Der Spiegel - 17. August 2019

(Ron) #1

Sicherheitskonferenz im Februar, als der
amerikanische Vizepräsident Mike Pence
zu Gast war. Im Gespräch machte Merkel
ziemlich unverblümt deutlich, wie wenig
sie von Grenell hält. Der US-Botschafter
pflege einen Stil, »an den wir uns erst ge-
wöhnen mussten«, sagte sie zum amerika-
nischen Vizepräsidenten.
Seit knapp anderthalb Jahren ist Gre-
nell nun schon auf Posten, und bis heute
hat die Kanzlerin ihm kein Gespräch unter
vier Augen gewährt. Merkels Leute sagen,
es sei auch nicht üblich, dass eine Regie-
rungschefin einen Botschafter empfange.
Aber selbst der deutsche Außenminister
Heiko Maas hat sich seit fast einem Jahr
nicht mehr mit Grenell zu einem längeren
Gespräch getroffen. Das letzte Mal spra-
chen die beiden auf einer Party der »Bild«-
Zeitung im September vergangenen Jahres
ausführlicher miteinander. Grenell wollte
sich auch dazu nicht äußern.
Offensichtlich hielten Maas und der Bot-
schafter beim »Bild«-Event Small Talk,
doch selbst das ging schief: Noch am glei-
chen Abend erzählte Grenell, ausgerech-
net Maas sei Fan des Musikers Kid Rock,
eines der wenigen Trump-Unterstützer in
der amerikanischen Showbranche. Tat-
sächlich hatte Maas noch nie etwas von
Kid Rock gehört. Er hatte von Pearl Jam
gesprochen, einer linken Grunge-Band.
Trump und Grenell sind sich erstaunlich
ähnlich. Beide teilen großzügig aus, sind
aber äußerst sensibel, wenn sie selbst an-
gegriffen werden. Wie Trump hat auch
Grenell ein Faible für rechte Verschwö-
rungstheoretiker. Kürzlich teilte Grenell
einen Tweet der rechten Kolumnistin Ka-
tie Hopkins. Darin behauptet die Britin,
»Merkels Medien« würden die Schwert -
attacke eines Migranten in Stuttgart mit
»kulturellen Differenzen« erklären. Und
wie Trump ist auch Grenell ein Virtuose
der Eigen-PR.
Vor vier Wochen gab der Botschafter
dem konservativen Nachrichtenkanal Fox
News ein Interview. Grenell ist häufig bei
dem Fernsehsender zu Gast, es ist die zu-
verlässigste Methode, sich die Aufmerk-
samkeit des Präsidenten zu sichern. An
diesem Tag sprach Grenell ganz grundsätz-
lich über die amerikanische Außenpolitik.
Es ging um die Frage, wie die USA in der
Welt gesehen werden. »Barack Obama
war in Deutschland überaus beliebt«, sagte
Grenell. Dennoch hätten die Deutschen
unter anderem weiter viel zu wenig Geld
in Rüstung gesteckt und mit der Planung
der Nord-Stream-2-Pipeline begonnen.
»Ich bin mir deshalb nicht sicher, ob wir
uns darum bemühen sollten, beliebt zu
sein.«
Offenbar hat Trump seinem Botschaf-
ter sehr genau zugehört. Nur einen Tag
nach dessen Interview flog der Präsident
für einen Wahlkampfauftritt nach North


Carolina. Er hielt dort jene inzwischen be-
rüchtigte Rede, in der er die muslimische
Kongressabgeordnete Ilhan Omar so lan-
ge attackierte, bis die Menge schrie:
»Schick sie zurück!« Die Empörung über
den Präsidenten und seine Anhänger war
riesig.
Doch in der allgemeinen Aufregung
ging unter, dass Trumps Rede auch eine
Spitze gegen Angela Merkel enthielt: »Ge-
rade gab es eine Umfrage, und in der stand,
dass die Deutschen Obama lieber mögen
als Trump«, sagte der Präsident. »Ich habe
gesagt: Ist doch klar, weil ich sie dazu brin-
ge, ihre Rechnung zu bezahlen. Obama
würde dorthin fahren, eine Rede halten
und wieder verschwinden. Ich fahre dort-
hin und sage: Lasst mich mit Ankela spre-
chen. Ankela, du musst deine Rechnung
zahlen!« Die Halle amüsierte sich köstlich,
vor allem, weil der Präsident den Namen
der deutschen Kanzlerin so schön eckig
aussprach.
Inzwischen fragen sich manche in der
Berliner Regierung, ob es nicht klüger
wäre, Trump und seinen Statthalter etwas
pfleglicher zu behandeln. Ihn faktisch zum

Paria zu erklären, so argumentieren sie,
treibe ihn nur noch mehr in die Radika -
lisierung.
Zuletzt drohte Grenell in der vergange-
nen Woche nur wenig verhohlen mit dem
Abzug der amerikanischen Soldaten aus
Deutschland. »Es ist geradezu beleidigend
anzunehmen, dass die amerikanischen
Steuerzahler weiter mehr als 50 000 Sol-
daten in Deutschland bezahlen und die
Deutschen gleichzeitig ihren Handelsüber-
schuss für heimische Investitionen nut-
zen«, sagte er der dpa. Kurz zuvor hatte
die US-Botschafterin in Warschau, Geor-
gette Mosbacher, vorgeschlagen, Washing-
ton solle doch mehr seiner in Europa sta-
tionierten Truppen nach Polen verlegen.
Dort schließlich erfülle man das von
Trump immer wieder geforderte Zwei-Pro-
zent-Ziel der Nato, anders als in Deutsch-
land. Trump persönlich teilte den Tweet
der Warschauer Botschafterin mit seinen
63 Millionen Followern.
Die neueste Tirade ist ein gutes Beispiel,
dass es Grenell ähnlich wie Trump vor al-
lem um die Show geht. Denn von seinen
Besuchen auf den US-Basen in Deutsch-
land müsste Grenell wissen, dass die Ame-
rikaner von ihnen mindestens ebenso pro-
fitieren wie umgekehrt. Das Pentagon will
die Stützpunkte sogar aufrüsten.
Die riesigen US-Basen in Ramstein oder
in Stuttgart dienen heute nicht mehr vor
allem als Schutz gegen den Feind im Osten,
sondern als Drehscheiben für Einsätze im
Nahen Osten. So werden alle Verwunde-
ten aus den Einsatzgebieten in das riesige
Militärkrankenhaus Landstuhl ausgeflo-
gen. Im Miesau Army Depot unterhält die
US-Armee eines der größten Munitions -
lager weltweit. Die Standorte Vilseck und
Grafenwöhr sind für das Training der US-
Armee mit Nato-Partnern unerlässlich.
Daneben kommandiert die US-Armee
von Deutschland aus einen Großteil ihrer
weltweiten Missionen. Im Raum Stuttgart
steuern die Militärs zum Beispiel alle Trup-
penbewegungen in Europa sowie jede der
unzähligen Operationen in Afrika. Die gut
ausgebauten Basen in einem stabilen Land
wie Deutschland, das den Amerikanern
viele Liegenschaften mehr oder minder
umsonst überschrieben hat, würde wohl
kein US-Kommandeur freiwillig aufgeben.
Die politische Unterstützung für einen
Abzug von US-Truppen aus Deutschland
hätte Trump sowieso nicht. »Im Kongress
gibt es nicht auch nur annährend eine
Mehrheit dafür, die Beziehung zu Deutsch-
land zu gefährden oder zu zerstören«, sagt
Biden-Berater Burns. Deutschland sei
weltweit einer der wichtigsten Partner der
USA. Ein Abzug der US-Truppen kommt
für Burns nicht infrage: »Es wäre ein Ver-
rat an unserem Bündnis mit Deutschland.«
Wenn es ein Symbol gibt für die zerrüt-
teten deutsch-amerikanischen Beziehun-

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Deutschland

Quelle: Statistisches Bundesamt

US-
Handelsbilanz-
defizit

Wenig Gegenverkehr
Handelsbilanz mit den USA,
nur Güter, in Mrd. €

Produkte
Ausgewählte Warengruppen
2018, in Mrd. €

Deutsche Exporte
in die USA

D ¬ USA USA ¬ D

Deutsche Importe
aus den USA

2018
113,

2018
64,

2000
61,

2000
47,

Kraftfahrzeuge 25,5 5,
Maschinen 24,3 13,

Pharmazeutische Erzeugnisse 13,4 6,
Elektrotechnische Erzeugnisse 9,9 6,

Chemische Erzeugnisse 5,5 4,
Eisen- und Stahlerzeugnisse 2,9 0,

Luft- und Raumfahrzeuge 2,7 1,
Mineralische Brennstoffe 0,1 3,
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