Panorama
Kunst
Fotos:
Collection
of NTNU
University
Library,
Trondheim;
Anders
Sundet
Solberg
/Nordenfjeldske
Kunstindustrimuseum,
Trondheim
(2);
© Trondheim
Kunstmuseum,
Norwegen
AbgeschiedenunddochüberdieVerdunklungderWeltstetsinformiert.Heutekannman
sichkaumvorstellen,wiedieRyggens(o.)ohneRadioalleDebattenverfolgten,darunter
auchdieTragödieumCarlvonOssietzky,denFriedensnobelpreisträger,derinGefangen-
schaftder Nazis elend starb. Hannah Ryggen widmete ihm „Der Todder Träume“(u., 1936).
HansRyggen“.Erst2012,alssechsTapisse
rienbeiderDocumentainKasselzusehen
waren, interessierte man sich plötzlich
wiederüberNorwegenhinausfürdiemo
numentalen Teppiche der eigenwilligen
Hannah Ryggen, die ihre Arbeit immer
auchalspolitischenAktivismusbegriff.
„Esistnichtsowiebeivielenanderen
Künstlerinnen,dieinderStillearbeiteten
understjetztposthumentdecktwerden“,
erklärtJohanBörjesson.„HannahRyggen
hatte viele Ausstellungen, viele Bespre
chungen. Sie war zielstrebig, überzeugt
vondem,wassiewollte.“Wahrscheinlich
mussmandas,wennmansichausgerech
netdasarbeitsintensiveWeben,jedesStück
einemonatelange,jajahrelangePlackerei,
alsAusdrucksmittelaussucht.
EsgibteineGeschichte,diemanhier
erzählt,undselbstwennsienichtstimmt,
sagtsievieldarüberaus,wasmanRyggen
inihrerHeimatzutraut.AlsdieNazisNor
wegenbesetztenundam6.Oktober 1942
inTrondheimdenAusnahmezustandver
hängten,zehnMännererschossen,dasetzte
sichRyggenanihrenWebstuhlundbegann
miteinemmonumentalenWandteppich,sie
nannte ihnnachdem Datum des Schre
ckenstages:„6.Oktober1942“.Aufderei
nenSeiteistihreFamilie.TochterMona,
EhemannHans,sieselbst,dietraurig in
einem Boot fortsegeln. Daneben: Trubel.
EinMannsacktvoneinerKugelgetroffen
zusammen,vorihmknieteinesehrschöne,
kostümierteDame,dahinter einweiterer,
nackterMann.ÜberdieserPietaschwebt
diabolischAdolfHitler,eineWaffeinjeder
Hand,soschießterumsich.Undtrifft.
WennmandieGesichtermitGeschichts
büchern vergleicht, erkennt manauf dem
TeppichWinstonChurchill,KnutHamsun
undalsSterbenden:HenryGleditsch,The
aterdirektorinTrondheim,vondenNazis
anebenjenem6.Oktober 1942 mitneun
weiteren Männern erschossen. Ryggen
zeigtihnim Theaterkostüm,seinIbsen
StückhättenureinenTagnachseinerEr
mordungPremieregefeiert. 1943 warHan
nahRyggenfertig.DochstattdenTeppich
einzurollenundihnaufdemDachboden
vordenBesatzernzuverstecken,sollsie
ihn aufgehängthaben.Außen am Haus,
dort,wodie Nazisvorbeipatrouillierten.
ObdieGeschichtestimmt?MaritPaasche,
dieeinefabelhafteRyggenMonografiege
schriebenhatunddieFrankfurterRetro
spektive zusammen mit EstherSchlicht
kuratiert,istnichtsicher;eineQuellegibt
es,siehältsiefürseriös.AberdassRyggen
furchtlosundsturwar,daranzweifeltauch
heute,fast 50 JahrenachihremTod,nie
mand.„Siewarsehrdirekt,manchmalso
direkt,dasssomancherbeleidigtwar“,sagt
Paasche. „Esgibtnichtmehr vieleMen
schen, die sie tatsächlich erlebt haben.
Aberdiejenigen,mitdenenichgesprochen
habe,beschriebensie gleichermaßenals
grandiosundfurchteinflößend.“
KompromissemachteRyggennicht.Lie
berlebtesieunterärmstenBedingungen
(erst 1944 wurdederabgeschiedeneHofan
dieElektrizitätangeschlossen,Verwandte
aus Schweden schickten Pakete mitBü
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