-
reits in derVergangenheit ein kluges Manöver
vollzogen. Sie entschieden sich, die beiden
KonkurrenzdiensteTwint und Paymit zuver-
einen – und sogeschlossengegen die auslän-
discheKonkurrenz anzutreten.Dennoch sind
Branchenexperten der Ansicht, dassTwint
einen schweren Stand habenwird, wenn sei-
ne App imAusland nicht funktioniert. «Die
Gefahr ist, dass sichMenschen an Apple Pay
und ähnliche Dienstegewöhnen,weil sie
diese imAusland oftverwenden. Und dann
70 %
So hoch ist der
Marktanteil des
Bargeldes in der
Schweiz.
1,7Mio.
Kunden hat die
Schweizer
Bezahl-App Twint.
4 Mio.
Transaktionen
machen die Twint-
Nutzerinnen und
-Nutzer pro Monat.
Zahlenzum
Bezahlen
Wirstiften Vertrauen.
Vorsorge baut aufVertr auen.Esb raucht deshalb eine Instituti on,
aufdie je derzeitVerlas sist.Als solide Ge meinschaftsstiftung istdie
PKGPensionskasse dasUnternehmen IhresVertr auens–seit1972.
http://www.pkg.ch