Focus - 24.08.2019

(Brent) #1
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FOCUS 35/2019 53

D


er Mittelstand
denkt traditionell
in Generationen,
unseren Unter-
nehmerinnen und
Unternehmern bedeutet
Nachhaltigkeit viel. Nicht
zuletzt liegt ihnen die
Zukunft ihrer Kinder und
Enkel am Herzen. Dem Mit-
telstand ist der Klimaschutz
alles andere als gleich-
gültig. Wir treten dafür ein,
den globalen Anstieg der
CO 2 -Emissionen zu stoppen.
Entscheidende Bedeu-
tung kommt aber der Frage
zu, mit welchen Methoden
dieses wichtige Ziel erreicht
werden soll. Und da lässt die
bisherige Diskussion Schlim-
mes befürchten: Autofahren,
Inlandsflüge, Fleisch – um
nur einige Beispiele zu nen-
nen – sollen durch höhere
Steuern verteuert werden.
Ich rate dringend dazu,
aus der verkorksten Energie-
wende die richtigen Schlüs-
se zu ziehen. Wir zahlen
inzwischen fast die höchsten
Strompreise in Europa, vor
allem wegen der Umlagen
zum Ausbau der erneuer-
baren Energien.
Dennoch scheitert
Deutschland an den Klima-
zielen für 2030, sodass Berlin
bereits 300 Millionen Euro
für Strafzahlungen in den
kommenden drei Jahren ein-
geplant hat. Zeitgleich führt
der Bundeswirtschaftsmi-
nister einen verzweifelten
Kampf, um den für die Ener-
giewende existenziellen

Ausbau der Stromnetze zu
gewährleisten, ohne den die
Windenergie nicht von der
Nordsee nach Bayern und
Baden-Württemberg findet.
Höhepunkt dieses Irrsinns
sind Millionenzahlungen
für Geisterstrom: Im ersten
Quartal 2019 hat die Regie-
rung die Windkraftbranche
mit 364 Millionen Euro ent-
schädigt, weil 3,23 Milliar-
den Kilowattstunden wegen
fehlender Netzkapazitäten
nicht eingespeist werden
konnten. Die Politik hat hier
einen energiepolitischen
Scherbenhaufen verursacht.
In Zukunft muss ökonomi-
scher Sachverstand Vorrang
vor ökologischer Ideologie
erhalten. Daran orientieren
sich die Forderungen des
Mittelstands:


  1. Die Einführung einer
    nationalen CO 2 -Steuer,
    auch nur für den Übergang,
    halten wir für den falschen
    Weg. Neue Steuern erhöhen
    mit Sicherheit nur die Ein-
    nahmen des Staates und
    mindern die Wettbewerbs-
    fähigkeit des Mittelstands,
    helfen aber kaum gegen den
    Treibhauseffekt. Außerdem
    wäre sie verfassungswidrig.

  2. Die Ausweitung des
    Emissionshandels auf Ver-
    kehr und Gebäude ist der
    bessere Weg. Es handelt
    sich dabei nicht nur um eine
    europäische, sondern vor
    allem um eine marktwirt-
    schaftliche Lösung.

  3. Die Energiekosten müs-
    sen sinken, vor allem für
    den Mittelstand, der in der
    Regel nicht von den Aus-
    gleichsregeln für die energie-
    intensive Industrie profi-
    tiert. Strom aus erneuerbarer
    Energie muss von Abgaben
    entlastet werden, damit
    dessen Kostenvorteile bei
    den Verbrauchern ankom-
    men. Generell sollte die
    Stromsteuer auf das euro-
    päische Mindestniveau
    gesenkt werden.

  4. Im Gegensatz zur
    Energiewende darf die Kli-
    mawende kein deutscher
    Alleingang werden. Wir
    brauchen viele Mitstreiter
    dafür – mindestens in
    Europa, besser aber noch
    global. Denn Deutschland
    allein verursacht nur gut
    zwei Prozent des weltweiten
    CO 2 -Ausstoßes. Wir kön-


nen dem Weltklima also nur
spürbar helfen, wenn wir
einen Weg weisen, auf dem
uns andere folgen.


  1. Die steuerliche Förde-
    rung der energetischen
    Sanierung muss endlich ein-
    geführt werden. Denn die
    Wärmeerzeugung verbraucht
    mehr Energie als Strom-
    produktion und Verkehr
    zusammen.

  2. Wir brauchen mehr
    Markt und weniger Staat
    in der Klimapolitik. Ein
    Schwerpunkt des Klima-
    pakets sollte die Förderung
    von Erforschung und Ent-
    wicklung klimafreundlicher
    Technologien sowie synthe-
    tischer Kraftstoffe sein. Es
    ist viel wichtiger, CO 2 -arme
    Kraftstoffe für Flugzeuge
    zu entwickeln, als über ein
    Verbot für Inlandsflüge zu
    schwadronieren.
    Auch mit Blick auf den
    einsetzenden Abschwung
    muss das Klimapaket, das
    die Regierung in den nächs-
    ten Wochen schnüren will,
    mit einer Investitions- und
    Innovationsoffensive ver-
    bunden werden. Der bayeri-
    sche Ministerpräsident
    Markus Söder fordert zu
    Recht ein Förderprogramm
    für den Mittelstand. Richtig
    gemacht, kann die Klima-
    wende Teil eines solchen
    Programms sein. Meine
    große Sorge ist jedoch, dass
    die Politik hier ein neues
    Milliardengrab schafft und
    Deutschland energiepolitisch
    ins Abseits führt. n


Von Mario Ohoven

MEINUNG

Mr. Mittelstand Mario Ohoven, 73,
vertritt seit 1998 die Interessen
kleiner und mittlerer Firmen

Die Energiewende ist teuer, aber bisher wenig erfolgreich. Um den CO 2 -Ausstoß


wirksam zu begrenzen, braucht es keine neuen Steuern – sondern mehr Innovationen


Mehr Marktwirtschaft beim Klimaschutz!


Präsident des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft
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