Spektrum der Wissenschaft - 08.2019

(Ron) #1

von Vix in Burgund (um 500 v. Chr., siehe Bild oben). Seine
Enden zieren stilisierte Mohnkapseln, die selbst aus meh-
reren Einzelteilen bestehen. Darüber sitzt auf jeder Seite
eine naturalistisch gestaltete Löwenpranke; ein dahinter
angeordnetes geflügeltes Pferd scheint gerade zum Sprung
anzusetzen. Beide Motive verweisen auf kulturelle Einflüsse
aus dem Mittelmeerraum. Das filigrane Podest, auf dem
der kleine Pegasus steht, besteht aus zahlreichen Rund-
und Perldrähten. Diese dünnen Metalldrähte derart präzise
aufzulöten, verlangte eine überaus genaue Materialkenntnis
und große Erfahrung bei der Temperatursteuerung. Denn
beim kleinsten Fehler drohten solch feine Verzierungen zu
schmelzen – die Arbeit wäre ruiniert gewesen.
Anders als die offenen Torques beeindrucken die älteren
geschlossenen Arm- und Halsringe durch ihre perfekte
Symmetrie in der Form und den geometrischen Mustern,
wie sie im berühmten Fürstengrab von Hochdorf aus dem



  1. Jahrhundert v. Chr. vorkommen. Mikroskopische Spuren
    und Experimente, bei denen man diese Schmuckformen
    immer wieder nachzubilden versuchte, zeigen: Die Ringe
    wurden auf einer Drückbank gefertigt, indem ein Gold-
    blechzylinder über einen Holzmodel mit dem gewünschten
    Relief geschoben wurde, der an einer Drehachse befestigt
    war. Während diese rotierte, presste man den Zylinder an
    das Holz und arbeitete das Relief mit entsprechenden
    Werkzeugen ein. Überreste einer solchen Vorrichtung
    wurden bislang aber noch nicht gefunden.
    Bei den späteren, latènezeitlichen Goldarbeiten finden
    sich diese Zier- und Herstellungstechniken immer seltener.
    Hier bestimmen vor allem figürliche und sehr plastisch
    gestaltete Ornamente das Bild, die entweder gegossen oder


in Blech ziseliert sind, wobei das Relief mit Punzen heraus
modelliert oder – jedoch seltener – mit Pressmodeln erzielt
wurde.
Vordergründig erzählen die Goldobjekte der Kelten eine
Geschichte von Luxus und Macht. Ihre interdisziplinäre
Erforschung, die archäologische, herstellungstechnische
und materialanalytische Aspekte verknüpft, erlaubt aber
auch spannende Einblicke in die Entwicklung von Kunst,
Handwerk und Technologie. Bereits früh standen die kelti-
schen Eliten in einem intensiven Austausch mit den Grie-
chen, ließen sich von deren Repräsentationskultur und
Kunsthandwerk inspirieren. Diese Weltgewandtheit zeigt
sich besonders deutlich, wenn mediterrane Ornamente und
einheimische Symbolik auf den Goldobjekten eine eigene
Mischung eingingen. Dabei bewiesen keltische Schmiede
und Kunsthandwerker ein erstaunliches Geschick und
stellten Goldschmiedearbeiten auf hohem künstlerischem
und technologischem Niveau her. 

QUELLEN
Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg (Hg.):
Die Welt der Kelten. Zentren der Macht – Kostbarkeiten der Kunst.
Jan Thorbecke, 2012
Hansen, L.: Hochdorf VIII: Die Goldfunde und Trachtbeigaben des
späthallstattzeitlichen Fürstengrabes von Eberdingen-Hochdorf
(Kr. Ludwigsburg). Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühge-
schichte in Baden-Württemberg 118. Theiss, 2010
Rolley, C. (Hg.): La tombe princière de Vix. Picard, 2003
Schwab, R. et al. (Hg.): Early Iron Age gold in celtic Europe.
Society, technology and archaeometry. Forschungen zur Archäo-
metrie und Altertumswissenschaft 6,1. Marie Leidorf, 2018

Um 500 v. Chr. beherrschte die Fürstin von Vix
einen der reichsten Handelsplätze der Kelten, den
Mont Lassois an der Seine. Mit Griechen und
italischen Stämmen stand sie wohl in regem Aus-
tausch, wie ihre Grabbeigaben nahelegen. Auch in
ihrem imposanten Halsreif spiegeln sich Einflüsse
aus der mediterranen Kultur. Hergestellt wurde
er aber höchstwahrscheinlich von keltischen Gold-
schmieden (rechtes Bild: Detailvergrößerung).

BARBARA ARMBRUSTER / MUSEUM FÜR VOR- UND FRÜHGESCHICHTE SAARBRÜCKEN
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