Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

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WELT AM SONNTAG NR. 34 25. AUGUST 2019 DEUTSCHLAND & DIE WELT 17


ben ist der lange Beifall ver-
stummt, da greift sich Brian
Hancock einen Stapel Briefum-
schläge und verteilt sie an das Publi-
kum. „Yang 2000“ ist auf den Umschlä-
gen zu lesen, für Bargeld oder Scheck
sind sie gedacht. Spenden für die
„Friends of Andrew Yang“.

VON DANIEL FRIEDRICH STURM

VVVorige Woche, Freitagabend in derorige Woche, Freitagabend in der
Bücherei von Plaistow, einem Nest in
New Hamsphire. Andrew Yang, 44, ei-
ner der 21 Bewerber um die demokrati-
sche Präsidentschaftskan-
didatur, redet und beant-
wortet Fragen. Hier erklärt
er seinen Plan eines bedin-
gggungslosen Grundeinkom-ungslosen Grundeinkom-
mens von 1000 Dollar im
Monat. Für einen
„menschlichen Kapitalis-
mus“ wirbt er, spricht über
AAAutomatisierung und die inutomatisierung und die in
den USA sinkende Lebens-
erwartung. „Das exakte
Gegenteil von Donald
Trump ist ein Asiate, der
Mathematik mag“, ruft
YYYang am Ende. Beifall.ang am Ende. Beifall.
WWWährend Yang für Fotosährend Yang für Fotos
mit seinen Anhängern po-
siert, verteilt Brian Han-
cock die Spenden-Um-
schläge. Nimmt man die
Begeisterung in der Büche-
rei zum Maßstab, müssten
hier ein paar Dollar zusam-
menkommen.
Brian Hancock, 20, ist
ein schlaksiger Mann. Er
trägt ein weißes T-Shirt, darauf ein
„Y“-Button. Das steht für Andrew Yang


  • also jenen Mann, den er als amerika-
    nischen Präsidenten sehen will. Die
    Wahl ist noch gut 14 Monate hin. Und
    doch lässt Hancock schon jetzt sein
    Studium für ein paar Monate ruhen.
    Sogar sein Apartment im Bundesstaat
    Indiana hat er am 4. August verlassen.
    Seiher tourt er jeden Tag durch New
    Hampshire. Er verteilt Flugblätter,
    sammelt Spenden, klopft an Haustü-
    ren. Um Kosten zu sparen, übernachtet
    Hancock in seinem Honda Pilot: „Ist
    eigentlich ganz komfortabel.“ Brian
    Hancock macht Wahlkampf, genauer
    gesagt Vorwahlkampf. „Wir versuchen
    so viele unentschiedene Wähler wie
    möglich zu treffen, zu sprechen, zu
    überzeugen“, sagt er. Wir – das sind die
    freiwilligen Helfer von Andrew Yang.
    „Yang Gang“ nennen sie sich.
    In diesen Monaten durchpflügen all
    jene Demokraten, die Ende 2020 Do-
    nald Trump aus dem Weißen Haus ver-
    treiben wollen, New Hampshire. Tage-
    lang reisen sie herum, halten Reden,
    stellen sich Fragen, geben Autogram-
    me, posieren für Fotos, lassen Selfies
    mit sich machen. Dabei leben in New
    Hampshire nur 1,3 Millionen Men-
    schen, weniger als ein halbes Prozent
    der Einwohner der USA.
    Schon bald wird die halbe Welt auf
    New Hampshire blicken. Dort nämlich


findet im Februar 2020 die erste offi-
zielle Vorwahl („Primary“) statt, kurz
nach einer ähnlichen Entscheidung im
gleichsam kleinen Iowa. Das Wahler-
gebnis von New Hampshire wird einen
enormen Signalcharakter haben, der
das Schicksal von Kandidaturen ent-
scheiden kann. Die rund 278.000 regis-
trierten Demokraten plus alle, die sich
dann zu Demokraten erklären, sind
deshalb weit mächtiger als die geringe
Einwohnerzahl des kleinen Staates ver-
muten lassen würde.

POLITISCHE MAMMUTAUFGABEEs
geht um nichts weniger als die Frage,
wer gegen Donald Trump antreten und
ihn in gut einem Jahr besiegen soll.
Wer sich diese politische Mammutauf-
gabe zutraut, aber in New Hampshire
völlig versagt, kann eigentlich einpa-
cken. Für Andrew Yang geht es poli-
tisch um alles. Er ist als Außenseiter
ins Rennen gegangen, hat sich aber in
den Fernsehdebatten gut geschlagen.
Bereits 205.000 Amerikaner haben für
Yang gespendet. Er zieht vor allem jun-
ge Leute an. Etwa Louis de Angelis, 25,
der eineinhalb Stunden mit dem Auto
angereist ist und zuvor noch nie eine
politische Veranstaltung besucht hat.
„Yang ist ein erfolgreicher Geschäfts-
mann“, sagt de Angelis, der einen Out-
door-Klamotten-Handel betreibt, „ich
schaue seine Youtube-Videos und wer-

de ihn im Februar wählen“. Das ist
ganz nach dem Geschmack von Steve
Marchand, Yangs Chefberater. „Wir ha-
ben neun Veranstaltungen an diesem
Wochenende in New Hamsphire, eröff-
nen hier gerade unser drittes Büro“,
sagt Marchand, „und in drei Wochen
ist Andrew schon wieder hier unter-
wegs“. Er weiß, wie wichtig der ländli-
che Staat an der Ostküste ist. Die Ge-
schichte zeige: Wer in einem der „frü-
hen Staaten“ die Erwartungen über-
treffe, „der gewinnt dramatisch an Zu-
stimmung in den Bundesstaaten, die
danach wählen – und zwar über
Nacht“.
Das gilt für einen Kan-
didaten mit Außenseiter-
Chancen wie Yang, aber
ebenso für die Favoriten.
Noch genießt Ex-Vize-
präsident Joe Biden, 76,
die meiste Zustimmung.
Er liegt im ganzen Land
im Schnitt mehrerer Um-
fffragen bei 29 Prozent, inragen bei 29 Prozent, in
New Hampshire indes
nur bei 21 Prozent. Dicht
fffolgen ihm hier die bei-olgen ihm hier die bei-
den linken Senatoren
Bernie Sanders und Eli-
zabeth Warren. Sanders
stammt aus Vermont,
WWWarren aus Massachu-arren aus Massachu-
setts, also quasi aus der
Nachbarschaft. Genau
deshalb brauchen beide
in New Hampshire kräf-
tig Rückenwind. Es wird
spannend, wer von ihnen
das linke Lager besser
mobilisieren kann.
Ein Mittwochabend in Wolfeboro, in
einer Wald-, Hügel- und Seelandschaft,
die an Schweden erinnert, nicht nur
weil es hier Elche gibt. Im Garten der
Demokratin Edie Des Marais duftet es
nach Kiefern, Grillen zirpen, die
Abendsonne spendet behagliches
Licht. Etwa 300 Menschen sind gekom-
men, um Elizabeth Warren, 70, zu erle-
ben. Die Älteren sitzen auf Klappstüh-
len, die Jüngeren auf dem Rasen. John-
ny Cashs „I Walk the Line“ strömt aus
dem Lautsprecher, dann tritt Warren
ans Mikro. „Wir leben in aufregenden
Zeiten“, ruft sie. Bei der Wahl 2020 ge-
he es nicht nur um die nächsten vier
oder acht Jahre. Nein, das Schicksal
von „Generationen“ hänge ab von
„twenty-twenty“, wie Warren die Wahl
stets nennt. Sie schildert ihr Leben, lei-
tet daraus ihre politischen Forderun-
gen ab, etwa: Reichensteuer, Studien-
gebührenfreiheit, allgemeine Kranken-
versicherung. Für jedes Thema „habe
ich einen Plan“, sagt Warren, „so bin
ich eben“.
Rebecca Albright, 50, applaudiert
immer wieder. Sie arbeitet in einer un-
abhängigen Buchhandlung, ist regis-
trierte Demokratin. „Es treten hier ge-
rade so viele Kandidaten auf, man kann
ständig irgendwo hingehen, das ist
wunderbar“, sagt Albright. New Hamp-
shire sei „ein Mikrokosmos von ganz
Amerika“.

Bürgermeister Karl-Uwe Strothmann E
empfängt in seinem Büro zum sponta-
nen Plausch. Shalabi? Nein, der sage
ihm nichts. Man habe im Rathaus auch
keine Zahlen über Gefährder im Ort.
Das sei ja alles Kreissache. Zumindest
einen Shalabi müsste Strothmann aber
noch gut kennen. Mustafa Shalabi, 47,
Ismails Bruder. Er bescherte Beckums
Bürgermeister vor einem Jahr einen
Shitstorm. Als Vorsitzender des örtli-
chen Arabisch-Deutschen Vereins for-
derte er damals die Einführung von
Männerschwimmen im örtlichen Hal-
lenbad. „In unserer Kultur schwimmen
Frauen und Männer nicht zusammen“,
so die Begründung. Im Rathaus willigte
man zunächst ein, doch dann wurde der
Protest so groß.
Dienstagnachmittag in Ahlen, im In-
nenhof einer abgerockten Fabrikanlage.
Mustafa Shalabi sitzt im Büro seiner
neu eröffneten Autowerkstatt und
wischt sich den Schweiß von der Stirn.
Eigentlich will er nicht reden, als er
aber hört, dass es um seinen Bruder
geht, platzt es aus ihm heraus. „Ismail
hat mich seit Oktober 2017 drei Mal mit
einer Machete bedroht“, behauptet er.
Der letzte Angriff sei im Frühling dieses
Jahres gewesen. Ismail Shalabi streitet
die Machetenangriffe ab. Er wiederum
gibt an, von seinem Bruder im Arabi-
schen Verein attackiert worden zu sein.
Mustafa räumt tatsächlich ein, „einmal
zugeschlagen“ zu haben.
Der Hass sitzt tief. Die Brüder ranken
um das Erbe ihres 2017 verstorbenen
Bruders, der einen Import-Export-Han-
del mit Autos und Lastwagen in Beckum
führte. Beide Brüder werfen sich gegen-
seitig vor, heimlich Wagen aus dem Be-
stand verkauft und somit Zehntausende
Euro veruntreut zu haben. Wer recht
hat, soll bald ein Gericht klären.

IM ANTISEMITISMUS EINIGSo sehr
sich die Brüder verachten, so nahe ste-
hen sie sich in einem anderen Punkt: ih-
rem Hass auf Israel. Beide teilen auf Fa-
cebook antisemitische Beiträge; und
beide scheinen auch weiterhin eine Nei-
gung zum fundamentalistischen Islam
zu haben. Der Gefährder Ismail postete
ein Video von Deutschlands Salafisten-
star Pierre Vogel. Mustafa teilt immer
wieder Reden der ägyptischen Muslim-
brüder. Als er sich noch aktiv im Arabi-
schen Verein engagierte, gab es speziel-
le Gebetskurse für Mädchen „ab sieben
Jahren“. Auf den Flyern, die bis heute
abrufbar sind, winkt ein junges Mäd-
chen im Kopftuch.
Es dämmert in Beckum, letzte Son-
nenstrahlen fluten den Innenhof von Is-
mail Shalabi. Seine Söhne sitzen mit ei-
nem Gameboy auf der Treppe. Ihr Vater
steht ein paar Meter vor ihnen, neben
einem Wagen mit der Aufschrift „Shala-
bi Trucks“. Wovon er träumt? Ismail
Shalabi zieht noch einmal tief an seiner
Zigarette. Er wünsche sich, sagt er, dass
endlich seine Duldung verlängert wer-
de. Seit Sommer 2018 warte er auf eine
Mitteilung der Behörde.

los


Hier gilt’s


In New Hampshire


leben 1,3 Millionen


Amerikaner.


Aber wer bei den


Demokraten gegen


Trump antreten


will, muss in dem


Kleinstaat punkten


Beliebt bei JungwählernAndrew Yang, Unternehmer und
Präsidentschaftsbewerber. Seine Fans nennen sich „Yang Gang“

DANIEL FRIEDRICH STURM

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Zigarette. Er wünsche sich, sagt er, dass

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de. Seit Sommer 2018 warte er auf einede. Seit Sommer 2018 warte er auf eine VK.COM/WSNWS
TELEGRAM:

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de. Seit Sommer 2018 warte er auf eine
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TELEGRAM: Mitteilung der Behörde.Mitteilung der Behörde.

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