Der Spiegel - 31.08.2019

(lily) #1
Fahren Sie Bahn?
Nr. 34/2019 Kolumne
»Die Gegendarstellung«

Polizei, Pflegepersonal, Gefängniswärter
und viele andere werden durch diese
außerplanmäßige Gehaltserhöhung für
Soldaten vor den Kopf gestoßen – und das
unabhängig davon, dass die Bahn nicht
funktioniert.
Uta Hubmann, Bonn

Die Panzergrenadiere hätten dann »mehr
Geld für Dosenbier« – ich finde diese Un-
terstellung unverschämt, arrogant und res-

Unsensibel


Nr. 35/2019 So isser, der Ossi.
Klischee und Wirklichkeit: Wie der Osten
tickt – und warum er anders wählt


Mit diesem Bild bringen Sie Ost und West
nie zusammen! Es ist für mich diskrimi-
nierend und kleinkariert. »So sindse, die
Redakteure«: reißerisch und unsensibel!
Gabriele Schönfeld, Darmstadt


Geschmacklos! Ich denke, dass Sie das
dadurch kompensieren sollten, dass der
SPIEGELim Osten mit dem Titelbild »So
isser, der Wessi.« erscheint. Die schwarz-
rot-goldene Kappe können Sie so lassen.
Dieter Fritsche, Bolanden (Rhld.-Pf.)


Ihr Artikel ist der mit Abstand beste Bei-
trag, den ich im Zusammenhang mit der
Lage in den ostdeutschen Ländern im
SPIEGELbisher gelesen habe! Ja, es ist
auch mein Eindruck, dass der Westteil des
Landes dem Trugschluss erlegen war, mit
Geld wäre alles zu regeln. Es geht eben
nicht um Geld, es geht auch um das man-
gelnde Verständnis für die gravierende
Erfahrung von Umbrüchen im Osten, in
denen binnen Jahresfrist nahezu nichts
mehr war wie zuvor. Es darf sich jeder im
alten Bundesgebiet fragen, wie er damit
umgegangen wäre. Dass Ihr Beitrag keinen
vorwurfsvollen Unterton hat, sondern im
Gegenteil sehr sachlich und vielschichtig
die Stimmungslage analysiert, macht es zu
einem Gewinn, ihn zu lesen.
Steffen Kraft, Berlin


Danke für diesen Beitrag, den ich für sehr
zutreffend halte. Aus dem Westen kom-
mend, lebe ich nun seit acht Jahren in
Schwerin und teile die meisten Ihrer Ein-
schätzungen. Lassen Sie mich noch einen
Punkt ergänzen: Die Gefühlslage der Men-
schen hier hat viele im Westen schlicht
nicht interessiert, und das hält bis heute
an. Sicher, man reist an die Ostsee und
nach Leipzig. Aber versteht man den Wes-
ten, wenn man nach Sylt und München
fährt?
Oliver Kaiser, Schwerin


Ihr Titel provoziert mich. Ich finde ihn be-
leidigend. Ich lebe sehr gerne hier, fühle
mich ganz als Ossi. In der DDR hatten wir
keine Wahl. Im vereinten Deutschland
wähle ich nie CDU, ganz bestimmt nicht


AfD. Aber Kritik habe ich auch. Mir gefällt
die westliche Lebensart nicht. Geld und
Besitz spielen eine zu große Rolle. Die rich-
tige Gesellschaftsordnung müssen wir erst
noch finden. Der Kapitalismus ist es be-
stimmt nicht.
Renate Köstlin, Wernigerode (Sachsen-Anhalt)

Ich lebe seit 20 Jahren in Hamburg und
muss seit 20 Jahren ständige Sticheleien
ertragen. Das Bild zeigt mir wieder einmal,
wie weit West und Ost immer noch aus -
einander sind. Ich bin sehr enttäuscht über
das mangelnde Feingefühl des SPIEGEL.
Marcel von Malottki, Hamburg

Die Euphorie des Mauerfalls hat sich für
viele Menschen aus dem Osten als Illusion
entpuppt. Folgt man Joachim Gauck, so
hatten sie »das Paradies geträumt und
wachten auf in Nordrhein-Westfalen«.
Doch wer in der alten DDR blieb, erlebte
vielfach die soziale Härte eines für ihn kal-
ten Gesellschaftssystems. Viele sehnen sich
zurück nach Sicherheit, Geborgenheit und
einem dauerhaften Arbeitsplatz, der ein
verlässliches Auskommen bis zum Lebens-

abend garantiert. In einem solchen Sehn-
suchtsort wird Dankbarkeit für den großen
Bruder im Westen als devotes Verhalten
empfunden.
Dr. Volker Brand, Bad Oeynhausen (NRW)

Haben Sie bedacht, wie viele Wähler Sie
mit dem diskriminierenden Titelbild ex-
tremen Parteien in Ostdeutschland zu -
treiben? Damit schaden Sie der inhaltlich
gut recherchierten Abhandlung »Der Ost-
Komplex«.
Elisabeth und Gerhard Flachowsky, Braunschweig

Was dem Ostdeutschen sein hohes Demo-
kratieempfinden ist – die Macht geht vom
Volk aus –, ist den westdeutschen Men-
schen ihr ausgeprägtes marktwirtschaft -

liches Verhalten. Es ist zu hoffen, dass die
nächsten Generationen die große Aufgabe
des Angleichens nicht aus dem Auge ver-
lieren, um weiter eine funktionierende und
friedliche Gesellschaft zu gewährleisten.
Uwe Sochor, Dresden

Schon 1989 gründeten wir eine Arbeits-
gruppe ost- und westdeutscher Psychothe-
rapeuten, die wir »Deutsche Gegenwart,
Vergangenheit und Zukunft« nannten. In
vielen Referaten und Kongressbeiträgen
haben wir die Befindlichkeit des »Gesamt-
kollektivs« analysiert aus familientherapeu-
tischer und tiefenpsychologischer Sicht.
Schon damals war klar: Bei den sogenann-
ten Ostdeutschen, die ja eigentlich mehr-
heitlich Mitteldeutsche sind, hat sich ein
Strukturen- und Verhaltenskomplex aus
der Zeit vor der Teilung stärker erhalten
als im Westen. Quasi »deutscher« in Wer-
ten und Verhaltensweisen – wo im Westen
noch der amerikanische Way of Life als
willkommene Flucht vor der Nazi-Vergan-
genheit genutzt wurde, war in der DDR
die Rückbesinnung auf die »Eigenart« in
Abgrenzung zur ungeliebten Besatzungs-
macht und dem »Brudervolk Sowjetunion«
angesagt. Unser Therapievorschlag damals
war, historisch zurückzukehren zu dem
Zeitpunkt, wo sich die Wege getrennt hat-
ten, und von dort aus gemeinsam etwas
Neues zu schaffen. Da waren Treuhand
und Plattmachen von Industriekomplexen
natürlich der falsche Weg, ebenso die Be-
hauptung, dass der Osten rückständig sei
und vom Westen lernen müsse. Es scheint
mir eher umgekehrt zu sein, wenn ich an
die Erfolge von Wissenschaftlern aus Jena,
Magdeburg, Halle und Leipzig denke.
Dr. Klaus Neumann, München

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»Da – allein im Titel – ist sie schon wieder,


die Überheblichkeit der Wessis!«


Walther Merz, Weiterstadt (Hessen)

DER SPIEGEL Nr. 36 / 31. 8. 2019

HERMANN BREDEHORST / DER SPIEGEL
Straße im brandenburgischen Herzberg
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