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as Jahr 2020 übt eine gewisse An-
ziehungskraft auf Paul Achleitner
aus. Die Deutsche Bank, deren Auf-
sichtsratschef er ist, feiert dann ihren
- Geburtstag – wohl nicht allzu pompös,
der Konzern ist noch immer ein Sanie-
rungsfall. Aber sicher angemessen würdig.
Es wäre ein Termin nach Achleitners
Geschmack, der Österreicher liebt weihe-
volle Auftritte vor Publikum. Doch es ist
offen, wie sehr er noch in die Feierlichkei-
ten eingebunden sein wird. Mächtige Inves -
toren sind unzufrieden mit ihm. Achleitner
wird eine Menge angelastet: die strategi-
schen Volten der vergangenen Jahre, die
laxe Aufarbeitung von Skandalen und fal-
sche Personalentscheidungen. Den Rats-
chef trifft der geballte Unmut, zumal er seit
seinem Amtsantritt 2012 die einzige Kon-
stante an der Bankspitze ist.
Achleitners Kredit ist fast aufgebraucht.
Es gebe »konkrete Gedankenspiele« um
seine Ablösung, heißt es bei Investoren.
Der Ratschef sei, anders als früher, nicht
mehr sakrosankt. In vergangenen Krisen
konnte er sich oft retten, weil er als unver-
zichtbar galt. Vor allem 2015 und 2018, als
er die Vorstandschefs Anshu Jain und John
Cryan opferte, um aufgebrachte Aktionäre
zu befrieden. Dabei waren die schon da-
mals auch mit Achleitner unzufrieden, hiel-
ten aber an ihm fest, um kein Vakuum an
der Konzernspitze zu riskieren.
Jetzt ist die Situation anders. Vorstands-
chef Christian Sewing genießt das Vertrau-
en der wichtigsten Geldgeber. Der Kon-
zernsprössling, seit 1989 fast ununterbro-
chen bei der Deutschen Bank, verbreitet
zwar keinen Glanz, seit seinem Dienst -
beginn 2018 hat die Aktie 47 Prozent ver-
loren. Aber die Investoren honorieren,
dass er die Probleme anpackt.
Insbesondere die großen Anteilseigner
stehen zu Sewing – die Katarer Hamad
bin Khalifa Al Thani und Hamad bin Jas-
sim Al Thani sowie die US-Vermögensver-
walter Blackrock und Cerberus (siehe Gra-
fik). Für den Konzernchef spricht, dass er
die ungeliebten, von Achleitner forcierten
Fusionsgespräche mit der Commerzbank
abgebrochen hat, Tausende Stellen streicht
und das Investmentbanking stutzt.
Letzteres ist gewagt, das Investment-
banking stellt eine relative Stärke gegen-
über europäischen Rivalen dar. Aktionäre
mahnen deshalb, der Bankchef müsse alles
tun, um den Bereich zu stabilisieren. Se-
wing ist gerade auf der Suche nach einem
Vorstand für die Konzernsparte, über-
gangsweise verantwortet er sie selbst.
Noch hat er Ruhe. Vom nächsten Jahr
an sollten jedoch Erfolge der neuen Stra-
tegie sichtbar werden. Falls nicht, werde
Sewing unter Druck geraten, vor allem
aber werde Achleitners Zeit ablaufen,
heißt es im Kreis der Großinvestoren. Dass
Achleitner sich abermals per Rauswurf des
Vorstandschefs selbst rettet, gilt als ausge-
schlossen. Zu viel hat sich aufgestaut.
Die Aktionäre lasten Achleitner nicht
nur strategische und personelle Versäum-
nisse an. Sie kritisieren auch die Zusam-
mensetzung des Aufsichtsrats, der zu sei-
nem »Freundeskreis« mutiert sei. »Er hat
seine Kollegen mehr aus persönlichen als
aus professionellen Gründen rekrutiert«,
sagt ein Insider. Ratsmitglied Gerhard
Eschelbeck etwa, Österreicher wie Achleit-
ner und früher Sicherheitschef des Such-
maschinenbetreibers Google, sei zwar fach-
kundig in IT-Fragen, leider wisse er nicht,
was eine Anleihe sei, ätzt ein Investor.
Aktuell verlässt einer der letzten Ge-
genpole zu Achleitner den Aufsichtsrat,
der Brite Richard Meddings. Für ihn
kommt Jürg Zeltner, Ex-Konzernvorstand
der Schweizer Großbank UBS. Er soll die
Interessen der katarischen Investoren im
Aufsichtsrat vertreten. Ihr bisheriger Ge-
währsmann dort, Stefan Simon, wechselt
in den Vorstand, um das Rechtsressort
auszufüllen. Damit haben die Katarer ab
sofort zwei Horchposten in der Bank.
Die Großaktionäre dringen darauf, neue
Leute in den Aufsichtsrat zu holen – um
Achleitner durch Know-how einzuhegen
und einen Nachfolger aufzubauen. Gesucht
wird nach einer Persönlichkeit mit inter -
nationalem Netzwerk, besten Drähten zu
Politik, Wirtschaft und Aufsichtsbehörden
in Deutschland sowie hoher Glaubwürdig-
keit an den Kapitalmärkten. Gefahndet
wird weiträumig, die Liste deutscher Kan-
didaten ist jedoch überschaubar.
Nikolaus von Bomhard, Aufsichtsrats-
chef des Rückversicherers Munich Re, wird
von Investoren genannt. Jemand wie Bun-
desbankpräsident Jens Weidmann gilt eini-
gen als »Traumlösung«. Der ist mit 51 Jah-
ren jung und könnte mit der Aussicht ge -
ködert werden, tatsächlich mal gestalten
zu können. Seine geldpolitische Isolation
innerhalb der Europäischen Zentralbank
sei auf Dauer schließlich frustrierend. Ähn-
lich ging es seinem Vorgänger Axel Weber,
der inzwischen Gefallen am Job als Verwal-
tungsratschef der UBS gefunden hat.
Allerdings gibt es zumindest bei einem
der mächtigsten Aktionäre Vorbehalte ge-
gen Weidmann. Ein Notenbanker an der
Aufsichtsratsspitze einer Privatbank sei
nur schwer vorstellbar. Konkret gespro-
chen worden sei noch mit niemandem.
Achleitner wittert die Revolte und setzt
sich, gewieft wie er ist, scheinbar selbst an
die Spitze der Bewegung. Er lässt verbrei-
ten, seinen Nachfolger selbst zu suchen –
jedoch erst für die Zeit ab 2022, wenn sein
Mandat auslaufe.
So viel Zeit dürfte ihm kaum bleiben.
Die Suche nach dem Neuen dürfte zum
Jahreswechsel Fahrt aufnehmen – selbst
wenn die Deutsche Bank überraschend
die Wende schafft. Achleitner könnte
dann immerhin noch halbwegs gesichts-
wahrend verabschiedet werden. Mehr ist
für ihn nicht mehr drin.
Tim Bartz, Martin Hesse
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Wirtschaft
Achleitners
Endspiel
KarrierenGroßaktionäre der
Deutschen Bank arbeiten auf die
Ablösung des umstrittenen
Aufsichtsratschefs hin.
Schon kursieren erste Namen.
BERND HARTUNG / AGENTUR FOCUS
Vorsitzender Achleitner
2012 2019
35
25
15
5
Deutsche Bank
Aktie in Euro
4,98
3,1 4
Hudson Executive
Blackrock
3,05
Paramount
Services*
3,05
Supreme
Universal*
3,00
Cerberus
82,78
Sonstige
Eigentümerstruktur, Anteile in Prozent
* Katarische Eigentümer, sie haben durch Derivatekonstruktionen
Kontrolle über weitere Anteile.
- August
5,90
Quelle: Refinitiv Datastream