Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

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IV ACHAVA FESTSPIELE THÜRINGEN WELT AM SONNTAG NR.34 25.AUGUST2019


Thüringen lädt ein zu musikalischen Zeitreisen und
Kulturgenuss an stimmungsvollen Orten. Erleben Sie traditions-
reiche Orchester, hochkarätige Interpreten und aufstrebende
Nachwuchskünstler. Entdecken Sie das Musikland Thüringen


  1. musikland.thueringen-entdecken.de Trio Totale mit Werken von Beethoven, Schumann und Chausson / Wartburg © Christiane Würtenberger/CMR


Wir hören uns in Thüringen.


Ob klassisches Konzert auf der Wartburg oder Folkmusik
beim Straßenfest – 2020 wird facettenreich.

musikland.thueringen-entdecken.de

ilvius von Kessel steht am Fenster seiner
Erfurter Wohnung. „Schöner Blick auf mei-
nen Arbeitsplatz“, sagt er und weist hinü-
ber auf Dom und Severikirche, die in erha-
bener Schönheit über den Dächern der
Thüringischen Landeshauptstadt thronen. Auf dem
Tisch hinter ihm liegt aufgeschlagen die Partitur sei-
ner bislang größten Komposition, der Missa Cum Jubi-
lo, geschaffen zu Ehren der Gottesmutter Maria, der
Patronin des Domes. „Die Messe ist eine Herausforde-
rung für alle Beteiligten“, sagt von Kessel. Ausführen
werden das Werk ein gewaltiger Chor, zwei Kinder-
chöre, ein großes Orchester nebst Orgel und fünf So-
listen. Die Herausforderung hat er selbst gespürt in
der Zeit, in der das Werk entstanden ist. In einem Jahr
wollte er fertig sein. Gebraucht hat er schließlich zwei.

Silvius von Kessel, geboren und aufgewachsen im
Oldenburgischen, begann 1986 an der Folkwang-Hoch-
schule in Essen ein Studium der katholischen Kirchen-
musik. „Zu den Aufgaben im Studium gehörte natür-
lich auch Komposition.“ Dafür bescheinigte ihm sein
Essener Professor ein außergewöhnliches Talent. Aber
der Student entschied sich anders: „Ich wollte an die
Orgel.“ Sein Studium setzte er dann in Paris bei Oli-
vier Latry, Organist an der Kathedrale Notre-Dame
fort. Dass es von dort direkt nach Erfurt weiterging,
war Zufall. „Ich war mit einem Freund auf der Rück-
reise von Weimar.“ Man fuhr an Erfurt vorbei, be-
schloss spontan, die Stadt zu besichtigen und war sehr
angetan von der architektonischen Vielfalt. Am Dom
trafen sie den damaligen Domorganisten Wilhelm
Kümpel und erfuhren, dass er bald
in den Ruhestand gehen würde.
Seit einem Vierteljahrhundert
ist Silvius von Kessel nun in Er-
furt. Seine Frau und die fünf Kin-
der leben wie er mit der Musik.
Heute ist er nicht nur als Domor-
ganist und -kantor tätig, sondern
in Weimar als Honorarprofessor
für Orgel an der Musikhochschule,
für das Bistum als Kirchenmusik-
beauftragter und Orgelsachver-
ständiger. Zusätzlich leitet er eh-
renamtlich die Thüringer Bachwochen. Daneben trat
der Entschluss, selbst eine große Komposition in An-
griff zu nehmen. Die Leitung des Domchores legte er
in die Hände eines Kollegen, das einzige Zugeständnis
an den teilweise enormen Zeitaufwand. „Es ist nicht
so, dass man immer wieder ein paar Stunden kompo-
nieren kann“, weiß der 54-Jährige. Manchmal blieb das
Werk monatelang unberührt. Dann wieder konnte er
sich für Wochen in das elterliche Haus nahe Olden-
burg zurückziehen.

GLAUBE UND ZWEIFELDass es eine Marienmesse
werden sollte, hing eng mit seinem Arbeitsplatz, dem
Erfurter Mariendom zusammen. Hier plante man, das
bekannte Marienmosaik, einst am Westgiebel der Kir-
che angebracht und dann für Jahre eingelagert, zu res-
taurieren. Die Missa Cum Jubilo – so hießen Marien-
messen in der Gregorianik – besteht wie alle Messen
aus fünf Teilen: Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Ag-
nus Dei. Hauptteil ist das Credo. Von Kessel: „Ich habe
mir überlegt, dass es hier um den Menschen selbst
geht, um seinen Glauben, seine persönliche Auseinan-
dersetzung damit.“ Etwa eine halbe Stunde des insge-
samt 70-minütigen Werkes nimmt das Glaubensbe-
kenntnis deshalb ein.
Das Agnus Dei am Ende wird zum Trauergesang.
Von Kessel: „Mitten in meiner Arbeit ertrank der vier-
jährige Sohn einer eng befreundeten Familie.“ Im Ag-
nus Dei sind deshalb die Melodien zweier Kinderlieder
eingearbeitet, die der Junge besonders mochte. Der
abschließende Satz „Dona nobis pacem“ ist eine lei-
denschaftliche Friedensbitte. Von Kessel: „Die Musik
ist tonal, enthält aber auch Passagen, die nicht den üb-
lichen Hörgewohnheiten entsprechen.“ So seien Ele-
mente der Zwölftonmusik integriert. Tonal zu kompo-
nieren, sei im modernen Deutschland lange kaum
möglich gewesen: „In Frankreich dagegen bestanden
Tonalität und Avantgarde immer nebeneinander.“

T 2 0. Sept., 19.30 Uhr, 22. Sept., 17 Uhr, Erfurter Dom

Der Erfurter Domorganist


Silvius von Kessel hat eine


Marienmesse komponiert.


Zwei Jahrebenötigte er für


das hochkomplexe


Werk


VON STEFAN SEEWALD

OrganistSilvius
von Kessel

St. MarienDer Dom
zu Erfurt ist der
Gottesmutter geweiht.
Ihr zu Ehren entstand
die Missa Cum Jubilo

PA/IMAGEBROKER

/JÜRGEN MÜLLER

Maria


und die


AAAAAAvantgardevantgardevantgardevantgarde


PA / MARTIN SCHUTT

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