Der Stern - 29.08.2019

(Tina Meador) #1

FOTOS: DAILY MAIL/SOLO; PETER JOLLY/REX/SHUTTERSTOCK


K

ommendes Jahr wird
Königin Elisabeth II.
einen weiteren Al-
tersrekord brechen
und den mit 68 Re-
gentschaftsjahren
zuletzt führenden
Kaiser Franz Josef I.
hinter sich lassen.
Auch der alte Mann
im Jahrhundertwende-Wien war fa-
miliären Gram gewöhnt – darunter
einen libidinös überambitionierten
Selbstmördersohn und eine spleen-
begabte Ehefrau. Die Nachricht vom
gewaltsamen Tod seiner Sisi soll er
mit den Worten „Mir bleibt auch
gar nichts erspart auf dieser Welt“
quittiert haben.
Ähnliches könnte sich die 93-
jährige Königin Großbritanniens
gedacht haben, als in der vergan-
genen Woche bekannt wurde, dass
ihr zweitgeborener und angeblich
liebster Sohn Prinz Andrew in eine
extrem unappetitliche, hochkrimi-
nelle Affäre verwickelt sein soll.
Es geht um die Freundschaft zum
inzwischen auf eigene Initiative aus

dem Leben geschiedenen Multimil-
lionär und früheren Betreiber eines
Pädophilen-Sexrings, Jeffrey Ep stein,
der seine letzten Wochen im Gefäng-
nis zugebracht hatte. Und die recht
konkreten Anschuldigungen einer
gewissen Virginia Roberts,
verheiratet Guiffre, als
17-Jährige von Prinz An-
drew dreimal sexuell
missbraucht worden zu
sein. Eine unangenehme
Sache, die das Zeug hat, die
britische Königsfamilie
erneut in schweren Miss-
kredit zu bringen.
Doch Moment: Es gilt
die Unschuldsvermutung. Auch für
einen englischen Prinzen, der sich
mit diversen Eskapaden den zwei-
felhaften Spitznamen „Randy Andy“
(scharfer Andy) eingehandelt hat.
Am vergangenen Wochenende ver-
öffentlichte das Königshaus eine
offizielle Erklärung, in der Andrew,
der als Herzog von York firmiert, die
Vorwürfe von sich weist – kleinlaut
und die eigene Verantwortung ab-
streitend. Nur aufgrund der „im- 4

mensen Anzahl an Medienspeku-
lationen“ müsse er sich zu Wort
melden, schreibt er. „Unregelmäßig
und möglicherweise ein- oder zwei-
mal im Jahr“ habe er Herrn Epstein
getroffen und in seinen Residenzen
genächtigt. Niemals sei er „Zeuge
von Handlungen geworden“ oder
habe „auch bloß den Verdacht ge-
habt“ von all den hässlichen Dingen,
die zur Anklage oder Verurteilung
Epsteins geführt hätten. Er habe
„enormes Mitgefühl“ mit all jenen,
die durch Epsteins Taten und Ver-
haltensweisen in Mitleidenschaft
gezogen worden seien. Beinahe
möchte man meinen, Andrew selbst
sei es, der das Mitgefühl der Welt
verdient, ganz ohne eigenes Ver-
schulden an einen falschen Freund
geraten zu sein, der nebenberuflich
die pädophilen Gelüste diverser
Reicher und Berühmter versorgte.
No York, no York – so macht man
das nicht.
Überhaupt scheint Andrew
Mountbatten-Windsor gern mit sei-
nem Schicksal zu hadern. Dem Mail-
verkehr eines Literaturagenten, der
offenbar ebenfalls die Gesellschaft
Epsteins und seiner jugendlichen
„Mitarbeiterinnen“ genoss, ist eine
rührende Szene zu entnehmen. In
dieser soll Andrew die Zumutungen
des royalen Daseins und der protes-
tantischen Prüderie Nordeuropas
beklagen, während ihm eine russi-
sche Dame eine Fußmassage ange-
deihen lässt. Epstein direkt daneben
im Trainingsanzug und ein anderes
Fräulein zu Füßen, Andrew im adret-
ten Anzug mit Hosenträgern vom
Laisser-faire des Südens
schwadronierend. Dort
lebe nämlich ein Fürst na-
mens Albert in paradie-
sischen Umständen, wo
man es nach Feierabend
ganz anders krachen las-
sen könne. „Wenn ich das
Gleiche mache, bekomme
ich großen Ärger“, wird der
Prinz zitiert.
Großen Ärger hat er nun zur Ge-
nüge. Es geht um keinen Ausrut-
scher, keine geleakte sexuelle Auf-
fälligkeit wie die des älteren Bruders
und Thronfolgers Charles, der zitiert
worden war, von einer Existenz als
Tampon zu träumen. Die Sache Ep-
stein hat das Zeug zur Staatsaffäre.
Mit Donald Trump und Bill Clinton
verkehrten gleich zwei US-Präsi-
denten in Epsteins Kreisen, Gerich-
te werden klären, was davon

AUCH DU,


ANDREW?


Der Lieblingssohn der Queen und der Mädchen-


händler Jeffrey Epstein: Es könnte mal wieder


unappetitlich werden im britischen Königshaus


Von David Baum und Catrin Bartenbach


GESELLSCHAFT


Mummy’s
Darling: Andrew,
heute 59, scheint
sorgenfrei, als
er am Sonntag,


  1. August,
    mit der Königin
    in Balmoral
    zur Kirche fährt


29.8.2019 89
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