Handelsblatt - 30.08.2019 - 01.09.2019

(Jeff_L) #1
Markus Fasse München

E


ine gewisse Vorfreude ist Reiner Wink-
ler anzumerken. Seit Wochen vergleicht
der Chef des Triebwerksherstellers
MTU Aero Engines Börsenwerte und
Handelsvolumen. Was als vage Hoff-
nung begann, wird nun mit jedem Tag konkreter.
Stimmen die Berechnungen von Investoren und
Analysten, dann steht der Münchener Technologie-
konzern kurz vor einem großen Ziel – der Aufnahme
in den Kreis der Dax-30-Unternehmen. „Ein solcher
Schritt würde unsere Sichtbarkeit deutlich erhöhen,
insbesondere international“, sagt Winkler im Ge-
spräch mit dem Handelsblatt. „Wir versprechen uns
natürlich auch etwas mehr Prestige.“
Fast unbemerkt, aber stetig hat sich MTU vom
kleinen Komponentenhersteller zu einem Global
Player der Luftfahrtindustrie entwickelt. Heute
steckt in jedem dritten Passagierjet auf der Welt
Triebwerkstechnik aus München. Weltweit unterhält
MTU zudem ein breites Netz aus Service- und War-
tungsstationen.
Und während die deutsche Industrie über schwin-
dende Aufträge klagt, eröffnet MTU Produktionswer-
ke und Standorte für die Wartung von Flugzeugtur-
binen. „Wir sehen bis heute keine wirkliche Trend-
wende in der Luftfahrt“, sagt Winkler. Der weltweite
Luftfahrtmarkt werde auch weiter mit vier bis fünf
Prozent pro Jahr wachsen. MTU erwarte auch mittel-
fristig „nachhaltiges Unternehmenswachstum“.
Flugzeugtriebwerke haben seit Jahren Konjunk-
tur. Das weltweite Duopol aus Airbus und Boeing
hat rund 14 000 Maschinen in den Auftragsbüchern.
Damit ist die Branche rechnerisch für acht Jahre aus-
gelastet. Haben sich die Airlines für ein Flugzeug
entschieden, bestellen sie anschließend die Trieb-
werke. Anders als General Electric, Rolls-Royce und
Pratt & Whitney entwickelt MTU zwar keine kom-
pletten Triebwerke. Aber mit Spezialkomponenten
wie Niederdruckturbinen und Hochdruckverdich-
tern sind die Münchener bei allen Flugzeugtypen
vertreten. MTU übernimmt nicht nur zentrale Ent-
wicklungen, sondern auch einen Teil der finanziel-
len Risiken für die Systemanbieter. Abgerundet wird
das Geschäftsmodell durch den lukrativen Verkauf
von Ersatzteilen und Wartungsverträgen, die bei
steigenden Auslieferungszahlen proportional mit-
wachsen. Hinzu kommt ein stabiles Militärgeschäft
mit Triebwerken für den Eurofighter, den Transpor-
ter A400M und das jüngst vereinbarte europäische
Kampfflugzeug FCAS.
Die ehemalige Daimler-Tochter ist seit 2005 an
der Börse, seitdem im MDax notiert. 4,6 Milliarden
Euro Umsatz erzielte MTU 2018, die Ebit-Marge lag
bei 14,7 Prozent. In diesem Jahr soll der Wert weiter
steigen, erst Ende Juli hat der Konzern die Prognose
für die Ebit-Marge auf 16 Prozent angehoben.

Die Kunden wollen Pauschalpreise
Die Münchener profitieren vom Aufstieg von Airbus
und der Beteiligung an den Triebwerken für den
Bestseller A320. Denn an jedem Triebwerk hängen
ein Wartungsvertrag und ein Ersatzteilgeschäft, bei-
des bietet MTU aus einer Hand. Dieses bislang blü-
hende Geschäftsmodell wird von den Kunden je-
doch zunehmend unterlaufen. Anders als früher
wollen die Airlines nicht mehr jedes Einzelteil in
Rechnung gestellt bekommen. „Heute zahlen die
Kunden meist eine feste Rate für jede Flugstunde“,
sagt Winkler. Bei diesem „Verfügbarkeitsmodell“ ga-
rantiert MTU für eine Pauschale die Einsatzfähigkeit
des Triebwerks, der Gewinn liegt in der Optimie-
rung der eigenen Kostenstruktur.
Hier steht man im Wettbewerb mit Lufthansa
Technik oder dem US-Anbieter Standard Aero. Auch
deshalb hat die MTU jüngst einen Standort in Ser-
bien angekündigt, der deutlich günstiger arbeiten
soll als die Instandhaltung in Hannover und Lud-
wigsfelde. In China ist MTU im Joint Venture mit Chi-
na Southern Marktführer in der Instandhaltung von
Triebwerken. Sorgen um ihre Jobs müssen sich die
deutschen Beschäftigten dennoch nicht machen:
„In Deutschland sind wir voll ausgelastet, und wir
investieren weiter in alle Standorte“, sagt Winkler.
Das liegt auch an einer strategischen Entschei-
dung, die Winklers Vorgänger getroffen haben.

MTU verspricht


neue Schubkraft


Der Triebwerkshersteller ist auf dem Sprung in den Dax.


Konzernchef Winkler sieht sich für die Zukunft bestens gerüstet:


mit Antriebstechnik, Ersatzteilegeschäft und Wartungsverträgen.


Triebswerks-
inspektion bei
MTU: Das
Unternehmen
ist längst ein
Global Player
der Luftfahrt-
industrie.

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(^16) WOCHENENDE 30./31. AUGUST / 1. SEPTEMBER 2019, NR. 167
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