Handelsblatt - 30.08.2019 - 01.09.2019

(Jeff_L) #1
Deshalb lockerte die FCA im Jahr 2013 die Li-
zenzvergabe, was die Gründung von Firmen wie
Starling erst ermöglichte. Sie gestattete es Fin-
tech-Banken, die notwendigen Genehmigungen
Schritt für Schritt zu bekommen. Seit 2016 lässt
die FCA zudem Experimente mit innovativen
Finanzprodukten zu: Zwei Mal im Jahre dürfen
jeweils rund zwei Dutzend Unternehmen ihren
Kund*innen testweise neue Produkte anbieten.
Läuft etwas schief, springt die FCA ein und stellt
sicher, dass ihnen kein Schaden entsteht.
Ganz im Gegenteil, die Kundschaft profitiert von
den neuen Diensten. Die Apps der Neobanks sind
denen der traditionellen Banken in Sachen Hand-
habung, Geschwindigkeit und im Funktionsum-
fang meist deutlich überlegen. Die Starling-App
etwa zeigt immer an, wie viel Geld jemand wirklich
zur Verfügung hat. Ausgaben werden sofort abge-
zogen, Nutzer*innen werden per Push-Nachricht
in Kenntnis gesetzt. Droht eine Abbuchung, das
Konto ins Minus zu drücken, wird davor ge-
warnt. In der App lassen sich zudem „Spaces“ anle-
gen, kleine Spartöpfe, in die regelmäßig per Klick
Geld eingezahlt werden kann. Die dort gebunker-
ten Beträge werden nicht im Kontostand ange-
zeigt, sind aber bei Bedarf sofort verfügbar.
Derzeit plant Sterling die Expansion. Gerade
spreche man mit den Behörden in Irland über den
Erwerb einer irischen Bankenlizenz, sagt Alexan-
dra Frean. Die würde es Starling auch nach einem
ungeregelten Brexit ermöglichen, weiter inner-
halb der EU Geschäfte zu machen. „Sobald wir
in Irland etabliert sind, werden wir nach Konti-
nentaleuropa expandieren“, sagt Frean. Geplant
seien derzeit Deutschland, Frankreich und die
Niederlande.
Ein Problem haben die Neobanken allerdings:
Sie machen Verluste. Die Gebühren sind niedrig
oder gar nicht vorhanden – und die Wechselkurse
reichen sie an die Kund*innen weiter. Deshalb
verzichten Starling oder Monzo auf Einnahmen,
von denen traditionelle Banken leben. Abhilfe
schaffen sollen neue Einnahmequellen.
So bietet Starling seine Technologie und seine
Dienste auch anderen Unternehmen an. Die kön-
nen ihren Kund*innen wiederum Bankkonten of-
ferieren, die über Starlings Systeme laufen. Sogar
andere Banken können gegen eine Gebühr auf
Starlings Systeme zugreifen und dadurch Ent-
wicklungskosten sparen. Das britische Ministeri-
um für Arbeit und Renten nutzt Starlings Techno-
logie bereits, um Zahlungen abzuwickeln. Außer-
dem finden sich in der Starling-App die Dienste
anderer Unternehmen, unter anderem ein Hypo-
thekengeber und Versicherungen. Insofern sieht
man die Verluste bei Sterling entspannt.
Man gehe derzeit davon aus, gegen Ende 2020
in die schwarzen Zahlen zu kommen. „Wir sind
eine junge Firma“, sagt Alexandra Frean. „Wir
stehen noch ganz am Anfang.“ n

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fragwürdigen Image der Branche. Banken haben
in Großbritannien keinen guten Ruf, vorsichtig
formuliert. Die Finanzkrise hat das Mutterland
des Kapitalismus weitaus härter getroffen als die
meisten anderen europäischen Staaten. Denn
britische Geldinstitute mischten zuvor gerne im
ebenso fragwürdigen wie lukrativen Geschäft mit
Subprime-Krediten mit – und stürzten das Land in
eine schwere Rezession.
Die britische Regierung pumpte damals 500 Mil-
liarden Pfund in Form von Darlehen und Bürg-
schaften in die Banken, um einen völligen Kollaps
zu verhindern, das Image gab es gratis dazu: Eine
Umfrage des Meinungsforschungsinstituts You-
Gov kam im vergangenen Jahr in Groß britannien
zu dem Schluss, dass 66 Prozent der Bürger*innen
daran zweifeln, dass Banken „im besten Interesse
der Gesellschaft“ handeln.
Insofern traf Bodens Bedürfnis nach Verände-
rung einen Nerv. Mitte 2016 erhielt Starling von
der Bankenaufsicht eine eingeschränkte Lizenz,
die ersten Testkonten gingen online. Das Team ar-
beitete weiter am Aufbau der internen Systeme
und der App als Herzstück. Mitte 2017 erteilte die
Aufsicht Starling eine volle Banklizenz.

Bewusste Unterstützung
In vielen anderen Ländern ist der Gesetzgeber bei
der Disruption der Bankbranche nicht gerade eine
tragende Stütze, in Großbritannien hingegen
fördert der Staat die Neobanks ganz bewusst. Die
Finanzregulierungsbehörde FCA unterstützt den
Einstieg von Neuankömmlingen gezielt – denn sie
versteht sich nicht nur als Kontrollbehörde, son-
dern auch als Förderer des Wettbewerbs. „Des-
halb hat uns die FCA auch so geholfen“, sagt Star-
ling-Vorstandsmitglied Alexandra Frean. „Sie war
offenbar der Auffassung, dass Wettbewerb den
Kund*innen nützt.“

Die Behörden unter -


stützen Experimente –


und garantieren, dass


Kunden kein Schaden


entsteht


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