SEITE 32·FREITAG, 30. AUGUST 2019·NR. 201 Sport FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG
D
as Geld liegt auf der Straße –
eine Binsenweisheit im Langstre-
ckenlauf. Gerade bestätigt sie Geof-
frey Kamworor, der mit seinen 26 Jah-
ren schon dreimal Weltmeister im
Halbmarathon war, Sieger des New-
York-Marathons 2017 und zweimal
Weltmeister im Cross. Auf der Bahn
ist Platz zwei bei der Weltmeister-
schaft von Peking 2015 über 10 000
Meter sein größter internationaler Er-
folg. Überlegen gewann er am Mitt-
woch im Nyayo-Stadion von Nairobi
die kenianische Meisterschaft und die
damit verbundene WM-Qualifikation
über die 25 Runden. Doch die Chan-
ce, in vier Wochen, am ersten Abend
der Titelkämpfe von Doha, um eine
Goldmedaille zu rennen, will Kamwo-
ror nicht nutzen.
Die Rechnung ist einfach. Sollte er
in der Hitze von Qatar die starke äthio-
pische Konkurrenz besiegen, winken
ihm, immerhin, 50 000 Dollar Preis-
geld. Allein fürs Erscheinen beim Ko-
penhagen-Halbmarathon eine Woche
vor und beim New-York-Marathon
fünf Wochen nach dem Weltmeister-
schaftsrennen darf er mit mehr als
dem Doppelten rechnen. Sollte er ge-
winnen und gar Bestzeiten laufen, wie
es seine Form verspricht, könnte ihm
der goldene Herbst um die 300 000
Dollar einbringen.
Als Bonus steht zwischen beiden
Rennen im Oktober ein Ausflug nach
Wien in Aussicht. Dort will Kamwo-
rors Trainingspartner Eliud Kipchoge,
Olympiasieger und Besitzer des Mara-
thon-Weltrekords von 2:01:39 Stun-
den, auf einem Rundkurs zwischen
Donau und Prater die Marathon-Di-
stanz in weniger als zwei Stunden hin-
ter sich bringen. Dabei werden zu sei-
ner Unterstützung die besten Tempo-
macher der Welt ein- und ausgewech-
selt. Wer wollte bezweifeln, dass Kam-
woror zu ihnen gehört? Selbstver-
ständlich wird auch dieser Einsatz,
der gut ins Training passt, sehr ordent-
lich bezahlt, einschließlich Erfolgsprä-
mie.
Mit der Entscheidung, nach den
10 000 auch die 5000 Meter aus dem
Kernprogramm der Diamond League
zu streichen, stärkt der Weltverband
weiter den Straßenlauf. Dort verbin-
den sich im Wettbewerb der Veran-
stalter großes Interesse des Publi-
kums mit generösem Einsatz von
Sponsoren und leidenschaftlichem
Engagement von Millionen Hobbyläu-
fern.
Im Vergleich dazu wiegt der ideelle
Wert einer Goldmedaille nicht viel,
insbesondere nicht für Athleten, die
sich wie selbständige Unternehmer,
besser: wie Markenartikel verkaufen.
Kamworor erinnerte nach seinem
jüngsten Sieg daran, dass Kenia seit
achtzehn Jahren auf einen Weltmeis-
ter über 10 000 Meter warte – seit
Charles Kamathi, der in Edmonton
2001 siegte. Und er wünschte
U-20-Weltmeister Rhonex Kipruto,
dem er auf der Zielgeraden davonge-
spurtet war, viel Erfolg bei dem Ver-
such, den überfälligen Titel zu gewin-
nen.
Man muss Kamworor nicht vorwer-
fen, dass er dem Geld nachjage. Man
kann ihn auch dafür bewundern, dass
er in die Fußstapfen von Kipchoge zu
treten scheint. Der wurde zwar 2003
in Paris Weltmeister über 5000 Meter.
Doch zum Multimillionär machten
ihn seine Siege auf der Straße.
Wege zum Ruhm, Straße zum Geld
Von Michael Reinsch
GruppeE
FC Liverpool
SSC Neapel
Red Bull Salzburg
KRC Genk
GruppeG
FC Zenit St. Petersburg
Benfica Lissabon
Olympique Lyon
RB Leipzig
GruppeA
Paris St. Germain
Real Madrid
FC Brügge KV
Galatasaray Istanbul
GruppeC
Manchester City
Schachtjor Donezk
Dinamo Zagreb
Atalanta Bergamo
FRANKFURT. Jennifer Geerties wirkt auf
den ersten Blick zartbesaitet, fast zerbrech-
lich. Doch der Eindruck täuscht. Die 25
Jahre alte Außenangreiferin des deut-
schen Volleyball-Nationalteams verfügt
über viel Power und einen mächtigen Arm-
zug, den sie bei der Europameisterschaft
dieser Tage schon häufig und äußerst ef-
fektiv einsetzte. „Punktemaschine“ nann-
te sie Nationaltrainer Felix Koslowski
nach dem Schlüsselspiel gegen EM-Gast-
geber Slowakei – einem mit 3:1 Sätzen ge-
wonnen Kraftakt, zu dem Gerties 21 Punk-
te beisteuerte. Durch den Sieg gegen die
Slowaken bestätigten die „Schmetterlin-
ge“, wie sich die deutschen Volleyball-
Frauen nennen, ihren Überraschungs-
coup gegen Rekord-Europameister Russ-
land vom Tag zuvor. Ein 3:0 gegen Weiß-
russland am Mittwoch rundete die makel-
lose Vorrunde mit fünf Siegen in fünf Spie-
len ab. „Wir sind in einem kleinen Flow“,
sagte Jennifer Geerties über den Durch-
marsch ihres Teams in Gruppe D. „Den
wollen wir uns noch eine Weile erhalten.“
Was aber gar nicht so einfach ist. Denn
nun haben die bisher dauerbeschäftigten
Spielerinnen erst mal drei freie Tage zu
überbrücken, ehe sie am Sonntag zum
Achtelfinale antreten dürfen. Als Grup-
pensieger treffen sie auf den Vierten der
Gruppe B, Slowenien. Eine machbare Auf-
gabe, so viel steht fest. Doch noch ist un-
klar, ob die Deutschen weiter in Bratislava
spielen dürfen oder nach Lodz reisen müs-
sen. Das liegt an den komplizierten Regu-
larien des in vier Ländern ausgetragenen
Kontinentalturniers. Eigentlich würde der
Vorrunden-Erste das Vorrecht genießen,
an seinem Spielort verweilen zu dürfen.
Doch da die Gastgebernationen, darunter
Slowakei und Polen, ebenfalls Heimrecht
in der ersten K.-o.-Runde zugesichert be-
kamen – unabhängig von ihrer Gruppen-
Plazierung – könnte es sein, dass Freitag-
früh für die Deutschen noch ein Reiseauf-
ruf Richtung Lodz erfolgt. „Fair ist das
nicht“, meint Geerties über dieses Organi-
sationsmodell, lässt sich davon aber nicht
die Laune verderben. „Noch hat mir kei-
ner gesagt, dass ich die Tasche packen
muss.“ Die beiden Spielorte sind 600 Kilo-
meter voneinander entfernt, doch auch
Trainer Koslowski geht das Problem prag-
matisch an. „Am Freitag steht Krafttrai-
ning auf dem Programm“, kündigt er an.
Einerlei, an welchem Ort.
Den Donnerstag genossen seine Spiele-
rinnen, „vor allem zum Regenerieren“,
was nach Aussage von Jennifer Geerties
nach den harten Spielen auch dringend nö-
tig gewesen sei: „Den Tag brauchten wir
zum Runterkommen.“ Viel „Action“, so
die BWL-Studentin, „macht man da
nicht.“ Maximal ins Schwimmbad gehen,
ansonsten steht Körperpflege und Physio-
therapie auf dem Plan. Die 1,86 Meter gro-
ße Geerties hat gelernt, mit ihrem Körper
sehr behutsam umzugehen. Schon mit 18
erlitt sie einen Bandscheibenvorfall, und
nachdem die konservative Behandlung
nicht anschlug, drohte ihr bereits das Kar-
riere-Aus, bevor ihre Volleyball-Laufbahn
richtig angefangen hatte. Sie konnte da-
mals weder schmerzfrei liegen noch sit-
zen, geschweige denn schmettern oder
baggern. Ihre Abiturarbeiten schrieb sie
im Stehen. Und dann entschied sie sich
schweren Herzens für eine Operation. Die
Notlösung entpuppte sich als Erlösung.
Seitdem plagen sie keine Schmerzen
mehr. Und ihre Karriere nahm richtig
Fahrt auf: Schon ein Jahr danach wurde
Geerties als „Küken“ für den EM-Kader
nominiert, hatte ihren Anteil am Silberme-
daillengewinn 2013 im eigenen Land. „Da-
mals haben sie sehr auf mich aufgepasst“,
dankt Jennifer Geerties noch immer dem
behutsamen Aufbauprogramm des Trai-
nerteams, zu dem auch Koslowski als As-
sistent des damaligen Bundestrainers Gio-
vanni Guidetti gehörte.
Guidetti schwärmte schon 2013 von
der jungen Annahme- und Außenspiele-
rin: „Jenny hat eine super Technik und
sehr viel Ballgefühl. Jetzt muss sie noch
eine Athletin werden.“ Sie konzentrierte
sich zunächst auf ihre Defensivaufgaben,
war vor allem als Annahmespielerin eine
sichere Bank. Doch mittlerweile zeigt sie
unübersehbare Stärken im Angriff, wie
ihre Bilanz von 68 Punkten bei dieser EM
unterstreicht. Im deutschen Team punkte-
te nur Louisa Lippmann (77) häufiger.
„Es entwickelt sich gut“, sagt Geerties
über ihre zunehmende Gefährlichkeit.
Das von Koslowski propagierte und von
den deutschen Frauen bislang nahezu
perfekt umgesetzte „schnelle“ Spiel
kommt der Rechtshänderin zugute. Da-
durch öffnen sich ihr häufiger Lücken im
gegnerischen Block, die sie auszunutzen
weiß.
Um dies Entwicklung weiter voranzu-
treiben, wagt sie nach der Europameister-
schaft den Wechsel vom Schweriner SC
zum Champions-League-Finalteilneh-
mer Imoco Volley Conegliano nach Ita-
lien. Auch Heim- und Nationaltrainer
Koslowski hat ihr dazu geraten, denn er
weiß, dass er seine besten Spielerinnen
loslassen muss, um sie auf noch höhe-
rem Leistungsniveau zurückzubekom-
men. ACHIM DREIS
GruppeF
FC Barcelona
Borussia Dortmund
Inter Mailand
Slavia Prag
GruppeH
FC Chelsea
Ajax Amsterdam
FC Valencia
OSC Lille
GruppeB
Bayern München
Tottenham Hotspur
Olympiakos Piräus
Roter Stern Belgrad
GruppeD
Juventus Turin
Atletico Madrid
Bayer 04 Leverkusen
Lokomotive Moskau
Alles im Blick:Jennifer Geerties
ist stark in der Annahme und
stark im Angriff. Foto Imago
FRANKFURT. Im Fußball geht es zuwei-
len nicht nur auf dem Platz schnell zur Sa-
che – auch Stimmungslagen verändern
sich mitunter rasend. Vor einem Jahr hat-
te sich der deutsche Fußballhimmel ur-
plötzlich verdunkelt, und was eben noch
rosarot erschienen war, wechselte nach
dem blutleeren und in vielen Momenten
arg überheblichen Auftritten der WM-
Reisegruppe des Deutschen Fußball-
Bundes (DFB) in ein tiefes Schwarz.
Nichts war es geworden mit dem Bestre-
ben, wieder den Maßstab zu setzen für
andere Nationen, stattdessen schien der
deutsche Fußball den Anschluss verpasst
zu haben, weil er ein wenig veraltet und
verstaubt dahergekommen war.
Dass danach sofort erkannt worden
war, was nun am besten zu tun sei, um
diese Malaise zu beenden, wird im Nach-
hinein niemand ernsthaft behaupten –
es dauerte ein wenig, es war noch ein Ab-
stieg in der Nations League nötig, ehe
der Umbruch und die Verjüngung des
Teams mit allen Risiken und auch harten
Entscheidungen angegangen wurde.
Und diesen einmal eingeschlagenen
Weg geht Bundestrainer Joachim Löw
nun vor den beiden EM-Qualifikations-
spielen am 6. September in Hamburg ge-
gen die Niederlande und am 9. Septem-
ber in Belfast gegen Nordirland weiter.
Der Löw des Vorjahres hätte vielleicht
Kevin Volland ins DFB-Team zurückge-
holt, da durch den Kreuzbandriss von Le-
roy Sané ein Platz im Angriff frei gewor-
den war und der 27 Jahre alte Leverkuse-
ner in der Bundesliga sehr verlässlich auf
hohem Niveau agiert. Doch nun, da die
Verjüngung einmal begonnen hat, wird
sie auch nicht aufgehalten: Erstmals no-
miniert ist der Freiburger Luca Wald-
schmidt, der erfolgreichste Torschütze
bei der U-21-EM und immerhin vier Jah-
re jünger als Volland. Viel Mut, dass sich
da noch einmal ein Türchen öffnen wird,
machte Löw dem Leverkusener in diplo-
matischer Freundlichkeit nicht: „Ich
weiß, was Kevin Volland kann und was
er nicht kann. Er war ja schon bei uns.“
Übersetzt müsste das ungefähr heißen:
Ein guter Mann, aber das wird für Welt-
klasseniveau perspektivisch nicht rei-
chen.
Da will das deutsche Team schließlich
wieder hin, die dunklen Wolken sind
längst verzogen, und nicht nur der Bun-
destrainer, der die letzten beiden Länder-
spiele vor der Sommerpause nach einem
kleinen Missgeschick im Fitnessstudio
vom Krankenbett verfolgen musste, prä-
sentiert sich locker und gelöst. Die aktu-
elle Aufbruchstimmung erinnert Löw an
jene Atmosphäre, die von der WM-
Mannschaft des Jahres 2010 ausgegan-
gen war, die damals nach dem Ausfall
des Kapitäns Michael Ballack eine neue
Hierarchie bekommen hatte. Das war
ein Notfall gewesen, und so etwas Ähnli-
ches wie ein einziger Notfall war auch
diese WM im vergangenen Jahr, als es
hinten und vorne nicht stimmte rund um
das gesamte Team.
„Der Spirit ist sehr gut“, sagt Löw, es
sei zu spüren, dass „die Spieler Bock
darauf haben, in den nächsten Jahren
erfolgreich zu sein“. Das hatte sich zu-
letzt in deutlich mehr Spielfreude be-
merkbar gemacht – zumindest ließ sich
wieder so etwas wie Spaß erkennen, da
könnte sich bis zur EM-Endrunde also
noch einiges entwickeln. „Wir haben
viele hochtalentierte Spieler“, sagt
Löw – etwa Kai Havertz, in den Planun-
gen des Bundestrainers sicher einer der
Schlüsselspieler der kommenden Jah-
re. Das ist mittlerweile auch Leroy
Sané, vor der WM noch nicht reif ge-
nug, nun als prägende Figur anerkannt.
„Die Operation ist sehr gut verlaufen“,
sagt Löw, nun müsse man den Heilungs-
prozess abwarten. Und so ähnlich ist
das ja auch bei der Nationalmann-
schaft, für die auch Emre Can dank sei-
ner in Nordirland vermutlich benötig-
ten Wucht wieder berücksichtigt wor-
den ist. PETER PENDERS
Der deutsche Kader
Torhüter:Bernd Leno (FC Arsenal), Manuel
Neuer (FC Bayern München), Marc-André ter
Stegen (FC Barcelona).
Abwehr:Matthias Ginter (Borussia Mönchenglad-
bach), Marcel Halstenberg (RB Leipzig), Lukas
Klostermann (RB Leipzig), Nico Schulz (Borussia
Dortmund), Niklas Stark (Hertha BSC), Niklas Süle
(FC Bayern München), Jonathan Tah (Bayer Lever-
kusen).
Mittelfeld:Julian Brandt (Borussia Dortmund),
Emre Can (Juventus Turin), Leon Goretzka
(FC Bayern München), Serge Gnabry (FC Bayern
München), Ilkay Gündogan (Manchester City),
Kai Havertz (Bayer Leverkusen), Jonas Hector
(1. FC Köln), Joshua Kimmich (FC Bayern
München), Toni Kroos (Real Madrid), Marco Reus
(Borussia Dortmund).
Angriff:Timo Werner (RB Leipzig), Luca Wald-
schmidt (SC Freiburg).
S
tatusfragen klären sich im Profi-
fußball schon längst nicht mehr
allein mit Blick auf die Tabelle.
Nach zwei Spielen und zwei Sie-
gen steht RB Leipzig hinter Bo-
russia Dortmund auf Platz zwei und kann
an diesem Freitagabend mit einem Erfolg
im Auswärtsspiel in Mönchengladbach zu-
mindest für den Moment die Tabellenfüh-
rung vor Borussia Dortmund in der Bun-
desliga übernehmen. Das ist für die neun-
zig Minuten auch das Ziel von RB Leipzig
und Trainer Julian Nagelsmann. Es wäre
ein perfekter Start. Den weit größeren Sta-
tusgewinn in der noch jungen Saison hat
der Klub allerdings schon am vergange-
nen Sonntag eingefahren, auf dem Trans-
fermarkt. Dort, wo sich die Machtverhält-
nisse wie in einer Nahrungskette ablesen
lassen. Oben frisst unten. Und nur wer
ganz oben steht, ist sicher vor der hungri-
gen Konkurrenz. Die überraschende Ver-
tragsverlängerung mit Timo Werner, der
Ende vergangenen Jahres schon als künfti-
ger Bayern-Profi gehandelt wurde, ist of-
fensichtlicher Beleg für die veränderte
Leipziger Stellung im Kampf ums Fressen
und Gefressenwerden. Und genau so woll-
te RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff
die Vertragsverlängerung Werners bis
zum Sommer 2023 auch verstanden wis-
sen. Er sagte es nur appetitlicher: „Das ist
ein klares Signal, dass wir kein Ausbil-
dungsverein sind.“
Man erinnere sich: Als sich Borussia
Dortmund zu Beginn dieser Dekade aus
den Trümmern seiner finanziellen Aben-
teuer wie aus dem Nichts auf den Bundesli-
ga-Thron geschwungen hatte, fehlte dem
BVB nach den Meisterschaften die finan-
zielle Kraft, um seine besten Spieler zu hal-
ten. Erst ging Mario Götze, dann Robert
Lewandowski. Die Bayern hatten den
Dortmunder Aufschwung damit gestoppt.
Dass die Bayern des Jahres 2019 gegen-
über RB Leipzig den gleichen Ehrgeiz
beim Shopping an den Tag gelegt haben,
liegt auf der Hand. Timo Werner ist auch
kein früher Götze und (noch) kein Lewan-
dowski. Aber Leipzig machte durch seine
Hartnäckigkeit und die vertragliche Voll-
zugsmeldung deutlich, dass die Sachsen
ähnliche oder im Einzelfall auch schon die-
selben Möglichkeiten haben, Gehälter wie
Bayern und Dortmund zu finanzieren. Ein
Ausbildungsverein ist Leipzig offenkun-
dig nur nach seinem sportlichen Selbstver-
ständnis, junge Spieler zu entwickeln,
aber nicht mehr aus finanzieller Begren-
zung. Joshua Kimmich hatte Leipzig noch
vor einigen Jahren nach München ziehen
lassen müssen, mit der Faust in der Ta-
sche.
Der Werner-Deal hat in Leipzig jeden-
falls nur Gewinner hinterlassen: den Klub
und den Spieler. Werner, der ohne Ver-
tragsverlängerung im kommenden Som-
mer den Verein ablösefrei hätte verlassen
können, stieg in den Kreis der deutschen
Topverdiener auf. Es ist die Rede von sie-
ben Millionen Euro Jahresgehalt. Und
ebenso von einer Ausstiegsklausel mit fest-
geschriebener Ablösesumme, die laut „Ki-
cker“ bei 30 Millionen Euro liegen soll.
Nach anderen Informationen soll sie der
Laufzeit des Vertrags angepasst sein, zwi-
schen 60 Millionen (nach dieser Saison)
bis auf 30 Millionen Euro. In jedem Fall
geht Leipzig damit nicht sein Geschäfts-
prinzip flöten: junge Spieler einkaufen,
entwickeln und ihren Wert steigern. Wer-
ners Marktwert wird derzeit auf 65 Millio-
nen Euro taxiert, gekauft hatte ihn Leip-
zig vor drei Jahren für 14 Millionen Euro
vom VfB Stuttgart – geliefert hat er, neben
dem finanziellen Mehrwert, bisher 63
Pflichtspieltore in 117 Einsätzen. In allen
drei Spielzeiten war er der erfolgreichste
Leipziger Torschütze mit 21, 14 und 16
Treffern. Auch in dieser Saison liegt er im
internen Leipziger Ranking mit zwei To-
ren in zwei Spielen an der Spitze.
Die Erleichterung, sich Klarheit über
seine sportliche Zukunft verschafft zu ha-
ben, war Werner am Sonntag nach mona-
telangen Verhandlungen anzumerken.
Der Stadionsprecher hatte die Vertragsver-
längerung kurz vor dem Anpfiff gegen Ein-
tracht Frankfurt verkündet, Werner war
diese öffentliche Inszenierung gar nicht so
recht. „Ich wollte meinen Mannschaftska-
meraden eine weitere Timo-Werner-Num-
mer ersparen. Die Jungs haben zuletzt
eine Menge mitgemacht. Bleibt er, geht er,
was verdient er, wer will ihn haben? Jetzt
ist hoffentlich Ruhe an dieser Front“, sag-
te Werner in einem Interview mit der
„Leipziger Volkszeitung“. Über die Höhe
der Summe in seiner Ausstiegsklausel
machte er keine Angaben.
Unter dem neuen Trainer Nagelsmann
will der 23 Jahre alte Stürmer nun in Leip-
zig den nächsten Schritt in seiner Entwick-
lung machen. Vor allem der erste Ballkon-
takt in seinem Spiel sei noch „ausbaufä-
hig“, so Werner. Zudem müsse er „noch
präsenter sein, mehr Bälle sichern“. Wer-
ner orientiert sich dabei an Lewandowski.
„Er war mit 22, 23 auch noch nicht so weit
wie jetzt“, sagt der deutsche Nationalspie-
ler über den 31 Jahre alten Polen. „Robert
ist ein fantastischer Spieler, kann und hat
alles. Und er ist immer hungrig geblieben.
Wenn er nach 85 Minuten drei Tore ge-
schossen hat, geht er nicht raus, um sich
Applaus abzuholen. Er macht weiter, will
die vierte Bude machen“, sagt Werner.
„Da will ich hin.“
Bundesliga, 3. Spieltag:Borussia Mönchen-
gladbach – RB Leipzig (20.30 Uhr).
Zweite Bundesliga, 5. Spieltag:1. FC Nürn-
berg – 1. FC Heidenheim, SV Sandhausen – SV
Darmstadt 98 (beide 18.30 Uhr).
MONACO (dpa). Wieder ein engli-
scher Konkurrent für den FC Bayern,
aber der FC Barcelona und Inter Mai-
land als Top-Gegner für Borussia Dort-
mund und richtige Kracher auch für
Bayer Leverkusen: Die Bundesliga-
klubs haben für die Gruppenphase der
Fußball-Königsklasse attraktive und
schwere Lose erwischt. Die Münchner
bekommen es in der Gruppe B mit Vor-
jahresfinalteilnehmer Tottenham Hot-
spur, dem griechischen Meister Olym-
piakos Piräus und Roter Stern Belgrad
um den ehemaligen Nationalspieler
Marko Marin zu tun. Die Bayern dürf-
ten in dieser Konstellation eindeutiger
Favorit auf den Einzug in die K.o.-Run-
de sein.
Borussia Dortmund erwischte es hin-
gegen richtig hart. Der BVB muss sich
in Gruppe F gleich mit Lionel Messis
FC Barcelona sowie Inter Mailand und
Slavia Prag messen. Bayer Leverkusen
steht in der Gruppe D ebenfalls vor ho-
hen Hürden. Juventus Turin mit Super-
star Cristiano Ronaldo und dem ehema-
ligen deutschen Nationalspieler Sami
Khedira, Atlético Madrid und Lokomo-
tive Moskau mit dem früheren deut-
schen Weltmeister Benedikt Höwedes
sind die Konkurrenten für das Team
von Trainer Peter Bosz. RB Leipzig
spielt in der wohl ausgeglichensten
Gruppe G mit Zenit St. Petersburg, Ben-
fica Lissabon und Olympique Lyon und
darf sich gute Chancen auf das Errei-
chen der K.o.-Runde ausrechnen.
Das tun natürlich vor allem die Bay-
ern. „Wir wollen mehr erreichen als
letztes Jahr, das ist die Aufgabe“, sagte
Bayern-Trainer Niko Kovac. Die Bun-
desligaklubs wollen alle Wiedergutma-
chung für die kollektiv miserable Kö-
nigsklassen-Bilanz in der Vorsaison.
Die Münchner waren gegen Liverpool
wie Dortmund gegen Tottenham und
Schalke gegen Manchester City schon
im Achtelfinale ausgeschieden. 1899
Hoffenheim hatte nicht einmal die
Gruppenphase überstanden. Die ers-
ten Partien der neuen Champions-Lea-
gue-Saison finden am 17. und 18. Sep-
tember statt. Letzter Gruppenspieltag
ist am 10. und 11. Dezember.
Punktemaschine mit Ballgefühl
Jennifer Geerties spielt bei der Volleyball-Europameisterschaft mit durchschlagendem Erfolg
Leverkusen
und BVB ohne
Losglück
Champions League: Beide
mit schweren Gegnern
Verjüngungskurs hält an
Löw nominiert erstmals Luca Waldschmidt
Luca Waldschmidt Foto dpa
Nur Leipziger Gewinner
Modus: Gruppen-1. und 2. im Achtelfinale; 3. in der
Europa League/1/16-Finale
Fußball am Freitag
Laufen auf Rechnung
Die Vertragsverlänge-
rung mit Timo Werner
ist für die Sachsen ein
klares Signal: „Wir sind
kein Ausbildungsklub.“
Von Michael Horeni,
Berlin
Aufstieg in den Kreis der deutschen Topverdiener:Nationalspieler Timo Werner Foto AFP