Spektrum der Wissenschaft - 05.2019

(Sean Pound) #1

JOACHIM BRETSCHNEIDER, UNIVERSITEIT GENT


Paläoökologen David Kaniewski von
der Université Paul Sabatier Tou­
louse III verkohlte Körner von Weizen
und Hafer, deren geringe Größe einen
Wassermangel in der Wachstumspha­
se anzeigt. In dieses Bild passen auch
Olivenkerne – die Bäume sind an eine
von Trockenheit geprägte Lebenswelt
angepasst.
Ein ähnliches Bild liefert die Fund­
stätte Tell Tweini an der heutigen
syrischen Mittelmeerküste. Vermutlich
ist sie mit dem in antiken Schriften
erwähnten Gibala identisch, einer
Hafenstadt im Königreich Ugarit,
eingebunden in den Fernhandel mit
der Ägäis, Zypern, Ägypten, Mesopo­
tamien und dem Hethiterreich. Hier
war es den Archäologen möglich,
mehrere Siedlungsschichten zu unter­
suchen. Eine Ascheschicht und verein­
zelte Pfeilspitzen deuten die Forscher
als Hinweise auf Kriege oder Unruhen,
die^14 C ­Messungen und Keramiken
zufolge um 1190 v. Chr. stattfanden.
Das erinnert an den Kriegsbericht
Ramses’ III., der 1187 v. Chr. eine
Invasion der so genannten Seevölker
abgewehrt haben will. Eine zweite
Zerstörungsschicht wurde auf die
gleiche Weise in die Jahre 1050 bis
1000 v. Chr. datiert. Zu kleine Getreide­
körner und die Kerne wilder Olivenbäu­
me (Olea oleaster) im Erdreich bestäti­
gen auch hier: Es herrschte Dürre,
Ernten fielen mager aus. Ein Tontafel­
archiv, das schon in den 1960er Jahren
in der nahe gelegenen Königsstadt
Ugarit ausgegraben wurde, verzeich­
net Missernten und Hungersnöte.
Beide Fundstätten lassen sich in Be­
zug zu anderen Orten setzen, die seit
Anfang der 2000er Jahre paläoklimato­
logisch untersucht werden. Die neuen
Daten geben diesen Studien einen
verlässlichen Zeitrahmen. Demnach
erlebte der Mittelmeerraum von Italien
über den Balkanraum und die Levante
bis nach Ägypten und in den Iran
hinein ab dem Anfang des 12. Jahrhun­
derts v. Chr. eine dramatische Trocken­
phase, die 300 Jahre lang anhielt und
nur in der Levante kurz von einer
etwas feuchteren Zeit unterbrochen
wurde. Ganze Landstriche verödeten.
In einer Region, die ohnehin mit wenig
Niederschlag auskommen musste,

Ein Schacht aus der Bronzezeit Zyperns lieferte den Forschern neue
Hinweise auf die um 1200 v. Chr. einsetzende Dürre.

pen aus. Doch die präzise Datierung
dieser Befunde war bislang unklar.
Erstmals wurden nun Bodenproben
aus archäologisch datierten Siedlungs­
schichten zweier Fundstätten paläo­
klimatologisch analysiert. Damit ist
sicher: Der Untergang der Hoch kul tu­
ren und die folgende dunkle Zeit
ereigneten sich vor dem Hintergrund
einer 300 ­jährigen Dürrephase.
Auf Zypern wählten die Archäolo­
gen der belgischen Universität Gent
unter Leitung von Joachim Bretschnei­
der einen küstennahen Siedlungsplatz
nahe dem heutigen Pyla aus, der
offenbar ein oder zwei Generationen
lang besiedelt war. Sie untersuchten
einen ins Felsplateau eingehauenen
Schacht (siehe Bild unten), dessen
Boden mit einer 30 Zentimeter dicken

Ascheschicht bedeckt war. Darin
steckte auch ein Tongefäß, das mit
verbranntem pflanzlichem Material
gefüllt war. Ob die Kammer beispiels­
weise als Zisterne oder Vorratsspei­
cher diente, darüber lässt sich vorerst
nur spekulieren.

Ein hastiger Aufbruch

(^14) C ­Messungen und Keramikzeitreihen
datieren sie in die Zeit von etwa 1200
bis 1170 v. Chr. – die Keramiken gehö­
ren in der so genannten Ägäischen
Chronologie in die Phase »Späthella­
disch IIIC Früh 1«. Metallhorte und die
Ausstattung mancher Häuser der
Siedlung legen nahe, dass die Einwoh­
ner flohen und nur das Nötigste mit­
nahmen. Mit Licht­ und Elektronenmi­
kroskopen entdeckte das Team des

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