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or Kurzem habe ich Kartoffelpüree zubereitet.
Die Kartoffeln habe ich zuerst geschält, anschlie-
ßend gekocht und danach zerstampft. Die Rei-
henfolge war dabei entscheidend: Hätte ich sie
zuerst gestampft, dann gekocht und danach geschält,
hätte das nicht nur viel länger gedauert; das Resultat
wäre vermutlich auch nicht so lecker gewesen. Bei
meinem Frühstück am nächsten Morgen war die
Reihenfolge dagegen egal. Ob ich zuerst die Milch und
dann mein Müsli in eine Schüssel gebe oder umge-
kehrt, spielt für den Geschmack keine Rolle.
In der Mathematik spricht man bei Fragen zur Rei-
henfolge von »Kommutativität«. Eine Operation zwi-
schen zwei Objekten ist genau dann kommutativ, wenn
folgende Formel gilt:
Der Malpunkt steht dort nicht zwangsläufig für die
Multiplikation, sondern er symbolisiert ganz allgemein
eine »binäre Verknüpfung«, also eine Operation, bei der
man zwei Elementen ein drittes als Ergebnis zuordnet.
Handelt es sich bei a und b zum Beispiel um reelle
Zahlen, dann kann diese Verknüpfung etwa die Additi-
on oder die Multiplikation sein. Beide Operationen sind
in einem solchen Fall kommutativ: Es ist egal, ob man
7 + 3 oder 3 + 7 rechnet, es kommt jedes Mal 10 her-
aus. Die Subtraktion und die Division sind dagegen
nicht kommutativ. Das Ergebnis der Rechnung 7 – 3
unterscheidet sich deutlich von 3 – 7, und sieben Drittel
sind etwas anderes als drei Siebtel.
Komplizierter wird die Angelegenheit vor allem
dann, wenn a und b keine Zahlen mehr darstellen,
sondern beispielsweise Matrizen. In einer Matrix sind
mathematische Ausdrücke in einer Tabelle zusammen-
gefasst, mit der man genauso umgehen kann wie mit
normalen Zahlen, sofern man sich an die richtigen
Regeln hält.
Multipliziert man zwei solche Objekte miteinander,
entsteht der erste Eintrag der Ergebnis-Matrix aus der
ersten Zeile der ersten Matrix und der ersten Spalte der
zweiten (indem man die jeweiligen Zahlen miteinander
multipliziert und die Resultate anschließend addiert).
Der zweite Eintrag der ersten Spalte ergibt sich aus der
ersten Zeile der ersten und der zweiten Spalte der
zweiten Matrix, und so weiter. Die Beschreibung des
Vorgangs klingt komplizierter, als er ist – aber man
erkennt sofort, dass es dabei auf die Reihenfolge
ankommt. Daher ist die Multiplikation im Fall von
Matrizen nicht kommutativ.
F
ür mich als Astronom ergibt das Sinn. Als ich
während meines Studiums eine Vorlesung besuch-
te, bei der es unter anderem um »Matrizenoptik«
ging, setzte ich mich erstmals ausführlicher mit der
Multiplikation dieser mathematischen Objekte ausein-
ander. In dem Kurs beschrieben wir Lichtstrahlen, die
durch diverse optische Bauteile fallen. Jedes solche
Element – eine Linse, ein Spiegel oder ein Prisma –
lässt sich durch eine so genannte Transfermatrix dar-
stellen; der Lichtstrahl selbst durch einen Vektor. Um
ein optisches System mit verschiedenen Bauteilen (zum
Beispiel ein Teleskop) zu beschreiben, muss man der
Reihe nach die entsprechenden Transfermatrizen
miteinander multiplizieren. Und da es entscheidend ist,
in welcher Reihenfolge ein Lichtstrahl die unterschied-
lichen Bauteile durchläuft, muss man aufpassen, wie
man die Matrizen in der Berechnung anordnet.
Doch nicht alle Probleme lassen sich durch eine
korrekte Anwendung des Kommutativgesetzes lösen.
Ob etwa zuerst die Milch und dann der Tee in die Tasse
kommt oder umgekehrt, ist eine Frage, die vor allem in
Großbritannien häufig heftige Diskussionen auslöst.
George Orwell hat darüber ebenso philosophiert wie
zahlreiche Wissenschaftler – bis heute ohne definitives
Ergebnis. Mich stört das hingegen wenig, denn ich
trinke Tee ohnehin lieber ohne Milch.
FREISTETTERS FORMELWELT
NACH IHNEN!
Wie im echten Leben kommt es auch in der
Mathematik häufig auf die Reihenfolge an – was
einige Berechnungen verkompliziert.
Florian Freistetter ist Astronom, Autor und
Wissenschaftskabarettist bei den »Science Busters«.
spektrum.de/artikel/1654774
FRANZISKA SCHÄDEL (WWW.FLORIAN-FREISTETTER.DE/BILDER.HTML) /
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