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rauenfußball ist – zumindest was
die mediale Beachtung angeht –
kein Nischensport mehr in
Deutschland. Die Partien der Na-
tionalmannschaft bei der Weltmeister-
schaft in Frankreich wurden im öffentlich-
rechtlichen Fernsehen übertragen, die Bun-
desliga ist seit dieser Saison an einem fes-
ten Termin live und frei empfangbar auf
Eurosport zu sehen. Der TV-Sender hat
die Rechte für die Topspiele am Freitag er-
worben. Zusätzlich gibt es zwei Livepar-
tien im Bezahlangebot Magenta Sport der
Deutschen Telekom.
Eine noch größere Bedeutung für die
Verankerung der Frauenbundesliga im kol-
lektiven Bewusstsein könnte künftig die
ARD-»Sportschau« am Samstagabend ha-
ben. Die Sendung ist eine Institution für
Fans und war jahrzehntelang eine Män-
nerdomäne. Das soll sich ändern, sagt
ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.
Der Sender plant, Zusammenfassungen
von »Topbegegnungen« der Eliteliga der
Frauen in der »Sportschau« zu zeigen.
Nie zuvor gab es eine derart große öf-
fentliche Bühne für die Frauenbundesliga.
Die Nationalspielerin Giulia Gwinn ist
über das Engagement regelrecht eupho-
risch. Ihr Sport werde nun »mehr Zuschau-
er gewinnen«.
Aber stimmt das wirklich? Kann eine
gesteigerte TV-Präsenz tatsächlich dem
Frauenfußball in Deutschland endlich zum
Durchbruch zu verhelfen?
Gwinn, 20, gehört zu den Stars der
Bundesliga. Die Mittelfeldspielerin ist im
Sommer vom SC Freiburg zum FC Bayern
gewechselt. Der Weltklub aus München
operiert mit seinem Frauenteam ähnlich
professionell wie mit dem der Männer. Er
setzt viel Geld ein, bietet den Sportlerin-
nen perfekte Trainingsbedingungen und
drängt darauf, Titel zu gewinnen.
Für Gwinn war all dies der Grund, Frei-
burg zu verlassen und nach München zu
ziehen. Die selbstbewusste Sportlerin, Abi-
turnote 1,7, trainiert jetzt mit ihrem Team
in dem Leistungszentrum des FC Bayern,
einer Traumfabrik am Stadtrand von Mün-
chen, in die nur die besten Talente Zugang
bekommen.
Vermarkter glauben, Gwinn habe das
Zeug, in den nächsten Jahren ein Gesicht
des deutschen Fußballs zu werden. Bei
Insta gram, wo sie auch Bilder von Strand-
urlauben postet, folgen ihr bereits 165 000
Menschen. Ihre Fans aber sind vor allem
begeistert von der Art, wie sie Fußball
spielt, von ihrem Stil. Er ist geprägt von
Offensivgeist, Leidenschaft und Tempo.
Gwinn ist die Anführerin einer neuen
Generation, von der sich Trainer und Ma-
nager frischen Wind für den deutschen
Frauenfußball versprechen. Zu dieser Ge-
neration gehört die Freiburger Angreiferin
Klara Bühl, 18, Gewinnerin der Fritz-Wal-
ter-Medaille in Gold als beste deutsche
Nachwuchsspielerin. Oder Lena Oberdorf,
17, von der SGS Essen. Es sind Spielerin-
nen, deren Aktionen mitreißen, es sind
Fußballerinnen, bei denen notorische
Frauen fußballverächter nicht mehr be-
haupten können, sie hätten nicht die Dy-
namik wie die männlichen Kollegen.
Es sind Sportlerinnen, die den Frauen-
fußball in Deutschland auf das nächste Le-
vel heben können.
Die Frauenbundesliga kann aus dem ge-
waltigen Schatten der Männerbundesliga
nur dann treten, wenn sich die sportliche
Qualität verbessert. Außerdem muss die
Spannung in der Liga steigen.
Aktuell wirkt der Wettbewerb eher
lahm. Die Meisterschaft teilen sich seit Jah-
ren die beiden Topmannschaften, der VfL
Wolfsburg und der FC Bayern, dahinter
hat sich zuletzt kein ernsthafter Gegner
mehr gefunden. Selbst in der zweiten Liga
dominieren die Reservemannschaften die-
ser beiden Klubs.
Und manchmal wirkt das, was die Kon-
kurrenten in der Bundesliga abliefern, im
Vergleich zu den beiden Branchenführern
einfach nur kläglich: Borussia Mönchen-
gladbach stieg vorige Saison mit nur einem
Punkt und einem Torverhältnis von minus
103 ab.
In Europa bringen sich aktuell viele Spit-
zenklubs in Position, um mit Frauenfuß-
ball in Zukunft das zu tun, worum es im
Kommerzfußball geht: Geld zu verdienen.
Die sechs reichsten Klubs der Premier
League in England sind inzwischen in
der ersten Liga dabei, Manchester City,
Chelsea und Arsenal haben Frauenteams
von internationaler Klasse aufgebaut. Real
Madrid steigt zwar erst 2020 ein, verpflich-
tet aber bereits jetzt Spitzenspielerinnen
wie die Schwedin Kosovare Asllani. Man
darf sicher sein, dass es der Klub, wie bei
den Männern, eher kurz- als langfristig auf
den Sieg in der Champions League ab -
gesehen hat.
In Deutschland indes passiert – wenig.
Es gibt vage Planspiele, die Übermacht
der Teams aus München und Wolfsburg
zu brechen. Eintracht Frankfurt wird sich
im kommenden Jahr mit dem 1. FFC Frank -
furt zusammenschließen und will von da
an mit einem schlagkräftigen Team an den
Start gehen. Andere Traditionsklubs wie
Borussia Dortmund (BVB) oder der FC
Schalke 04 haben kein Interesse, bundes-
ligataugliche Teams zu gründen. Dabei hät-
ten diese Vereine mit ihren Hunderttau-
senden Fans, dreistelligen Millionen -
umsätzen und der nötigen Infrastruktur
das Potenzial, im Frauenfußball schnell er-
folgreich zu sein. Schalke setzt auf E-Sport,
und der BVB verweist auf sein Engage-
ment im Frauenhandball.
Die Verantwortung für eine nachhaltige
Entwicklung im Frauenfußball haben nicht
allein die Vereine, sondern auch der Deut-
sche Fußball-Bund (DFB). Der Verband
geriert sich gern als wohlmeinender För-
derer, er konnte aber nicht verhindern,
dass zum Beispiel die sportliche Entwick-
lung in der Nationalmannschaft, die tradi-
tionell die größte Ausstrahlung auf das
breite Publikum hat, deutlich zurückging.
Bei der Europameisterschaft 2017 in den
Niederlanden und der WM im Sommer in
Frankreich kam das Aus für die DFB-Aus-
wahl jeweils schon im Viertelfinale. Die
Qualifikation für die Olympischen Spiele
in Tokio im kommenden Jahr hat Deutsch-
land verpasst. Das Land des zweifachen
Weltmeisters und achtfachen Europameis-
ters droht abgehängt zu werden.
Der Verband gibt sich nach außen re-
formwillig. Oliver Bierhoff verantwortet
seit 2018 als Direktor Nationalmannschaf-
ten auch das Frauenteam. Bundestrainerin
Martina Voss-Tecklenburg schwärmt von
den Bedingungen, die ihr geboten werden.
Ein Wandel ist jedoch nicht erkennbar. In
England sind bereits mehr als 50 000 Ein-
DER SPIEGEL Nr. 34 / 17. 8. 2019 121
Sport
Das nächste Level
FußballDie Bundesliga der Frauen wird diese Saison so prominent wie nie zuvor im Fernsehen
präsentiert. Reicht das, um dem Sport zum Durchbruch zu verhelfen?
Die Verantwortung für
eine nachhaltige
Entwicklung im Frauen-
fußball hat der DFB.