N
ach den Plänen von Finanz-
minister Olaf Scholz (SPD)
sollen ab 2021 rund 90 Pro-
zent der Steuerzahler keinen Soli
mehr entrichten müssen. Die restli-
chen zehn Prozent müssen die Ab-
gabe teilweise oder komplett weiter
zahlen, auf unbestimmte Zeit. In
dieser Gruppe sind viele Unterneh-
mer. Das geht aus einer Analyse des
arbeitgebernahen Instituts der
deutschen Wirtschaft (IW) hervor.
Danach tragen Unternehmen der-
zeit rund 31 Prozent zum Aufkom-
men des Solidaritätszuschlags bei,
Arbeitnehmer 69 Prozent. Durch
die von Scholz geplante Änderung
verschiebt sich das Verhältnis: Laut
IW-Studie hätten Firmen im Jahr
2021 dann einen Anteil von 57 Pro-
zent, Arbeitnehmer 43 Prozent.
Die zehn Prozent Gutverdiener,
die den Soli ganz oder teilweise wei-
terzahlen müssen, tragen die Hälfte
des gesamten Soli-Aufkommens von
21 Milliarden Euro im Jahr 2021. In
dem oberen Einkommensbereich
finden sich viele Selbstständige und
Personengesellschaften. Zudem
wird der Soli auch als Aufschlag auf
die Körperschaftsteuer erhoben.
Das soll so bleiben, Kapitalgesell-
schaften profitieren also nicht.
Die Union hatte wiederholt von
der SPD gefordert, auch Gutverdie-
ner und Unternehmen zu entlas-
ten. Wirtschaftsminister Peter Alt-
maier (CDU) hatte kurz vor dem
Kabinettsbeschluss ein Konzept da-
zu vorgelegt, konnte sich aber
nicht durchsetzen. Das Finanzmi-
nisterium betont, auch kleinere Fir-
men würden profitieren. 88 Prozent
der zur Einkommensteuer veranlag-
ten Gewerbetreibenden, etwa
selbstständige Handwerker, müss-
ten künftig keinen Soli mehr zahlen.
Die Wirtschaft ist trotzdem ent-
täuscht. Sie hatte auf eine Entlas-
tung für alle gehofft und auf den in-
ternationalen Steuerwettbewerb
verwiesen. Diese Rufe bleiben unge-
hört. Dass die SPD auch noch Gut-
verdiener als faule Menschen dar-
stellt, bei denen die Geldbündel
leistungslos vom Fließband fallen,
das hat die Stimmung zusätzlich be-
Daniel Bockwoldt/dpa, lastet. M. Greive, J. Hildebrand
hristoph Soeder/dpa
Karikatur der SPD:
Interessantes Bild vom deutschen
Spitzenverdiener.
SPD/Bplanet/shutterstock.com
Soli
Kein Ende in Sicht
Unternehmenssanktionen
Empfindliche Strafen
B
ei Verfehlungen wie der Die-
selaffäre mit manipulierter
Abgassoftware oder im Cum-
Ex-Skandal mit schwerer Steuerhin-
terziehung haben sich Unternehmen
viel vorzuwerfen. Nun bekommt die
gesamte deutsche Wirtschaft eine
saftige Quittung präsentiert. Bundes-
justizministerin Christine Lambrecht
(SPD) hat den Entwurf eines „Geset-
zes zur Bekämpfung der Unterneh-
menskriminalität“ vorgelegt. Und
der hat es in sich.
Jede der knapp 150 Seiten des
Entwurfs macht deutlich, dass Un-
ternehmen die Folgen von Straf -
taten künftig drastisch zu spüren
bekommen sollen. Bislang konnten
nur Manager und Mitarbeiter straf-
rechtlich verfolgt werden. Nun kann
bei Korruption, Betrug oder Um-
weltdelikten das gesamte Unterneh-
men verklagt werden. Von einer kri-
minellen „Attitüde“ in Firmen ist im
Entwurf zu lesen und vom „Ab-
schreckungseffekt“, den die neuen
Regelungen haben sollen.
Und die Sanktionen sind tatsäch-
lich selbst für große Konzerne
empfindlich. Künftig sollen große
Konzerne bei Verfehlungen Bußgel-
der von bis zu zehn Prozent des
Jahresumsatzes zahlen. Das ist eine
echte Hausnummer. Bei VW im
Dieselskandal liefe das für 2018 auf
eine Strafzahlung von fast 24 Milli-
arden Euro hinaus. Bei Facebook
im Datenskandal auf rund fünf Mil-
liarden Euro.
Dazu käme noch die Gewinnab-
schöpfung: Die mit Straftaten erziel-
ten Profite werden eingezogen. Ver-
urteilte Unternehmen sollen außer-
dem in einem Register vermerkt
werden. Sollte ein Gericht entschei-
den, das Urteil herauszugeben,
droht der öffentliche Pranger.
Und für besonders eklatante Fälle
sieht das Gesetz als Ultima Ratio die
Betriebsauflösung vor. Experten für
Wirtschaftsstrafrecht nennen das
auch die „Todesstrafe“.
Kein Wunder also, dass die Wirt-
schaft wenig begeistert ist von die-
sem Schlag. Sie fühlt sich unter Ge-
neralverdacht gestellt und warnt vor
einem „Kollektivstrafcharakter“.
Denn die Sanktionen träfen auch Ak-
tionäre, Beschäftigte oder Zulieferer
- und damit Unschuldige und Unbe-
teiligte. Heike Anger
Miete
Vergiftete Atmosphäre
V
erschärfungen im Mietrecht
hat die Große Koalition eini-
ge Male in den vergangenen
Jahren vorangetrieben. Vor allem
die Mietpreisbremse, mit der stark
steigende Mieten in Ballungsräu-
men begrenzt werden sollen, stand
immer wieder im Mittelpunkt zum
Teil scharfer Diskussionen sowohl
innerhalb der Koalition als auch mit
der Wirtschaft, die das „beständige
Herumdoktern am Mietrecht“
scharf kritisiert.
Und die Debatte verschärft sich
weiter. Grund ist vor allem der Plan
der Linken für einen Berliner Mie-
tendeckel, der die Kaltmieten in der
Hauptstadt unabhängig von der La-
ge und der bisherigen Miethöhe auf
maximal 7,97 Euro pro Quadratme-
ter begrenzen will. Der niedrigste
Mietzins könnte bei 3,42 Euro pro
Quadratmeter liegen. Entscheidend
soll allein das Alter des jeweiligen
Gebäudes sein – sowie die Frage, ob
eine Sammelheizung existiert oder
nicht und ob es ein eigenes Bad in
der Wohnung gibt. Unklar ist, was
von den radikalen Plänen letztlich
umgesetzt wird – und was sich dann
juristisch halten lässt.
Die Immobilienbranche reagierte
geschockt auf das Vorhaben, das
jetzt von der in Berlin regierenden
rot-rot-grünen Koalition beraten
wird. Die Atmosphäre zwischen Po-
litik und Wirtschaft ist vergiftet. Die
börsennotierten Wohnkonzerne be-
kamen die Pläne bereits zu spüren,
ihre Aktien verloren an Wert. Die
Unternehmen denken darüber
nach, für Berlin geplante Investitio-
nen in andere Standorte umzulei-
ten.
Für die Immobilien- und Woh-
nungsbranche könnte sich das In-
vestitionsklima bundesweit ver-
schlechtern. So forderte die Linke
bereits für ganz Deutschland einen
Mietendeckel. Auch die Grünen
sind im Grundsatz für eine weitere
Ausdehnung des Mieterschutzes. Im
Gegensatz zu einem radikalen Mie-
tendeckel nach Berliner Vorstellun-
gen, der auch Mietkürzungen vor-
sieht, denken die Grünen aber eher
an bundesweite Mietobergrenzen.
Diese würden steigende Mieten
durchaus zulassen. Silke Kersting
Vermögensteuer
Neue Belastung
A
uf wen die SPD mit ihren
Plänen für eine Wiederein-
führung der Vermögensteu-
er zielt, macht sie selbst deutlich:
reiche Familienunternehmer. „Be-
sonders das Betriebsvermögen – da-
zu zählen auch GmbH-Anteile und
größere Aktienpakete – ist hoch
konzentriert und macht den über-
wiegenden Anteil der Vermögen
von Multimillionären und Milliardä-
ren aus“, heißt es in dem Papier,
das die SPD beschlossen hat. Ihr
schwebt ein Steuersatz von einem
Prozent auf Privatvermögen vor. Es
soll Freigrenzen und Verschonungs-
regeln geben. Details dazu fehlen
bisher – was das Misstrauen erhöht.
Viele Wirtschaftsvertreter fürch-
ten eine Substanzbesteuerung. Ifo-
Präsident Clemens Fuest hat eine
Rechnung aufgemacht, wonach zu-
mindest bei einem größeren Betrieb
eine Besteuerung von 75 Prozent
der Erträge herauskommen könnte.
Auch der Vizepräsident des SPD-
Wirtschaftsforums, Robert Maier,
hält die Vermögensteuer für falsch.
„Die Mittel für erforderliche Investi-
tionen sollten – soweit notwendig –
über eine konsequente Besteuerung
von Erbschaften erfolgen.“
Hin und Her
Die SPD quält sich seit Jahren mit
der Frage, ob die Vermögensteuer
wieder eingeführt werden sollte.
Der frühere Kanzler Gerhard Schrö-
der hatte in seiner Regierungszeit
solche Ambitionen ausgebremst.
Auch der jetzige Finanzminister
Olaf Scholz war bisher nicht als
brennender Befürworter aufgefal-
len. Im Wahlprogramm 2017 fehlte
die Vermögensteuer. Mittlerweile
aber unterstützt Scholz das Vorha-
ben.
Hans Eichel sprach sich in seiner
Zeit als Finanzminister ebenfalls ge-
gen die Vermögensteuer aus. Jetzt
begrüßt auch er den Vorstoß. „Es ist
gut, dass die Diskussion über die
Vermögensteuer in Gang kommt“,
sagte er dem Handelsblatt. Den
Wirtschaftsstandort bringe das
nicht in Gefahr. Schließlich wurde
die Vermögensteuer in Deutschland
bis 1996 erhoben, in anderen Län-
der wie der Schweiz gibt es sie bis
heute. Man müsse sich überlegen,
was gegen die wachsende Ungleich-
heit getan werden könne, sagte Ei-
chel. Über die Instrumente könne
man diskutieren. Auch im SPD-Pa-
pier heißt es, eine höhere Erb-
schaftsteuer sei eigentlich besser.
Tatsächlich steht die SPD mit dem
Befund, dass die Vermögensun-
gleichheit hoch ist, nicht allein da.
Auch der Internationale Währungs-
fonds empfiehlt Deutschland schon
länger, Vermögen stärker zu besteu-
ern. In der Großen Koalition hat die
Vermögensteuer keine Chance. An-
ders wäre es bei Rot-Rot-Grün. Auch
die Grünen fordern die Wiederein-
führung, die Linke sowieso.
M. Greive, J. Hildebrand
Justizministerin
Lamprecht:
Unternehmen sollen
strafrechtlich
verklagt werden
können.
Mietshäuser:
Schlechte Nachrich-
ten für Wohnungs -
eigentümer.
Die neue Eiszeit
WOCHENENDE 30./31. AUGUST / 1. SEPTEMBER 2019, NR. 167^7
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