Die Welt am Sonntag Kompakt - 01.09.2019

(Brent) #1

WELT AM SONNTAG NR.35 1.SEPTEMBER2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT^21


b in Ellwangen, Freital oder Frankfurt –
wer sich hin und wieder in Asylheimen
aufhält, sieht viele junge Frauen mit
Säugling oder Babybauch. Nun kommen zwar die
meisten aus kinderfreundlichen Kulturen. Trotz-
dem verwundert es, weil in den Sammelunter-
künften Migranten leben, die noch nicht lange im
Land sind und deren Asylverfahren in der Regel
noch nicht abgeschlossen sind. Wer nämlich als
Flüchtling anerkannt wurde, bekommt meist eine
Wohnung zugewiesen und lebt dann nicht mehr in
den Asylheimen.

VON MARCEL LEUBECHER

Kommen also fast alle Asylbewerberinnen kurz
nach der Einreise nieder? Genau lässt sich das
nicht erheben. Doch in der ersten Jahreshälfte
2019 wurden mehr Asylanträge für in Deutschland
geborene Babys gestellt als von Frauen im Mutte-
ralter. Laut den Tabellen des Bundesamtes für Mi-
gration und Flüchtlinge (BAMF), die der WELT
AM SONNTAG vorliegen, wurden im ersten Halb-
jahr 11.972 Asylerstanträge von Frauen zwischen 16
und 40 Jahren gestellt. Im selben Zeitraum wur-
den 15.586 Asylerstanträge für „nach der Einreise
in Deutschland geborene Kinder unter einem
Jahr“ gestellt, teilt das Bundesinnenministerium
der WELT AM SONNTAG mit.
Allerdings sind darin auch Kinder von abge-
lehnten Asylbewerberinnen enthalten, die ausrei-
sepflichtig sind, aber für ihren Säugling einen
Asylantrag stellen. Hinzu kommen solche Abge-
lehnten, die eine spezielle Unterart von humani-
tärem Aufenthaltstitel (Paragraf 25,5) erhielten.
Zudem stellen auch anerkannte Flüchtlinge in un-
bekannter Zahl Asylanträge für ihre Kinder, ob-
wohl sie das nicht müssen. Dem BAMF war es
nicht möglich, diese unbestimmten Größen ge-
sondert anzugeben.
Insgesamt war laut Bundesinnenministerium
jeder fünfte (21 Prozent) Asyl-Erstantragssteller
(15.586 von 72.953) im ersten Halbjahr 2019 ein in
Deutschland geborenes Kind von unter einem
Jahr. Auch 2018 war es schon ähnlich: Damals wa-
ren es 20 Prozent (32.303) der Erstantragssteller.
Die Gruppe der bis zu drei Jahre alten Asylerstan-
tragssteller war die mit Abstand größte Altersko-
horte (27 Prozent; 43.480). Schaut man auf die
Statistiken, so ließe sich durchaus die These wa-
gen: Die Parole „Es kommen nur junge Männer“
müsse durch „Es kommen vor allem Babys“ er-
setzt werden.
Unter den vielen Gründen, bald nach der An-
kunft in Deutschland ein Kind zu bekommen,
könnte einer auch sein, die Bleibechancen zu er-
höhen, wie mehrere Innenpolitiker und Behör-
denmitarbeiter dieser Zeitung sagten. Denn abge-
lehnte Asylbewerber mit kleinen Kindern werden
nur in sehr wenigen Ausnahmefällen in ihre Her-
kunftsländer abgeschoben.

Selbst die sogenannten Dublin-Überstellungen,
also die Abschiebungen von unerlaubt weiterrei-
senden Asylbewerbern in das für sie zuständige
EU-Land, werden nur selten umgesetzt, sobald
ein Kleinkind unter drei Jahren zur Familie zählt.
So kommt es auch, dass in den unter Rückfüh-
rungsgegnern kursierenden Anti-Abschiebungs-
Ratgebern der Hinweis auf die hohe Bleibechance
durch Kinder nie fehlt. Etwa im Pro-Asyl-Heft
„Erste Hilfe gegen Dublin-Abschiebungen“ oder
im auf Arabisch, Farsi und in anderen Sprachen
verbreiteten „Welcome to Europe“-Ratgeber „Wie
Dublin-Abschiebungen verhindern“.
Nach Griechenland, ins wichtigste Durchreise-
land für Asylbewerber, werden wegen Unterbrin-
gungsmängeln gar keine Mütter mit Kleinkindern
zurückgebracht, ebenso nicht nach Malta und Bul-
garien und grundsätzlich nicht nach Ungarn. Auch

wer in den vergangenen Jahren über das zweite
wichtige Ankunftsland, Italien, unerlaubt nach
Deutschland weiterreiste, musste keine Überstel-
lung fürchten, falls ein Kleinkind zur Familie ge-
hörte. Zwischen 2014 und 2017 waren sogar keine
Überstellungen von unter 16-Jährigen und ihren
Familien möglich, weil das Bundesverfassungsge-
richt die Versorgung für junge Migranten in Ita-
lien als unmenschlich beurteilt hatte.

RÜCKFÜHRUNG NACH ITALIEN WIEDER
MÖGLICHSeit dem Frühjahr ist die Rücküber-
stellung von unerlaubt weitergereisten Minder-
jährigen wieder möglich, weil sich die Unterbrin-
gung von Asylbewerbern in Italien laut BAMF
maßgeblich verbessert hat. Es gibt zwar keine ge-
sonderten Dublin-Tabellen für Kleinkinder, aber
für Minderjährige: Im ersten Halbjahr 2019 gab es
laut BAMF-Statistiken gerade einmal 778 soge-
nannte Dublin-Überstellungen von unter 18-Jähri-
gen. Wichtigstes Zielland war Frankreich (138).
Die wichtigste Nationalität war überraschender-
weise Russisch (151). Nach Italien wurden 58 Min-
derjährige überstellt, nach Griechenland einer.

Jeder fünfte Antrag


auf Asyl für ein Baby


sagt Lehmann, der selbst Kitesurfer ist: „Es gibt in
Deutschland nur ganz wenige Gewässer, die man dafür
nutzen kann.“ Hier habe man einen gleichmäßigen
Südwestwind und eine Fläche, auf der er sich entfalten
könne. Auf einem Kiessee, 500 Meter weiter, will er
zudem eine Wakeboard-Anlage betreiben: „Aus eige-
ner Erfahrung weiß ich, wie weit Sportler für eine gute
Anlage fahren. Die Kombination aus Kitesurfen und
Wakeboarden wäre perfekt.“
Lehmann ist Inhaber eines Betriebs für Rohrlei-
tungsbau. Als Dienstleister des Energiekonzerns LE-
AG ist er deshalb selbst vom Kohleabbau abhängig. In
den vergangenen fünf Jahren gingen die Aufträge zu-
rück, seine Firma baut nun auch Geländer für Treppen
und Balkone. Er versteht, wie wichtig es ist, dass sich
etwas bewegt und die Stadt attraktiver wird. Auch ihm
geht es darum, seine Mitarbeiter in Cottbus zu halten.
„Deshalb müssen wir schon jetzt den See etablieren.“
Das bedeutet auch: das Projekt über die Stadtgren-
zen hinaus bekannt machen. Mit dem Cottbuser Ost-
seesportverein, in dem sich Lehmann engagiert, hat er
daher ein Drachenfest veranstaltet: Drachenbasteln,
Flugshows, Livebands. Seit drei Jahren findet es statt
und lockte zuletzt 3000 Flugdrachen-Begeisterte an.
Lehmann hat schon alle Vorbereitungen getroffen:
Ein Investitionsplan über einen einstelligen Millio-
nenbetrag existiere für sein Wakeboard-Projekt, einen
Anlagenbauer habe er an der Hand. Bisher scheitere es
an den Behörden, die sich noch Zeit lassen wollen. Er
bleibt dran. Am liebsten würde er eröffnen, bevor der
See vollständig geflutet ist. Lehmann blickt auf die
Bucht: Baufahrzeuge bereiten die riesigen Sandflächen
auf die Flutung vor. Motorenlärm statt Möwenge-
schrei. Hans Albers würde singen: „Zurück darf kein
Seemann schauen.“

Bisher sind in diesem Jahr mehr Asylanträge


für in Deutschland geborene Säuglinge als für


deren Müttern gestellt worden. Kinder haben


bessere Bleibechancen


O


FFFast ein Meerast ein MeerBis 2024
sollen die 1900 Hektar mit
Grund- und Spreewasser
geflutet sein

W

WW.GORDONWELTERS.COM

/GORDON WELTERS

Im WartestandFlüchtlingskinder in der Erst-
aufnahmeeinrichtung in Zirndorf in Bayern

DPA PICTURE-ALLIANCE / DANIEL KARMANN

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BY BY See vollständig geflutet ist. Lehmann blickt auf dieSee vollständig geflutet ist. Lehmann blickt auf die

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bleibt dran. Am liebsten würde er eröffnen, bevor der

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See vollständig geflutet ist. Lehmann blickt auf die
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Bucht: Baufahrzeuge bereiten die riesigen Sandflächen
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