ben, wir schauen darauf wie auf Wüstenbilder, bis
alles verschwimmt.
Lieber Wilbert ich grüße Sie ich reise jetzt ab ich
glaube dass es gut wäre wenn Sie sich meiner Tochter
Golling Dagmar bei Gelegenheit annehmen könnten
sie ist vermutlich jetzt unglücklich Sie haben eine aus-
geprägte soziale Kompliziert
Kompetenz meinte ich entschuldigen sie meine
Autokorrektur sie glaubt zu Unrecht alles besser
zu wissen
Meine Tochter hat keine
Ich wünsche Ihnen beruflich und privat alles Gute
Ihr Dr Manfred Golling Ps ich freue mich Sie keiner
kennengelernt zu haben für Ihre Rücken
Rückendeckung
Rückenakne nehmen sie bitte acht Wochen lang
zweimal täglich eine Benzin
Eine Benz
Moment
Moment
benzoylperoxidhaltige Salbe
sie ist Frei
sie ist frei
sie ist frei verkäuflich
Liebe Golf
Golling verdammte Autokorrektur ich
Es ist sehr unwahrscheinlich dass ich zurückkom-
me jetzt wo ich schonmal in der Würde bin
Wüste
Wo ich schon mal da bin bleibe ich da es ist besser
ich weiß nicht wie man Satzzeichen macht es gibt ja
dieses google maps vielleicht kannst du mich ja da se-
hen in der Wüste als kleinen Fleck als kleinen Leber-
fleck der aber gutartig ist
du musst auch mal raus es wäre gut wenn du eine
wärst die nicht nur hinterherwinkt
Golling ich halte mein Telefon hoch dann kannst du
mich vielleicht sehen vielleicht mit google maps frage
mal Wilbert ob das technisch möglich ist dass man ei-
nen da sieht oder nur Geister wobei ich als Geist auch
ein seltsamer Vater sein werde es macht also keinen
erheblichen Unterschied danke dass du mich gefah-
ren hast
du kannst übrigens auch ohne mich in s Einkaufs-
zentrum fahren ich habe da was vorbereitet
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht
Jetzt nicht n
fach so spurlos wegtragen konnte?“ Mein Vater
fragte das so eindringlich, als suche er einen Zeu-
gen nicht nur für stämmigere Geräte, sondern für
sein Leben.
„Ich erinnere mich“, sagte Wilbert.
„Und wissen Sie noch Telefonzellen, Wilbert?
Wissen Sie noch, wie es darin roch? Es roch nach
abgestandenem Atem, mit dem vorgestern Sätze
gesagt worden waren, es roch nach dem kalten
Schweiß von jemandem, der vor einem in der Zelle
gewesen war und telefonisch um einen Aufschub
gebeten hatte, es roch nach allem, was nicht ge-
sagt worden war, nach Ausdünstungen von Ver-
schwiegenem, und es roch nach kaltem Rauch und
nach süßem Parfüm und nach dem Gilb der hoch-
klappbaren Telefonbücher.“
„Ich erinnere mich“, sagte Wilbert.
„Und erinnern Sie sich an die Wählscheibe?“,
fragte mein Vater, „an das Geräusch der Wähl-
scheibe? Es klang geheimnisvoll, oder? Geheimnis-
voll wie ein Fuchs im Gebüsch“, sagte mein Vater.
„Genauso klang es“, sagte Wilbert, „ich erinnere
mich“, und dann schwiegen wir eine Weile, bis Wil-
bert sich räusperte. „Herr Golling“, sagte er, „leben
Sie eigentlich im Hier und Jetzt?“
Mein Vater sagte nichts. Ich sagte auch nichts,
weil ich mich immer noch fragte, was mein Ernst
war. Wir sagten nichts im Gewimmel der anderen
Kunden, wir sagten nichts zwischen den end -
losen Geräten, bis diesmal mein Vater das
Schweigen brach. „Ich fliege morgen weg“, sagte
er, „geben Sie mir Ihre Telefonnummer?“, und ich
rechnete fest damit, dass Wilbert „Auf keinen
Fall“ sagen würde, und er sagte: „Selbstverständ-
lich.“ Mein Vater nahm ihm das Handy mit dem
angeschlagenen Display aus der Hand und öffne-
te sein Adressbuch. „Wilbert“, stand dort schon.
„Ich habe hier bereits etwas vorbereitet“, sagte
mein Vater.
Ich sitze zwischen den beiden baumelnden Tele-
fonen. Kunden über Kunden steigen über meine
Beine. Der Mitarbeiter ist losgegangen, um nicht
Wilbert, sondern den Sicherheitsdienst zu finden.
Ich sehe alles sehr verschwommen. Ich bin so mü-
de, dass sich vor meinem Blick kleine mouches vo-
lantes bilden, sie haben die Form von Wahltasten,
von halben Containern also.
Und dann, dann kommt endlich Wilbert, von
weit her, wie er immer von weit herkommt, und er
hält sein Telefon hoch, als er mich sieht, und ich
halte ebenfalls mein Telefon hoch, als hätten wir
uns noch nie gesehen und hochgehaltene Telefo-
ne als Erkennungszeichen verabredet. Es dauert
lange, bis Wilbert bei mir ankommt, als ginge er
durch Wasser, als ginge er durch Sand.
Dann setzt er sich neben mich. „Da sind Sie ja
endlich“, sagt er, „ich habe eine Nachricht erhal-
ten“, und wir wischen unsere Telefone hell und
zeigen uns die Nachrichten, die wir bekommen ha-
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Jennifer Daniel,
geboren 1986,
studierte
Kommunikations-
design und
arbeitet als
Illustratorin
in Düsseldorf.
Außerdem ver-
legte sie mehrere
Comics
Mariana Leky,
geboren 1973,
studierte Kultur-
journalismus. Ihr
Roman „Was man
von hier aus
sehen kann“ stand
monatelang auf
der „Spiegel“-
Bestsellerliste
Fotos Ullstein Bild/Brigitte Friedrich, Privat
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