Die Welt Kompakt am Sonntag - 25.08.2019

(nextflipdebug2) #1

38 KULTUR WELT AM SONNTAG NR.34 25.AUGUST2019


17 Songs, 23 Gäste: Hier geben sich tat-
sächlich Chuck D (Public Enemy) und
Eric Clapton die Klinke in die Hand.
Johnny Cash singt aus posthumer Kon-
serve „Redemption Day“ mit. Sheryl
Crows Maxime war wohl, wirklich alle
dabei zu haben, die mal musikalisch
Fäden für sie gesponnen haben. Und
man muss sagen: Viel besser sind so

viele unterschiedliche Einlagen kaum zu
integrieren, ohne dass die Initiatorin auf
der Strecke bleibt. Selbst die Chuck-D-
Nummer „Story Of Everything“ wird
irgendwie noch Crow-typisch, „Wouldn’t
Want To Be Like You“ (mit St. Vincent-
Solo!) klingt wie eine zeitgemäße Replik
auf „All I Wanna Do“, und ein Couplet
wie „I got my mind made up and my
high heels on“ halbwegs feministisch
klingen zu lassen, gelingt auch nicht
vielen. JÖRG FEYER

PLATTENKRITIK

Sheryl Crow


Der „Rolling Stone“, Deutschlands
wichtigstes Musikmagazin, erstellt
die Plattenkritik exklusiv für WELT
AM SONNTAG Kompakt

Sheryl Crow:
„Threads“
(Big Machine/
UUUniversal)niversal)

iner der liebenswertesten Prä-
sidenten der USA war ein
Trunkenbold und hat Hun-
derttausende Menschen in
den Tod geführt. Seine erste
Amtszeit war von Korruption geprägt,
die zweite von einer Wirtschaftskrise.
Und dennoch kann, wer über das Leben
von Ulysses S. Grant liest, nicht anders
als Sympathie für diesen Mann empfin-
den – so wie es den Menschen erging,
die ihn wiedergewählt haben und auch
nach dem Ende seiner Amtszeit enthu-
siastisch verehrten. Grant hatte als
Oberbefehlshaber der Nordstaaten-Ar-
mee den amerikanischen Bürgerkrieg
gewonnen. Von Präsident Abraham Lin-
coln ist der Spruch überliefert, er würde
gerne Grants Whiskeymarke kennen,
um sie auch seinen anderen Generälen
einzuflößen.

VON MATTHIAS HEINE

Im Krieg hängten interne Gegner
Grant den Spitznamen „Butcher“
(Schlächter) an, weil er den Kampf un-
ter hohen Verlustzahlen eigener Solda-
ten mit einer Totalität führte, die ganz
neu war. Aber kaum hatte der Süden ka-
pituliert, setzte er sich für die Versöh-
nung mit dem ehemaligen Gegner ein –
was ihn, der immer schon ein Gegner

der Sklaverei war, aber nicht davon ab-
hielt gegen den Ku-Klux-Klan vorzuge-
hen und die Rechte der Schwarzen
durchzusetzen.
Trotz seiner großen Erfolge und sei-
ner überdurchschnittlich intellektuel-
len Fähigkeiten blieb er bescheiden,
umgänglich und integer. Alle Skandale
seiner Mitstreiter wurden ihm nie per-
sönlich angelastet. Er führte eine Mus-
terehe. Und am Ende seines Lebens
schrieb er im Wettlauf mit einer tödli-
chen Krebserkrankung auch noch eine
Autobiografie, die ein Bestseller wurde
und als das brillanteste Buch eines US-
Präsidenten gilt.
Solche Widersprüche qualifizieren
Grant zweifellos für das Buch „Trinker,
Cowboys, Sonderlinge. Die 12 seltsams-
ten Präsidenten der USA“. Wenn ein
Werk mit einem solchen Titel im Jahre
2019 erscheint, kann man gar nicht ver-
meiden, es als Kommentar zur Gegen-
wart und zur Person des derzeitigen
Amtsinhabers zu lesen – erst recht in
dieser grönlandheißen Woche.

DER SCHÖNSTE MANN AAAus den zwölfus den zwölf
faktensattten und dennoch flüssig zu le-
senden Kurzporträts des Historiker und
Journalisten Ronald D. Gerste lernt
man vor allem eins: Die USA haben
schon etliche Präsidenten von mental

eher zweifelhafter Konstitution gehabt,
aber sowohl ihr politisches System im
Besonderen als auch das Land im Allge-
meinen haben das ganz gut überstan-
den. So war Grant längst nicht der ein-
zige Trinker im Weißen Haus. Franklin
Pierce musste jahrelang warten, bis sei-
ne Wunschkandidatin Jane Appleton in
eine Ehe einwilligte. Und das obwohl ei-
ne Biografie, die Gerste genüsslich zi-
tiert über ihn berichtet: „Franklin Pier-
ce war höchstwahrscheinlich der best-
aussehendste Mann, der je Präsident
der Vereinigten Staaten war.“
Doch Appleton war Temperenzlerin,
neigte also einer militant antialkoholi-
schen Bewegung zu, die im 19. Jahrhun-
dert die USA von einer Epidemie der
Trunksucht befreien wollten.
Süchtig nach Sex war dagegen John F.
Kennedy. Gerster schildert noch einmal
knapp die zu Lebzeiten sorgsam geheim
gehaltenen, nun schon fast zur Folklore
gehörenden erotischen Gewohnheiten
des Präsidenten. Täglich mussten ihm
mehrere junge Frauen zugeführt wer-
den, die man mit Geld, Versprechungen
und manchmal auch Drohungen in Ken-
nedys Bett lotste. Dabei war er ziemlich
wahllos und unbedenklich, was seine
Sicherheitsleute nervös machte. Gerste
schreibt: „Eine seiner Gespielinnen, Ju-
dith Campbell, teilte das Bett mit einem

Mafiaboss, eine andere, Ellen Rometsch
stammte aus der DDR.“
Bei all dem hat Kennedy dennoch ver-
mutlich den USA nicht geschadet.
Schwerwiegender wird es, wenn die Pri-
vatmacken zu einer gefährlichen Politik
führen. So trug der schöne Trinker Pier-
ce in den 1850er-Jahren wesentlich dazu
bei, den Konflikt zwischen Nord- und
Südstaaten um die Sklaverei zu ver-
schärfen und so den Bürgerkrieg herauf-
zubeschwören. Und der seine Ver-
schlossenheit pflegende Calvin „Silent
Cal“ Coolidge beschleunigte vermutlich
durch allzu große Zurückhaltung des
Staates das Heraufziehen der Weltwirt-
schaftskrise von 1929.
Doch ausgerechnet einer der
menschlich am wenigsten anziehenden
und psychisch instabilsten Präsidenten
hat sich große Verdienste erworben: Ri-
chard Nixon, den seine Paranoia in die
Politkriminalität trieb, war immerhin
derjenige, der den Ausgleich mit China
schaffte und den Vietnamkrieg beende-
te. Er blieb dennoch von allen „seltsa-
men“ Präsidenten der einzige, der je aus
dem Amt gejagt wurde.

TRonald D. Gerste: Trinker, Cowboys,
Sonderlinge. Die seltsamsten
Präsidenten der USA
(Klett Cotta, 20 Euro)

Ulysses Simpson
Grant (1822-1885)
Er trug den
Beinamen „Der
Schlächter“, war
ein Trinker – aber
irgendwie nett
PRINT COLLECTOR/GETTY IMAGES

Schräge


Gestalten


Der eine ein Trinker, der nächste


sexsüchtig, und verschroben wirken sie


irgendwie alle: Ein neues Buch stellt die


seltsamsten Präsidenten der USA vor


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