„Wenn wir wollen, dass der Wald wirklich
unser Klimaschutz-Mitkämpfer bleibt,
dann brauchen wir eine aktive
Waldbewirtschaftung, also langfristiges
Binden von CO 2 in Holz.“
Julia Klöckner, die Bundeslandwirtschaftsministerin hält
angesichts der Lage der deutschen Wälder und der Klimakrise
eine starke Holzwirtschaft für notwendig.
Worte des Tages
FDP
Mut statt
Angst
C
hristian Lindner hat seit Lan-
gem mal wieder einen muti-
gen Vorschlag gemacht, der
kontrovers diskutiert wird. Er will
jeder Familie 600 Euro aus dem
milliardenschweren Überschuss des
Bundes zukommen lassen. Eine
pfiffige Idee, die in den USA mit den
Steuerschecks schon mal Realität
wurde. In Deutschland greifen sich
aber selbst manche in der Wirt-
schaft an den Kopf.
Aber es ist wenigstens ein Diskus-
sionsbeitrag, der zuspitzt. Die FDP
hat im letzten Wahlkampf „Mut
statt Angst“ plakatiert. Seitdem der
Lindner-Intimus Marco Buschmann
der FDP eine Fehler-Vermeidungs-
strategie verordnete, hat man das
Gefühl, Angst ist der Ratgeber des
politisch organisierten Liberalismus
geworden.
Diese Angstspirale versucht sein
Parteivorsitzender gerade zu durch-
brechen. Endlich besetzt die FDP
das Entlastungsthema wieder the-
matisch. In einer Zeit, in der alle
anderen nur über höhere Steuern
sprechen, ist es ein kleines Licht am
Ende des Tunnels. Mehr aber nicht.
Die Steuerpolitik war mal die Do-
mäne der FDP. Jeder Funktionär bis
zum Kreisvorsitzenden konnte „ein-
fach, niedrig und gerecht“ buchsta-
bieren und wusste, was eine Flat
Tax ist. Lindner muss der FDP die-
sen Mut wieder einhauchen.
Er hatte mit dem Digitalisierungs-
thema ein Alleinstellungsmerkmal
und einen Wahlkampfschlager.
Noch hat er es nicht vermocht, die-
se Kompetenz bei den Liberalen zu
einem Großthema zu machen, wie
es den Grünen beim Klimaschutz
gelingt. Dass er in der Manier von
Guido Westerwelle die Medienver-
treter für nicht ausreichende Be-
richterstattung verantwortlich
macht, ist wohlfeil. Er hat bewusst
den steinigen Weg der Opposition
gewählt. Da schafft man es eben
nicht mit einem Digitalmonitor auf
die Titelseiten. Die freche Start-up-
Attitüde hat sich abgenutzt.
Die FDP hat bei den Ostwahlen
die Chance, in alle drei Landtage
zurückzukehren. Danach muss die
Partei eine mutige Wachstumsstra-
tegie fahren – für Deutschland und
für sich selbst.
Die FDP braucht mehr innovative
Ideen. Die Vermeidung von
Fehlern reicht nicht,
meint Thomas Sigmund.
Der Autor ist Leiter des
Hauptstadtbüros.
Sie erreichen ihn unter:
[email protected]
D
ie gute Nachricht zuerst: Es gibt keine
Neuwahlen in Italien, und Lega-Chef
Matteo Salvini geht in die Opposition.
Eine langwierige politische Krise, die
das Land zum falschen Zeitpunkt auf
Wochen gelähmt hätte, ist zunächst abgewendet.
Und es sieht nach den ersten Erklärungen des neuen
und alten Premiers Giuseppe Conte danach aus, dass
sich die kommende Regierung um die realen Proble-
me Italiens kümmert. Die Populistenregierung, die
nicht viel länger als ein Jahr gehalten hat, hatte sich
nur durch interne Streitereien und einen Dauer-
wahlkampf ausgezeichnet. Der Bruch der Koalition
begann bei der Europawahl, als Lega und Fünf Ster-
ne gegeneinander antraten.
Das italienische Politik-Experiment ist an der Wirk-
lichkeit gescheitert, das Gespenst des Populismus ge-
bannt. Ganz Europa atmet auf, dass Salvini, der die
Krise losgetreten hatte, seine fremdenfeindliche
Law-and-Order-Politik als Innenminister nun nicht
mehr fortsetzen kann. Er ist der Verlierer. Und mit
seinem Abgang ist auch das Thema Austritt aus dem
Euro vom Tisch. Denn darüber wurde zwar offiziell
nicht mehr in Rom geredet, doch entsprechende Plä-
ne waren stets präsent in den Schubladen der Lega-
Ideologen, die auch an der Entmachtung der Noten-
bank gefeilt hatten. Die haben nun glücklicherweise
nichts mehr zu sagen.
Und es gibt eine weitere gute Nachricht: Die Prä-
senz der sozialdemokratischen PD in der neuen
Koalition ist ein Garant für das Bekenntnis Italiens
zu Europa. Auch das war nicht mehr selbstver -
ständlich gewesen mit der Lega. Überhaupt: Au-
ßenpolitik fand im letzten Jahr nicht statt, stattdes-
sen ein rigoroser Alleingang Roms in der
Flüchtlings politik.
Die PD bringt Regierungserfahrung und Verant-
wortung mit ins neue Bündnis. Dafür stehen Namen
wie der des Ex-Premiers Paolo Gentiloni. Die Bewe-
gung Fünf Sterne dagegen muss jetzt zeigen, dass sie
zur ernst zu nehmenden und berechenbaren politi-
schen Kraft wird. Noch steht die Basis nicht ge-
schlossen hinter Parteichef Luigi Di Maio.
Damit ist das Reservoir an positiven News er-
schöpft. Es ist zu früh, um Entwarnung zu geben –
aus vielen Gründen. Nicht weil die neue Koalitions-
regierung noch nicht steht. Das Personalgeschacher
wird in ein paar Tagen enden, die Ministerposten
werden paritätisch besetzt sein, und es wird ein Pro-
gramm stehen, das Italien so schnell wie möglich aus
der Krise bringt. Das kündete Conte jedenfalls als
Erstes an, nachdem er den Auftrag zur Regierungs-
bildung angenommen hatte.
Die ökonomischen Probleme Italiens bleiben be-
stehen: die chronische Wachstumsschwäche, die
schwache Industrieproduktion, die Jugendarbeitslo-
sigkeit, die hohen Lohnnebenkosten, das langsame
Justizsystem, die überbordende Bürokratie, die ma-
roden Infrastrukturen, die Steuerflucht, Korruption
und die organisierte Kriminalität. Sie bestehen seit
Jahren, und verbessert hat sich hier nichts. Dazu
kommen die nicht zu bremsende horrende Staats-
verschuldung und zuletzt auch ein äußerst laxer Um-
gang mit den schließlich auch von Italien seinerzeit
mitgetragenen Haushaltskriterien innerhalb der EU.
Die Vorschusslorbeeren der Finanzmärkte, die
positiv auf die politische Entwicklung in Rom rea-
giert haben, sind ein gutes Zeichen. Die Investoren
schauen gelassen auf Italien – noch. Aber eine
Schonzeit wird diese neue Regierung nicht haben.
Sie muss zunächst schnell einen Haushaltsentwurf
für 2020 vorlegen. Darin muss stehen, wie die auto-
matische Erhöhung der Mehrwertsteuer durch ande-
re Sparmaßnahmen verhindert werden kann. Bis
jetzt hat es keine überzeugenden Zahlen aus Rom ge-
geben.
Conte, in einem Jahr vom Juraprofessor zum Poli-
tiker gereift, will das Land wettbewerbsfähig ma-
chen und auf Wachstumskurs bringen, das waren
seine ersten Worte. So sollen alle Steuern zahlen,
aber weniger. Doch er trägt an einer schweren Hypo-
thek, schon bevor er startet. Denn ein Sanierungs-
programm für Italien ist mit Einschnitten verbunden
und steht im krassen Gegensatz zur ausgabefreudi-
gen Politik der Populisten, die schließlich auch er
vertreten hat.
Sparen ist nicht beliebt beim Volk. Darin liegt die
größte Gefahr für die künftige politische Stabilität
Italiens. Auch wenn die Zustimmung zu Salvini in
den letzten Tagen gesunken ist, so stehen viele Italie-
ner weiterhin hinter ihm und seinen großmäuligen
Versprechen. Seine Rentenreform, die Herabsetzung
des Rentenalters, war ein großer Erfolg der Lega. Be-
vor Salvini die Krise vor drei Wochen auslöste, hatte
er großzügige Steuersenkungen versprochen. Die
Gegenfinanzierung spielt in seinem Politikverständ-
nis keine Rolle, das Wort Haushaltsdisziplin existiert
in seinem Sprachgebrauch nicht. Seit heute ist er
zwar in der Opposition, aber wieder im Wahlkampf.
Alles hängt vom Haltbarkeitsdatum der 66. Nach-
kriegsregierung ab. Scheitert sie schnell, fällt Italien
noch viel weiter zurück als bisher.
Leitartikel
Keine
Entwarnung
Eine neue
Regierung in Rom
ist ein gutes
Signal für die
Stabilität des
Landes, aber
keine Garantie
für eine
Überwindung der
Krise, meint
Regina Krieger.
Sparen ist nicht
beliebt beim
Volk. Darin liegt
die größte
Gefahr für die
künftige
politische
Stabilität
Italiens.
Die Autorin ist Korrespondentin in Italien.
Sie erreichen sie unter:
[email protected]
Meinung
& Analyse
(^14) WOCHENENDE 30./31. AUGUST / 1. SEPTEMBER 2019, NR. 167
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