Kunstmarkt
WOCHENENDE 30./31. AUGUST / 1. SEPTEMBER 2019, NR. 167^57
„Für Ai Weiwei ist es immer schwierig, Sponso-
ren zu bekommen“, sagt sie. Die Gründe kann
man sich denken. In China ist er eine Persona
non grata. Wirtschaftsunternehmen und Banken
wollten ihre Beziehungen in die zweitgrößte
Volkswirtschaft der Welt nicht gefährden. Die
Schwierigkeiten bei der Sponsorensuche erlebte
die Direktorin schon in Venedig. Aber laut
Gaensheimer liegt das nicht nur an Ai Weiwei:
„Sponsoren gaben in den 1990er-Jahren Millio-
nen für Ausstellungen. Das ist heute nicht mehr
der Fall. Das Eintreiben von Drittmitteln ist
schwieriger geworden.“
Ablehnung in der Kunstszene
Gestemmt hat sie die Doppelschau schließlich
mit den Mitteln des Landes, also den Ausstel-
lungsbudgets für K20 und K21. Wegen des im-
mensen Gewichts der Kunstwerke sind Trans-
porte teuer. „Diese Kosten haben wir uns mit
den Galerien in London und Berlin geteilt.“ Dass
die vielen schweren Kisten nicht per Flugzeug,
sondern per Schiff reisen, halbiert die Fixkosten
annähernd. Die größten Posten sind Personal-
und Reisekosten. Hilfreich war, dass Ai Weiweis
großes Team – gegen Bezahlung – zusammen
mit dem Aufbauteam der Kunstsammlung die
beiden Schauen eingerichtet hat.
Mit mehr als 200 000 Besuchern dürfte der
Deckungsbeitrag aus den Tickets geschätzt bei
unter zwei Millionen Euro liegen. Gaensheimer
hebt die Hände wie zur Abwehr: „Bedenken Sie,
etwa die Hälfte der Besucher zahlt keinen oder
einen reduzierten Eintritt: Kinder, Rentner, Stu-
denten, ICOM-Mitglieder, Journalisten.“
Es gibt zwar keine Merchandisingobjekte,
aber der Katalog verkaufte sich 3 500-mal. Zu-
sammen mit dem Erlös aus der Edition fließen
all diese Einnahmen in die Refinanzierung der
Ausstellung. Dennoch ist das kein Modell für das
nachfolgende Programm: „Solche Ausstellungen
wie die zu Ai Weiwei können Sie nicht eine hin-
ter der anderen machen. Es gibt gar nicht so vie-
le populäre Themen und Künstler in der zeitge-
nössischen Kunst.“
Ai Weiwei kritisiert China – und auch Deutsch-
land: Wo bleibt die Revolution? Er nimmt kein
Blatt vor den Mund, wenn er klagt, die Wirt-
schaft verknüpfe ihre Geschäfte nicht mit der
Forderung nach Menschenrechten in China.
Doch dies ist wohl nicht der Grund, weshalb
der Künstler Deutschland den Rücken kehrt.
Auch sind es nicht die rüden Taxifahrer, wie er
in einem Zeitungsinterview sagte. Der Grund ist
eher im Privaten zu finden, sein zehnjähriger
Sohn soll die britische Elitebildung genießen.
Deshalb zieht der Künstlernomade mit der Fa-
milie nach Cambridge in England, sein Studio
bleibt aber in Berlin.
Zurück zur Kunst: Ai Weiweis Werk kreist um
die Freiheit des Menschen und die Freiheit der
Kunst. Das erschließt sich dem Betrachtenden
schnell. Dafür schätzt ihn das breite Publikum.
In der Kunstszene hingegen stößt Ai Weiwei des
Öfteren auf Ablehnung. „Vielleicht erscheint
manchem Künstler Ai Weiweis Ansatz zu di-
rekt“, vermutet Gaensheimer. Er selbst erkläre
seine Einfachheit, erzählt sie, weil er nicht nur
Menschen ansprechen möchte, die sich ausken-
nen, sondern auch das Kind, die kunstferne
Dame oder einen Menschen mit Migrationser-
fahrung.
Die Installationen stellen Fragen nach dem
Verhältnis von Individuum und Masse, nach
dem Einzelnen in der Gesellschaft, nach Macht
und Verantwortung. Für Besucher seien das ge-
nau die richtigen Themen zum richtigen Zeit-
punkt, schreiben Besucher im Internet in ihren
Beiträgen. Anders als in anderen Lebensberei-
chen stehen hier die Inhalte und nicht Polemik
im Zentrum. „Wir bekamen keine populisti-
schen Kommentare“, sagt die Kuratorin. „Darü-
ber bin ich sehr glücklich.“
Im Handelsblatt-Interview vor einem halben
Jahr kritisierte der Künstler Museen als elitäre
Orte eines kleinen Kreises und wünschte sich:
„Ich möchte richtiges Publikum wie auf dem
Marktplatz.“ Kuratorin Gaensheimer stellt klar:
Das wolle er nicht für sich persönlich, sondern
für die Botschaft von der doppelten Freiheit.
Galerie Pace: Visuali-
sierung des neuen
Hauptquartiers.
Bonetti / Kozerski Architecture, courtesy of Pace
Pace Gallery
Galerie in Großdimension
E
ine Galerie der Superlative:
Am 14. September eröffnet
die Pace Gallery ihr siebenstö-
ckiges Hauptquartiers im New Yorker
Stadtteil Chelsea – einschließlich ei-
ner spektakulären Dachterrasse gibt
es hier fast 3 000 Quadratmeter Aus-
stellungsfläche – und erfindet das Ga-
lerie-Modell neu. „Über die letzten
30 Jahre ist die Zahl der Teilnehmer
an der Kunstwelt exponentiell ge-
wachsen“, sagt Marc Glimcher, Chef
der Pace Gallery. Seiner Meinung
nach haben sich Künstler geändert,
wollten Grenzen sprengen. „Was wir
brauchen, sind Platz und Flexibilität
für die Künstler.“ Auch das Publikum
fordere mehr. „Wir haben etwa tau-
send Kunden. Wenn wir deren Er-
wartungen nicht erfüllen, werden
wir abgehängt“, sagt der 55-Jährige,
der bei Pace Gallery inzwischen die
Zügel von seinem Vater Arne über-
nommen hat, der die Galerie vor fast
60 Jahren in Boston gründete.
Laut „New York Times“ kostete
das Projekt mehr als 100 Millionen
Dollar. Eigentümer bleibt der Immo-
bilienentwickler Weinberg Proper-
ties, der schon lange auf Chelsea
setzt. Das zahlt sich aus. Zahlreiche
andere New Yorker Megagalerien,
unter ihnen David Zwirner, Hauser
& Wirth und Gagosian, setzen ge-
zielt auf Expansion im Stadtteil
Chelsea
Den Besucher der Pace Gallery er-
wartet über den traditionellen Aus-
stellungsbetrieb hinaus einiges. Zur
Eröffnung gibt es sechs repräsentati-
ve Shows aus dem stetig wachsenden
Künstlerstamm. „Pace Live“ soll den
so wichtigen Erlebniswert bedienen.
Betreut vom eigens angeworbenen
renommierten Museumsmann Mark
Beasley soll ein interdisziplinäres
und experimentierfreudiges Feuer-
werk aus Vorträgen, Musik, Tanz,
Performances und Filmen gezündet
werden. Eine neue Abteilung „Pa-
ceX“ ist technologiebasierten Projek-
ten gewidmet, da hält man sich mit
Details aber noch zurück. Barbara
Kutscher
Für
Ausstellungen
von Ai Weiwei
ist es immer
schwierig,
Sponsoren zu
bekommen.
Susanne Gaensheimer
Direktorin der
Kunstsammlung NRW
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