115ben wurde. Der DJV hatte dagegen lediglich »kritisiert«.
Des Weiteren wurden eine Reihe von DJV-Stellungnahmen
zum Sachverhalt verbreitet, wohingegen ich nicht mal
gefragt wurde. Außerdem bezogen die Zeitungen Zitate
von mir auf Sachverhalte, auf die sie eindeutig nicht
bezogen waren. Ich wunderte mich, wieso alle dieselben
Fehler machen. Fehler, die man mit 14 Minuten Recherche
vermeiden könnte – indem man das Video anschaut.
Ich fand den Grund heraus: die Deutsche Presse-Agentur
(dpa). Viele Redaktionen hatten einfach deren Meldungen
copy-pasted, die Fehler waren bereits dort enthalten.
Ich rief bei der dpa an, beschrieb die Situation, ohne
meinen Namen zu nennen. Der sehr nette Mitarbeiter
sagte, er könne mir nicht weiterhelfen. Ich sagte: »Ich
bin dieser Rezo, um den es dort geht.« – »Oha, ich
verbinde Sie direkt weiter!« Plötzlich hatte ich eine höhe-
re Priorität. Nach langer Diskussion schlug die dpa vor,
die ursprünglichen Meldungen zu korrigieren. Eine
Entschuldigung in einer dpa-Meldung komme nicht infra-
ge: »So was machen wir hier nicht.« Solche Antworten
mag ich nicht, sie sind dogmatisch und nicht rational
begründet. Ich setzte mich hin und verfasste fünf Seiten
Stichpunkte über die Fehler und schickte es als PDF an
die dpa, versehen mit dem Namen »Skript Notizen«,
als wären es Stichpunkte für ein Drehbuch. Das war ein
mehr als subtiler Hinweis von mir, dass ich zu dem
Vorgang auch ein kleines Video veröffentlichen könnte.
Und, bitte. Plötzlich war für die dpa eine Meldung, in
der sie sich entschuldigt, doch machbar. Der DJV
hatte sich inzwischen ebenfalls öffentlich bei mir entschul-
digt, nachdem ich ihm das in einem privaten Chat
nahegelegt hatte.
O
kay, lange und verrückte Story, aber was zeigt
das alles? Erstens, dass Journalisten auch Men-
schen sind. Klingt trivial, muss aber mal gesagt
werden. Jeden Tag bauen Maurer schiefe Wände.
Jeden Tag coden Informatiker Bugs in ihre Programme.
Und jeden Tag verbreiten Journalisten falsche Behauptun-
gen. Das muss man akzeptieren.
Zweitens zeigt es, dass Fehler wohl nur so klar auf -
gearbeitet werden, wenn die betroffene Person selbst einehohe Reichweite oder Berühmtheit hat. Ich ver-
mute, irgendeine random Oma hätte von der
dpa keine öffentliche Entschuldigung erhalten.
Dritte Feststellung: Von vielen Fehlern wer-
den wir Leser womöglich nie erfahren. Ich
müsste mir gelesene Artikel aktiv merken und
Tage später wieder anklicken, um zu sehen, ob
etwas korrigiert wurde. Selbst wenn die dpa
jeden Fehler verbessern würde, heißt das noch
lange nicht, dass auch die Zeitungen es tun.
In meinem Fall hatte selbst Tage später kaum
eine Zeitung die Korrektur übernommen. Ich
kann als Leser also nicht feststellen, ob Fehler
in 1 Prozent, 10 Prozent oder 50 Prozent
der dpa-Artikel vorkommen. Für mich als
mathematisch denkenden Menschen bedeutet
das im logischen Schluss: Ich kann keinem
dpa-Artikel mehr blind glauben. Kann gut sein,
dass der Inhalt stimmt. Kann aber auch
Quatsch sein.
Meine vierte Erkenntnis ist, dass viele Zei-
tungen Meldungen offenbar ohne nennens-
werte Überprüfung copy-pasten und sie allen-
falls leicht verändern. Ich weiß, liebe Redaktionen, dass
solche Texte in unfassbar kurzer Zeit rausgepumpt wer-
den müssen. Ich weiß, dass dpa als privilegierte Quelle
gilt und es Zeitungen ermöglichen soll, über Dinge zu
berichten, die sie nicht selbst recherchieren können. Ich
finde aber, in den Fällen, in denen sie es könnten, sollten
sie es tun. Wenn ich Mathehausaufgaben abschreibe,
habe ich kein bisschen Mathematik betrieben. Genauso
hat man kein bisschen Journalismus betrieben, wenn
man eine dpa-Meldung kopiert. Ich würde mich als Jour-
nalist damit unterfordert fühlen.
Letzte Feststellung: Die Presse kritisiert sich offenbar
nicht ultra gern selbst. Ja, es gibt Positivbeispiele wie
Uebermedien.de oder Bildblog.de, aber für die meisten
Medien trifft es zu. Ich erinnere mich, wie nach meinem
CDU-Video eine Anmerkung von Annegret Kramp-
Karrenbauer bezüglich Meinungsfreiheit zu massiver
Kritik an ihr in so ziemlich jeder Zeitung geführt hat. Ich
möchte AKK hier nicht in Schutz nehmen. Die Äuße-
rung war echt sauunklug, aber im Grunde war jedem
klar, dass dahinter kein Plan zur Meinungskontrolle
stand, sondern lediglich ein äußerst unüberlegtes State-
ment in einer Paniksituation.
Für die Falschbehauptungen ihrer DJV- und dpa-Kolle-
gen fand die Presse hingegen keine mahnenden Worte.
Ob solche Aspekte auch unerwähnt geblieben wären,
wenn AKK die Aussagen gemacht hätte?
Ich schreibe diesen Text nicht, weil ich wütend auf die
Presse bin. Im Gegenteil. Ich bin froh und stolz, in einem
Land mit einer so freien und guten Presse zu leben. Des-
halb fucken mich solche Erfahrungen ab. Damit wird
Vertrauen verspielt. Nicht nur in jene Journalisten, die
diese Fehler machen, sondern in die gesamte Branche.
Eine Branche, die in Zeiten technisch leicht umsetzbarer
Manipulationen, ständiger neuer viraler Falschmeldungen
und einer Entfernung der Politik von Fakten und Wissen-
schaft eine unfassbar große Verantwortung hat. Wird
sie ihr nicht gerecht, fickt sie nicht nur sich selbst, sondern
die Wahrheitsfindung in unserer Demokratie gleich
mit. Lasst uns mit den vielen großartigen Journalisten in
diesem Land genau auf die Presse gucken und jedes
Fehlverhalten kritisieren. Für den Journalismus. Für uns
alle. Peace. QUELLE YOUTUBE / SPACE FROGS
YouTuber Rick, Rezo in Space-Frogs-VideoDER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019