STIL & REISEN
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/STOCKBROKERXTRA; MONTAGE: TOM UECKER FÜR WELT AM SONNTAG; ISA FOLTIN/WIREIMAGE; ROBIN PIETSCH
egriffe wie Risikofaktor und
Screenings lassen wir hier
mal beiseite. Das UV-Ge-
dächtnis der Haut vergessen
wir. Wir ignorieren auch
kurz die A-B-C-D-E-Regel,
nach der wir Pigmentmale
beobachten sollten (Asym-
metrie, Begrenzung, Farbe,
Durchmesser, Erhabenheit).
Wir sind unbesorgt. Wir braten bis der Arzt kommt.
Oder bis es angebracht scheint, dass wir ihn besu-
chen. Wir machen in Sunburn. Allerdings nicht flä-
chendeckend, sondern mit bewussten Bleichstellen.
Die sind der neueste Trend.
VON DIETMAR BITTRICH
Wir erinnern uns mit Vergnügen an die Sonnenbä-
der unserer Kindheit, nach denen die Unterseiten der
Oberschenkel tagelang nicht mehr zum Sitzen taug-
ten. Am Rücken pellte sich die Haut, sodass wir uns
vor dem Spiegel verrenken oder jemanden bitten
mussten, die obere Schicht abzuziehen, in möglichst
intakten Fetzen, deren Größe andere Kinder vor
Neid erblassen ließen. Zum Kühlen gab es Quark und
Gurkenscheiben oder „Afterburn“-Cremes mit
„rückfettendem“ Effekt. In jenen Ferientagen galt
der Sonnenbrand als Training zur Abhärtung. Angeb-
lich garantierte er spätere lang anhaltende Bräune.
Das ging so lange, bis uns dämmerte, dass nicht
nur die Haut anderer Leute der Alterung unterwor-
fen war. Mit der Ahnung unserer eigenen körperli-
chen Vergänglichkeit setzte sich ein Anflug von Ver-
nunft durch. Er bleibt allerdings bis heute verbunden
mit dem Bemühen, möglichst lange jung und fit zu
erscheinen. Und ein leichter Bronzeton ist immer
noch der Ausweis von Gesundheit und Erholung, ob
vom Dermatologen abgesegnet oder nicht.
„Ihr seid ja gar nicht braun geworden!“, staunen
Daheimgebliebene, als wir aus dem Urlaub heimkeh-
ren. „Hattet ihr schlechtes Wetter?“ Ja, hatten wir.
„Überhaupt nicht!“, sagen wir. „Wir haben einfach
mal unsere Haut geschont!“ Die Erklärung wird mit
Skepsis aufgenommen. Wir schieben Informationen
zur Ozonschicht nach und weisen darauf hin, dass
Blässe in den guten adeligen Zeiten noch als vor-
nehm galt. Lediglich prekäre Malocher wurden da-
mals braun. Das entspricht der Wahrheit, doch das
Argument hilft nicht. „Ihr wollt bloß euren Urlaubs-
regen schönreden!“
verdanken. Als Beweis gelten inzwischen aber unbe-
lichtete Streifen, helle Ränder, weiße Muster. Naht-
los ist falsch. Sogar Models auf dem Laufsteg tragen
jetzt Bikinistreifen zur Schau, mit sportlichem Stolz.
Diese Streifen heißen „Visible Bra Line“ und auf
Hüfthöhe „Visible Panty Line“. Das ist sexy.
Wir waren gefühlt auch mal Models. Jetzt sind wir
es nicht mehr. Mittlerweile müssen wir was tun für
unsere authentischen weißen Streifen. Im vergange-
nen März traute ich mich nach Jahren wintersportli-
cher Abstinenz wieder auf den Skihang. Etliches hat-
te ich vergessen oder vielleicht nie erlernt, unter an-
derem den Umgang mit nachhaltiger Höhensonne.
Profis nahmen früher im Lift ihre Skibrille ab und
setzen sie erst am Hang wieder auf. Das sorgte für ei-
nen sanften Übergang der Bräunung. Ich kehrte heim
mit roter Nase, roten Wangen und bleicher Haut
rund um meine Eulenaugen.
„Wow! Cooles Pandagesicht!“, hörte ich von einem
Kunden bei Karstadt Sports. „Bist du Freeskier?“ Ich
nickte vorsorglich. Freeskier? Sind das nicht diese
Leute, die im doppelten Salto über Klippen schießen,
Eiswände runtertoben und mit laufender Helmkame-
ra die Lawinen auslösen, unter denen andere ver-
schütt gehen? „Ja, das trifft es“, sagte ich bescheiden.
„Dachte ich doch bei deinem Goggle-Face“, war die
respektvolle Anmerkung.
DIE SCHÖNSTE TROPHÄE Goggle, nicht Google.
Das musste ich nachschlagen. Goggle heißt Brille.
Und ein Goggle-Face ist für die einen der hässliche
Abdruck einer Skibrille, für die anderen aber die
schönste Trophäe ihrer Freeski-Abenteuer. Zum Bei-
spiel für mich, der ich leichtes Gefälle im Schnee-
pflug hinter mich bringe. „Machst du auch Free-
riding?“, schloss sich die Frage an. „Also Snowboard
off Piste?“ – „Klar, aber nicht mehr in diesem Jahr“,
lächelte ich und entzog mich weiterer Konversation.
Seither weiß ich, dass ich im Urlaub keine wertvol-
len Kalorien bei anstrengenden Aktivitäten verbra-
ten muss. Das Outdoor-Sonnentattoo reicht. Es ist
der Leistungsnachweis. Es ist, im Wortsinn, das
Branding. Nur wenig Mühe ist nötig. Spielerische
Tattoos nach dem Muster der Sunburn Artgelten na-
türlich nicht. Es geht um Statussymbole athletischer
Performance. Sunburn Artwar und ist die Variante
für Beach Potatoes. Sie erinnert an die Äpfel mit Herz-
chen und Smileys, die bei Messen und Kongressen
zum Mitnehmen ausliegen. Die Logos auf den Äpfeln
chen und Smileys, die bei Messen und Kongressen
zum Mitnehmen ausliegen. Die Logos auf den Äpfeln
chen und Smileys, die bei Messen und Kongressen
werden per Aufkleber produziert. Unterm Klebe-
herzchen bleibt die Schale beim Reifen blass.
ROSE UND TOTENKOPFDie Sunburn Art ahmt das
für die menschliche Schale nach. Eine Schablone
wird auf die Haut geklebt, auf Schulter, Bauch, Stirn.
Nach drei Stunden ohne Lichtschutzfaktor zeichnet
sich beim Abziehen als weiße Silhouette eine Rose ab
oder ein Adler oder ein Drache oder – besonders an-
gemessen – ein Totenkopf. Das ist dermaßen un-
sportlich, dass wir uns fremdschämen. Wir sind wet-
terfeste Abenteurer, und das soll man gerne sehen.
Ich habe mir angewöhnt, meine Outdooraktivitäten
in den Sommermonaten zyklisch zu wechseln. Zum
Einstieg bin ich ein Wanderer, selbstredend mit frei-
em Oberkörper. Zu erkennen ist das nach zwei Tagen
auf der Terrasse an den weißen Streifen, die die Trä-
ger des Rucksacks hinterlassen. Auch der Rücken
bleibt weiß. Dann gehe ich als Rollerblader. Das ist
nicht ohne. Denn dazu muss ich beim Sonnen nicht
nur ein nabelfreies Shirt tragen, sondern auch Knie-
schoner, Ellenbogenprotektoren und Wristguards.
Aber es lohnt sich! Extremsport hinterlässt Spuren!
Für die Mountain Biking Experiencetrage ich beim
Rasenmähen ein bauchfreies Jersey-Trikot und eine
knapp knielange Hose mit bikespezifischem Schnitt.
Zwei Tage reichen. War wieder tough beim Double
Cross! Der Scuba Diving Looklässt sich sogar noch
einfacher herstellen. Man benötigt keinen isolieren-
den Anzug mit Air-Free-Ventil und schon gar keine
Taucherflossen. Die spezifischen Bräunungsstreifen
ergeben sich schon mit baumwollenen Bordmitteln.
Und nicht mal der echte Wasserski-Look ist schwie-
rig! Für die typischentan lines genügt eine Weste.
Statt klebriger Neopren-Wetsuit-Shorts legen wir ge-
wöhnliche Bermudas an. Ein paar Drinks auf dem
Balkon oder zwei Tage leichter Gartenarbeit – fertig
ist der gut besonnte Extremsportler.
So können wir auf die Beachparty gehen. Wir wer-
den anerkannt, respektiert, bewundert. Wir müssen
lediglich vermeiden, uns in Fachgespräche verwi-
ckeln zu lassen. Falls sich das partout nicht vermei-
den lässt, biegen wir den Dialog subtil in Richtung
UV-Strahlung und Lichtschutz ab, unter Verwen-
dung von Vokabeln wie Screening, Plattenepithel
und Prävention. Dann werden wir ziemlich schnell
stehen gelassen und können unseren Drink genießen,
in Frieden und sportfrei.
B
Das Outdoor-Sonnentattoo
reicht. Es ist der
Leistungsnachweis. Es ist,
im Wortsinn, das Branding.
Nur wenig Mühe ist nötig.
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Nahtlose Bräune nach dem Urlaub beweist doch nur eines: Dass jemand
seine Zeit faul am Strand verbracht hat. Die Haut der Vitalen hingegen
weist Flecken auf. Das Schönste an ihnen ist: Man muss sich nicht mal
bewegen, um sie zu bekommen
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