Frankfurter Allgemeine Zeitung - 23.08.2019

(Barré) #1

FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG Immobilien FREITAG, 23. AUGUST 2019·NR. 195·SEITE I 3


HAMBURG,22. August


B


auherren, Architekten und Inge-
nieure fieberten – wenn auch unter-
schiedlich motiviert – der Urteils-
verkündung der Luxemburger Richter am



  1. Juli entgegen. Mit diesem Tag und dem
    Urteil des Europäischen Gerichtshofs
    (EuGH) besteht nun Klarheit, dass die
    Mindest- und Höchstsätze des verbindli-
    chen Preisrechtes der Honorarordnung
    für Architekten und Ingenieure (HOAI)
    europarechtswidrig sind (F.A.Z. vom 12.
    Juli). Über die Frage, welche unmittelba-
    ren Rechtsfolgewirkungen diese Entschei-
    dung auf die Honorarpraxis hat, ist zwi-
    schenzeitlich ein juristischer Streit ent-
    brannt, der in mehrfacher Hinsicht der-
    zeit für alle am Bau Beteiligten zur erheb-
    lichen Rechtsunsicherheit führt.
    Mit Urteil des Oberlandesgerichts
    (OLG) Celle vom 17. Juli (Az. 14 O
    188/18) begann der intensivierte Reigen
    der juristischen Auseinandersetzung
    nach dem Luxemburger-Urteil. Die nie-
    dersächsischen Richter hatten zu entschei-
    den, ob einer Planerin, nachdem diese be-
    reits in den Jahren 2011 bis 2015 Schluss-
    rechnungen gestellt hatte, noch ein weite-
    rer, darüber hinausgehender Honoraran-
    spruch aus weiteren in den Jahren 2016
    und 2017 gelegten Honorar-Schlussrech-
    nungen von mehr als 600 000 Euro brutto
    zustehe. Die Begründung der Planerin lau-
    tete, dass mit den ursprünglich gelegten
    Schlussrechnungen nicht die Mindestho-
    norare nach der HOAI abgerechnet wor-
    den seien und ihr daher ein erhöhter –
    weitergehender – Honoraranspruch zuste-
    he. Dass dies wundernahm bei der Bau-
    herrenseite, die sich insbesondere darauf
    berief, sie habe auf die bisherigen Schluss-
    rechnungslegungen vertraut, bedarf kei-
    ner weitergehenden Erörterung, zumal
    diese sich darauf berief, dass die erstgeleg-
    ten Schlussrechnungen doch genau dem
    entsprachen, was die Parteien hinsicht-
    lich der Honorierung vereinbart hätten.
    Damit entfachte sich folglich der Streit –
    wie häufig in der Praxis festzustellen –
    über die Frage, ob die Honoraraufsto-
    ckungsklage erfolgreich ist oder nicht;
    sich also die Planerseite mit Erfolg auf
    die Mindesthonorare der HOAI berufen
    dürfe.
    In Celle wurde nun mit Blick auf die Lu-
    xemburger-Entscheidung hervorgehoben,
    dass die nationalen Gerichte verpflichtet
    seien, die für europarechtswidrig erklär-
    ten Regelungen der HOAI nicht mehr an-
    zuwenden. Das Luxemburger-Urteil erfah-
    re auch eine unmittelbare Umsetzung in
    laufenden streitigen Honorarverfahren,
    da der EuGH für alle Mitgliedstaaten ver-
    bindlich das Recht der Europäischen Uni-
    on auslegt und daher von den nationalen
    Gerichten streitgegenständliche Normen
    nur nach Maßgabe des Rechts der Euro-
    päischen Union ausgelegt werden dürfen.
    Bereits unmittelbar nach Veröffentli-


chung des Urteils aus Luxemburg hat das
Bundesministerium für Wirtschaft und
Energie sich gleichermaßen dahingehend
positioniert, dass die öffentlichen Stellen


  • damit also auch die nationalen Gerichte

  • das Honorarrecht nicht mehr anwenden
    dürfen, jedenfalls soweit es die zwingen-
    den Vorgaben der Mindest- und Höchst-
    sätze betrifft. Dem hat sich mit Erlass
    vom 5. August das Bundesministerium
    des Innern, für Bau und Heimat ange-
    schlossen und Honoraranpassungsansprü-
    che an dem Mindestsatz verneint. Damit
    war der Planerin jedenfalls in der Beru-
    fungsinstanz der Erfolg – wie auch, je-
    doch mit einer anderen Begründung,
    beim Landgericht Hildesheim – hinsicht-
    lich deren Honorarerhöhungsverlangen
    von mehr als 600 000 Euro versagt.
    Nur neun Tage später verkündete der-
    selbe OLG-Senat Celle (Urteil vom 23.
    Juli, Az. 14 U 182/18) ein weiteres Urteil.
    Hier hatten die Richter sich nunmehr mit


einer Architektin zu befassen, die sich auf
ein vereinbartes Pauschalhonorar berief,
welches knapp 200 000 Euro über dem
Höchstsatz nach der HOAI lag, was den
Bauherreneinwand hervorbrachte, mit
der geltend gemachten Honorarforde-
rung werde der zulässige Höchstsatz über-
schritten. Hier blieb die Bauherrenseite
zunächst ohne Erfolg, vielmehr gestan-
den die Richter der Architektin die Vergü-
tung nach der Pauschalhonorarvereinba-
rung zu. Denn wiederum mit Blick auf die
unmittelbare Reflexwirkung der EuGH-
Entscheidung vom 4. Juli auf den zu be-
wertenden Rechtsstreit sei auch hier un-
mittelbar einwirkend die Entscheidung
des Europäischen Gerichtshofes zu be-
rücksichtigen, da die Höchstsätze als euro-
parechtswidrig erkannt worden sind. Be-
rechtigterweise weisen die Richter in die-
ser Entscheidung auch darauf hin (F.A.Z.
vom 12. Juli), dass die europäische Dienst-
leistungsrichtlinie auf die innerstaatli-
chen Sachverhalte anwendbar ist, mit der
Folge, dass der vom EuGH konstatierte
Verstoß der HOAI gegen die Dienstleis-
tungsrichtlinie unmittelbar auch zur Fol-
ge hat, dass die staatlichen Gerichte nun-
mehr Honorarvereinbarungen, die das
Preisrecht der HOAI ignorieren, nicht
mehr unter diesem Gesichtspunkt als un-
zulässig bewerten dürfen.
Im Gegensatz hierzu positionierte sich
am selben Tage im Urteil vom 23. Juli, Az.
21 U 24/18) das OLG Hamm, welches

über eine Honorarschlussrechnungsforde-
rung eines Ingenieurs zu entscheiden hat-
te, die sich auf eine Mindestsatzabrech-
nung stützte und die ursprüngliche verein-
barte Honorarpauschale wiederum deut-
lich überschritt. Die nordrhein-westfäli-
schen Richter sahen den Anspruch des In-
genieurs begründet. Denn es liege ein Ver-
stoß gegen die zwingende Mindestpreisre-
gelung der HOAI vor. Diese sei nach wie
vor anwendbar. Die Luxemburger Ent-
scheidung zur europarechtlichen Unwirk-
samkeit der Mindestsätze ändere hieran
nichts. Maßgeblich meinte sich der ent-
scheidende Senat darauf berufen zu kön-
nen, dass das Urteil aus dem Vertragsver-
letzungsverfahren hier nur den Mitglied-
staat, die Bundesrepublik Deutschland,
dergestalt binde, nach eigenem Ermessen
die geeigneten Maßnahmen nunmehr er-
greifen zu müssen, um den europarechts-
widrigen Zustand, wie in der HOAI ver-
körpert, zu beseitigen. Hinsichtlich be-

gründeter Vertragsverhältnisse habe die-
se Entscheidung keine unmittelbare Aus-
wirkung. Da sich hiermit die Hammer
Richter in eine Gegenposition zum OLG
Celle begaben, entfaltete dieser Wider-
streit eine grundsätzliche Bedeutung. Die
Revision zum Bundesgerichtshof (BGH)
lies folgerichtig das OLG Hamm zu. Die-
se ist zwischenzeitlich auch zum Bau- und
Architektensenat des BGH (Az. VII ZR
174/19) eingereicht worden.
Für die Praxis bleibt derzeit Rechtsunsi-
cherheit. Denn auch die architektenrecht-
liche Literatur ist uneins, bezogen auf die
Auswirkungen des europarechtlichen
Richterspruchs vom 4. Juli hinsichtlich be-
gründeter Honorarvereinbarungen und
damit zusammenhängender Streitigkei-
ten. Jeder Schritt – ob außergerichtlich
oder gerichtlich – in Honorarkonflikten
will daher sowohl planer- wie auch bau-
herrenseitig gut überlegt sein. Es bleibt
nicht überzeugend, die europarechtswidri-
gen Regelungen der Mindest- und Höchst-
sätze weiterhin in derartigen konfliktgela-
gerten Fällen anzuwenden, da damit die
Verbindlichkeitsmaxime leerläuft, dass
der EuGH das Unionsrecht rechtsverbind-
lich auszulegen hat. Es wäre auch ein Ab-
gesang darauf, der Dienstleistungsfreiheit
unter der Maxime der europäischen
Dienstleistungsrichtlinie zur Durchset-
zung zu verhelfen.
Gerichtliche Honorarstreitigkeiten, die
nicht einem zwingenden Fristablauf un-

terliegen, sollten folglich derzeit, ob der
nicht geklärten Rechtslage, zurückgestellt
werden. Bezogen auf laufende gerichtli-
che Honorarstreitigkeiten ist jedenfalls
die Überlegung anzustrengen, das zur Ent-
scheidung berufene Gericht zu veranlas-
sen, bis zur höchstrichterlichen Entschei-
dung das Verfahren auszusetzen.
Hinsichtlich der Honorarvereinba-
rungspraxis besteht der sichere Weg nur
darin, bei – nach wie vor – Orientierung
an den Höchst- und Mindestsätzen der
HOAI dies zur ausdrücklichen Parteiver-
einbarung dokumentierend – also schrift-
lich – zu machen. Die strengen Vorausset-
zungen einer Honorarvereinbarung, die
sich über den Mindestsätzen bewegt, wie
sie die HOAI vorsieht, nämlich die not-
wendige Schriftlichkeit bei Vertrags-
schluss, dürfte mit der Entscheidung der
Luxemburger Richter gleichermaßen –
auch wenn diese auf diese Regelungen in
der HOAI nicht ausdrücklich in ihrem Ur-
teil eingehen – obsolet sein. Denn hier-
mit wird gleichermaßen eine Reglemen-
tierung geschaffen, die in der Rechtsfol-
gewirkung – also, wenn weder eine
schriftliche noch eine Honorarvereinba-
rung bei Auftragserteilung begründet
worden ist – die Mindestsatzfiktion aus-
löst. Zwar ist gemäß seiner jüngsten Ent-
scheidung das Landgericht Hamburg (Ur-
teil vom 23. Mai, Az. 321 O 288/17) der
Auffassung, trotz der Unionsrechtswid-
rigkeit der HOAI-Mindestsätze würde
bei einer unwirksamen Honorarvereinba-
rung der HOAI-Mindestsatz gelten, da
dies die übliche Vergütung darstelle. Die-
se dürfte jedoch zu kurz greifen. Fällt die
Mindestsatzfiktion ob der Unionsrechts-
widrigkeit des Luxemburger-Urteils weg,
besteht eine Taxe nicht mehr. Die Üblich-
keit der Vergütung richtet sich nach weit
differenzierteren Kriterien als nach der
bloßen – empirisch nicht belegten – ge-
richtlichen Behauptung, die in der HOAI
vorgesehene Vergütung würde diese ab-
bilden.
Wie diesbezüglich das Hanseatische
Oberlandesgericht, zu dem zwischenzeit-
lich die Berufung gegen das landgerichtli-
che Urteil eingelegt worden ist, entschei-
den wird, bleibt abzuwarten. Vorsicht ist
jedenfalls in jeder Hinsicht, bezogen auf
die Durchsetzung und Ausgleichung von
Honoraransprüchen, geboten, wie die
derzeit widerstreitende Debatte zeigt.
Der Autor ist Rechtsanwalt und Gründungspartner
der Sozietät SK-Rechtsanwälte in Hamburg sowie
Professor für privates Baurecht an der Hafencity
Universität Hamburg (HCU).

Quadratmetermiete
nur für tatsächliche Fläche
Ist eine echte Quadratmetermiete ver-
einbart, bestimmt sich die geschuldete
Miete auf Grundlage der tatsächlichen
Fläche. Im Fall kündigte der Mieter das
Gewerberaummietverhältnis außeror-
dentlich, weil die Mietfläche tatsächlich
um 7,2 Prozent geringer war als vertrag-
lich vereinbart – zu Recht. Die Abwei-
chung der tatsächlichen von der verein-
barten Mietfläche stelle hier einen Sach-
mangel dar. Wenn die Flächenabwei-
chung zu einer Reduzierung der Miete
führt, so werde dem Mieter damit zu-
gleich in erheblichem Maße der vertrags-
gemäße Gebrauch des Mietobjektes vor-
enthalten. Oberlandesgericht Dresden,
Urteil vom 10. Juli 2019, Az. 5 U 151/19.

Verbrauchserfassung bei
defektem Wärmemengenzähler
Eine Kostenverteilung nach der Ver-
brauchserfassung setzt neben einem ord-
nungsgemäßen Ablesen auch den ein-
wandfreien Betrieb des Erfassungsgerä-
tes voraus. Vorliegend klagte der Mieter
auf Rückzahlung aus Nebenkostenab-
rechnungen für mehrere Jahre, weil ei-
ner von zwei Wärmemengenzählern aus-
gefallen war und die Abrechnungen da-
durch fehlerhaft seien. Das Gericht stell-
te klar, dass eine ordnungsgemäße Erfas-
sung des Wärmeverbrauchs nicht mög-
lich sei. Der Verbrauch des Mieters kön-
ne anhand von Vergleichsschätzungen
ermittelt werden. Übersteigt die betrof-
fene Fläche 25 Prozent der Gesamtflä-
che, komme nur eine flächenanteilige
Umlegung in Betracht. Landgericht
Hamburg, Urteil vom 20. März 2019,
Az. 311 O 1/16.

Untervermietung
zwecks Räumungsabwendung
Ein Mieter macht sich schadenersatz-
pflichtig, wenn er ein Räumungsurteil ge-
gen ihn vorhersehen kann und trotzdem
untervermietet, um die Vollstreckung zu
erschweren. Im Fall hatte der Vermieter
von Gewerberäumen das Mietverhältnis

gekündigt und erfolgreich auf Herausgabe
der Räume geklagt. Während des Beru-
fungsverfahrens untervermietete der Mie-
ter die Einheiten. Die Vollstreckung des
Räumungsurteils blieb erfolglos, da gegen
den Untermieter ein Titel nicht vorlag.
Der Vermieter klagte daraufhin gegen den
Mieter auf Schadenersatz und bekam
recht. Die Untervermietung sei eine sitten-
widrige Schädigung zu Lasten des Vermie-
ters. Oberlandesgericht München, Urteil
vom 2. Mai 2019, Az. 32 U 1436/18.
Simone Engel,Rechtsanwältin in der Kanzlei
Bethge Immobilienanwälte, Hannover

Verwirkung der
Maklerprovision
Die Doppeltätigkeit eines Maklers führt
zur Verwirkung der Provision, wenn er
für beide Seiten des Hauptvertrages eine
Vermittlungstätigkeit vornimmt und
dies nicht vorher offenlegt oder dies
nicht ausdrücklich vom Kunden gestat-
tet wird. Die Provision kann auch durch
die Verwendung einer vom Makler vor-
formulierten Reservierungs-/Ankaufs-
vereinbarung verwirkt sein. Dies ist der
Fall, wenn auf den Kunden in unzulässi-
ger Weise wirtschaftlicher und schein-
bar rechtlicher oder moralischer Druck
ausgeübt wird. Entsteht trotz Verwen-
dens einer formnichtigen Ankaufsver-
einbarung beim Kunden der irrige Ein-
druck, ihm stehe die Entschließungsfrei-
heit bis zum Abschluss des Kaufvertra-
ges nicht mehr zu, reicht dies für eine
Verwirkung der Provision aus. Oberlan-
desgericht Düsseldorf, Urteil vom 5. Ok-
tober 2018, Az. 7 U 194 /17.

Provision trotz
ungesicherter Finanzierung
Vereinbart der Makler einen Notarter-
min zum Abschluss eines Kaufvertrages
und zur Auflassung, obwohl die Finanzie-
rung noch nicht sichergestellt ist, be-
rührt dies den Anspruch auf Maklerpro-
vision nicht. Der Käufer verweigerte die
Zahlung der Provision. Er berief sich dar-
auf, dass aufgrund der nicht sichergestell-
ten Finanzierung weitere Protokollie-
rungstermine erforderlich und dadurch
höhere Notargebühren angefallen seien.
Mit diesem Schaden erklärte er die Auf-
rechnung. Das Gericht stellte klar, dass
der Makler keine allgemeine Vermögens-
betreuungspflicht hat und sich seine Auf-
klärungspflichten nicht darauf beziehen.
Amtsgericht Wertheim, Urteil vom 25.
April 2019, Az. 1 C 198/18.
Veronika Thormann,Rechtsanwältin in der
Kanzlei Bethge Immobilienanwälte, Hannover

P.O.WORTHING,22. August. Der mit
Abstand größte europäische Möbelhan-
delskonzern, die schwedische Ikea-Grup-
pe, hat sich entschieden, im Sommer die-
ses Jahres zum zweiten Mal den Eintritt
in das britische Bauträgergeschäft zu ver-
suchen. Der erste Anlauf vor zehn Jahren
scheiterte infolge der weltweiten Finanz-
markt-Krise. Inzwischen gibt es zwar an-
dere hohe Hindernisse wie etwa das unge-
löste Thema Brexit, den Ausstieg der Bri-
ten aus der EU. Ikea aber schlägt nun ei-
nen ganz anderen Weg ein: Denn die
Schweden machen am britischen Markt
zum ersten Mal mit der öffentlichen
Hand gemeinsame Sache. Dabei handelt
es sich um die Verwaltung einer Küsten-
stadt in der südenglischen Grafschaft
West Sussex. Das mehr als 100 000 Ein-
wohner zählende Worthing spielt als See-
bad im Lande eine Rolle, ist zugleich aber
auch ein beliebter Standort vieler kleine-
rer Finanzmarkt-Unternehmen, die meist
aus dem teuren London dorthin umgezo-
gen sind.
Ikea und die Stadtverwaltung von Wor-
thing haben sich darauf geeinigt, dort zu-
nächst 162 Wohneinheiten – sowohl Ei-
gentumswohnungen als auch Einfamilien-
häuser – auf einem städtischen Grund-
stück bauen zu lassen. Zur Preisreduzie-
rung für diese Wohneinheiten bleibt der
Grund und Boden weiter in öffentlichem
Besitz und die Käufer bekommen Pacht-
verträge. Um die Kosten weiter zu sen-
ken, setzt Ikea auf Fertigbauelemente aus
einer eigenen, neuen Fertigung in Groß-
britannien. Die technische Seite des Ge-
schäfts hat Ikea einer Gesellschaft na-
mens Boklok übertragen, deren Kapital
sich in Händen sowohl von Ikea als auch
dem skandinavischen Baukonzern Skans-
ka befindet. Um die Preise für die Woh-
nungen und Häuser für die Kaufinteres-
senten weiter zu senken, gibt es für die
neuen Objekte allesamt das Angebot ei-


ner Hypothek auf 25 Jahre. Ikea beschafft
diese vom Zinsniveau her auch für ein El-
ternteil mit Kindern bezahlbare Finanzie-
rung selbst und rechnet dabei mit einer fi-
nanziellen Maximalbelastung von 31 Pro-
zent des frei verfügbaren Einkommens
des Erwerbers. Die Stadt Worthing erhält
zudem das alleinige Verfügungsrecht
über 30 Prozent der neuen Wohneinhei-
ten, die ausschließlich Familien mit An-
sprüchen auf Sozialwohnungen zugeteilt
bekommen sollen.
Ikea und die Stadtverwaltung von Wor-
thing verfolgen mit diesem Vertragswerk,

das schon Anfang 2021 bezugsfertigen
Wohnraum schaffen soll, ganz unter-
schiedliche Ziele. Den schwedischen Mö-
belkonzern lockt der bedeutende briti-
sche Immobilienmarkt, der vor allem
durch Einfamilienhäuser und – inzwi-
schen – kleinere Eigentumswohnungsbau-
ten gekennzeichnet ist. Dabei geht Ikea of-
fenbar davon aus, dass derjenige, der in
ein Ikea-Heim zieht, anschließend wohl
auch seinen Einrichtungsbedarf bei Ikea
deckt. In diesem Sinne hofft Ikea, dass
Worthing als erfolgreiches Modell bald
auch auf viele andere britische Standorte
übertragen werden kann.
Die Stadtverwaltung von Worthing
strebt vor allem danach, den dort arbei-
tenden Menschen nicht nur preisgünsti-
gen Wohnraum zu verschaffen, sondern
zugleich auch den landesweit von den
meisten Menschen angestrebten
„Sprung auf die Immobilienleiter“ zu er-
möglichen. Die Vereinbarung mit Ikea
wertet Kevin Jenkins, der Chef des Be-
reichs Regeneration der Stadt, als Chan-
ce, „hart arbeitenden Menschen eine
gute Möglichkeit zu geben, ihr eigenes
Heim selbst kaufen zu können“, denn zu
den Herausforderungen, mit denen sich
Worthing konfrontiert sieht, zählt vor al-
lem, dass dort der durchschnittliche
Kaufpreis für eine Wohneinheit, gleich
ob Eigentumswohnung oder Einfamilien-
haus, bei etwa dem Doppelten des Lan-
desdurchschnitts liegt. Dieses Missver-
hältnis, das sich nicht zuletzt auch aus
dem Seebad-Charakter dieser Stadt er-
klärt, bringt sowohl viele jüngere poten-
tielle Bewohner als auch deren künftige
Arbeitgeber mehr und mehr in Schwie-
rigkeiten. Jenkins bezeichnet die Proble-
me, zur Arbeitsstelle auch die passende
und bezahlbare Bleibe zu finden, als
„vielfach extrem hart“. Daher sieht er
das Vertragswerk mit Ikea als Beginn des
Ausstiegs aus diesem Dilemma.

Servicetelefon: 0800-333 33 09 http://www.von-poll.com


RECHTECK


Ikea geht ins britische Bauträgergeschäft


Möbelkonzern will zu günstigen Baupreisen an der englischen Südküste verhelfen


Eskalierender Streit über Architektenvergütung


Pionier:Hausin Wallau Foto Wolfgang Eilmes


Die Europarechtswidrigkeit


von Mindest- und Höchstsät-


zen für Planerleistungen hat


der Europäische Gerichtshof


bejaht. Nun ist der Streit


vollends darüber entbrannt,


welche Auswirkungen das


Urteil auf schon laufende


Honorarforderungen hat.


Von Friedrich-Karl Scholtissek

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