was zu stärkeren Regenfällen und Überschwemmungen
führt. Und ein wärmerer Planet bedeutet häufigere, längere
und intensivere Hitzewellen. Wie werden sich aber der
stockende Jetstream und die Quasiresonanzverstärkung
künftig auswirken?
Der berühmte Physiker Niels Bohr soll angemerkt haben,
dass Vorhersagen schwierig sind, »vor allem, wenn sie die
Zukunft betreffen«. In einer Studie haben meine Kollegen
und ich 2018 analysiert, wie sich die QRA-Ereignisse infolge
des prognostizierten Klimawandels wahrscheinlich ändern
werden. Wir hatten erwartet, dass sich der bereits begon-
nene Trend unvermindert fortsetzen würde, kamen jedoch
zu einem anderen Ergebnis.
Die IPCC- und CMIP5-Experimente bewerten die zukünf-
tigen Bedingungen unter verschiedenen Annahmen: ange-
fangen von einer umfassenden, sofortigen Senkung der
Kohlendioxidemissionen bis hin zu einem Szenario, in dem
der weltweite CO 2 -Ausstoß weiterhin im selben Maß an-
steigt wie bisher. Wir haben festgestellt, dass sich der
Trend zu QRA-Bedingungen unter dem letzteren, dem so
genannten »Business-as-usual-Szenario«, bis etwa 2050
abflachen wird. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts
steigt er nach unseren Berechnungen jedoch schneller als
bisher wieder an.
Wie wir herausgefunden haben, spielt dabei ein weiterer
wichtiger, doch manchmal übersehener menschengemach-
ter Klimafaktor eine Rolle: Luftschadstoffe wie Schwefel-
dioxid, die durch Kohleverbrennung und andere industrielle
Prozesse entstehen. Diese Schadstoffe bilden Partikel, so
genannte Aerosole, die in der Atmosphäre umherfliegen,
Sonnenstrahlung zurück in den Weltraum reflektieren und
so die Erde kühlen.
Der paradoxe »Nutzen« der Luftverschmutzung
Die Aerosolbelastung war für sauren Regen im Nordosten
der USA zwischen 1950 und 1970 verantwortlich. Der
»Clean Air Act« legte fest, dass Gaswäscher in den Schorn-
steinen von Industrieanlagen installiert werden mussten,
um das Schwefeldioxid aus den Abgasen zu entfernen.
Während dies zur Rettung von Wäldern, Seen und Flüssen
beitrug, gelangten auch weniger Sonnenlicht reflektierende
Aerosole in die Atmosphäre. Ohne diese Partikel, die der
Erwärmung durch den steigenden CO 2 - Gehalt entgegenwir-
ken konnten, heizte sich die Erde ab den 1970er Jahren
schneller auf.
Viele Länder der Welt arbeiten jedoch noch immer mit
veralteten industriellen Praktiken, allen voran China, das für
fast die Hälfte der heutigen Kohleverbrennung verantwort-
lich ist. Im Business-as-usual-Szenario geht der Weltklima-
rat davon aus, dass Länder wie China weiterhin Kohle
verbrennen und zu einem höheren CO 2 -Ausstoß beitragen
werden. Nach seinen Berechnungen würde der Kohlen-
stoffdioxidgehalt der Atmosphäre bis zum Ende des
21. Jahrhunderts dann mehr als das Dreifache des vorindus-
triellen Niveaus betragen. Ebenso nehmen die Experten in
dem Szenario aber an, dass diese Industrien in den nächs-
ten Jahrzehnten Gaswäscher installieren werden.
Dadurch wird der Anteil an Aerosolen bis zur Mitte des
Jahrhunderts drastisch sinken und die Erde sich deutlich
stärker erwärmen. Besonders wird dieser Effekt im Som-
mer in den mittleren Breiten zu bemerken sein, wenn
die Sonneneinstrahlung maximal ist. In einigen Modell -
simulationen erwärmen sich die gemäßigten Breiten sogar
stärker als die Arktis. Dadurch nimmt die Arktische
Ver stärkung ab oder kommt ganz zum Erliegen. Folglich
würde die Quasi resonanzverstärkung nicht mehr zuneh-
men, viel leicht sogar abnehmen – und das Jetstream-
Muster, das den Extremsommern zu Grunde liegt, sich
nicht noch weiter verstärken.
Doch dieser kurzfristige mildernde Effekt geht mit hohen
langfristigen Kosten einher: Bis Mitte des Jahrhunderts
werden die Aerosole weitgehend verschwunden sein. Von
da an werden daher steigende Treibhausgaskonzentratio-
nen die Temperaturen überall auf der Welt weiter in die
Höhe treiben. Die Polarregion wird sich ab dann wieder
schneller erwärmen als die mittleren Breiten. Die Arktische
Verstärkung nimmt also erneut zu, und QRA-Ereignisse
treten häufiger auf. Bis zum Jahr 2100 werden sie um rund
50 Prozent zunehmen. Auch hier zeigt sich der Wandel am
deutlichsten im Sommer in den mittleren Breiten. Das ist
insofern besonders beunruhigend, als dort die meisten
Menschen leben und große Mengen an Nutzpflanzen
wachsen, die starker Hitze größtenteils nicht gut standhal-
ten können.
Einige Simulationen deuten sogar darauf hin, dass die
Zahl an QRA-Ereignissen um mehr als das Dreifache stei-
gen wird, andere wiederum sagen einen Rückgang vorher.
Die Berechnungen unterscheiden sich hauptsächlich des-
halb, weil die Klimamodelle Aerosole unterschiedlich be-
handeln. Ob sich die Prognosen mit der Zeit aneinander
annähern werden, wissen wir noch nicht. Angesichts
solcher Unsicherheiten und des enormen Risikopotenzials,
das ein Worst-Case-Szenario mit sich bringt, ist es wohl am
klügsten, die Verbrennung fossiler Brennstoffe und andere
Aktivitäten, die die Treibhausgaskonzentrationen erhöhen,
unverzüglich zu reduzieren.
QUELLEN
Coumou, D. et al.: The influence of arctic amplification on
mid-latitude summer circulation. Nature Communications 9,
2018
Mann, M. E. et al.: Influence of anthropogenic climate change
on planetary wave resonance and extreme weather events.
Scientific Reports 7, 2017
Mann, M. E. et al.: Projected changes in persistent extreme
summer weather events: The role of quasi-resonant amplifica-
tion. Science Advances 4, 2018
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