Der Standard - 24.08.2019

(lily) #1

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derStandard.at/Etat


SA./SO.,24./25.AUGUST2 019 37


Hoch die Tassen!


Rauchen istimFilm und in
Serien meistens den Bösewichten

vorbehalten, aber fastalle trinken.


Die Suchtexpertin Gabriele
Fischer hält den hohen
Serienalkoholkonsum zumTeil
für animierend.

DorisPriesching

C


ersei Lannister tut es, Don Draper
kann darauf nicht verzichten, Pat-
rick Melrose badet im Bourbon, Ho-
mer Simpson vertraut darauf, die lustigen
Freunde ausHowIMet Your Mothertreffen
einander regelmäßig zu Tratsch und Drink.
Ihr Objekt der Begierde: Alkohol, glas-,
kelch-, flaschen- oder krugweise, sooft es
geht, zu jeder Zeit, bei jedem Anlass.
Auffallend oft greifen Charaktere in
TV-Serien zur Flasche. Sie trinken aus al-
len möglichen Gründen, meistens tun sie
es –und so sehen wir sie–aus Gewohnheit.
Kapitalräusche, wie die legendären Patrick-
Melrose-Besäufnisse sind eher selten. Hier
ein Brandy, dort ein Likörchen, Schampus,
Prost! Kurz und gut: Serien haben ein Al-
koholproblem.
Das bestätigt auch die Suchtexpertin
Gabriele Fischer. „Bei ungefähr der Hälfte
aller Serien sieht man Figuren, die regelmä-
ßig Alkohol konsumieren.“
Alkoholkranke Menschen sind am
„Toleranzbruch“ zu erkennen, definiert
Fischer. „Wenn Personen immer mehr, im-
mer früher trinken, etwa um Entzugsbe-
schwerdenzubehandeln. Bei den Serien-
helden geht es mehr um die Imagefrage.
Während Qualmen in Film, Fernsehen und
Bewegtbild mehrheitlich Bösewichten
überlassen bleibt,ist eine charakterliche
Einordnung beim Alkohol nicht so eindeu-
tig möglich.
Die verkommeneKreatur trinkt genauso
wie die makellose Schönheit.InGame of
Thrones stimmteder Rotwein Regentin
Cerseinicht milde. Homer Simpson würde
Haus und Couch hergeben, um zu bewei-
sen, dass sein Bier nichtdeppertist.
Laut einer Studie im Auftrag des deut-
schen Bundesgesundheitsministeriums ist
in sechs von zehn TV-Sendungen Alkohol
zu sehen,in viervon zehn Sendungen wird
er konsumiert. Bei ausschließlich fiktiona-
len Formaten ist der Anteil noch höher:Mit
95,8 Prozent wurde in fast jedem Spielfilm,
der untersucht wurde, Alkohol getrunken.
Bei Serien lagder Anteil bei 61,2 Prozent,


bei Seifenopern bei 45,8 Prozent.Eine
„Anleitung zumTrinken“beobachtet die
Psychiaterin vom Wiener AKH in Fernseh-
serien seitDallasund Denver Clan.In-
zwis chen beobachtet sie mehr Serienfrau-
en beim Trinken. Aktuelles Beispiel: Im
Netflix-FilmOtherhoodwerden drei Müt-
ter, gespieltvon FelicityHuffman, Patricia
Arquetteund Angela Bassett, am Muttertag
von ihren Söhnenversetzt.

Frustwegtrinken
Den Frust über ihr Schicksal ertränken
sie zunächst in Whisky. „Ein Ritual“, sagt
Fischer und ist geneigt, den Damen zu ver-
zeihen. Weniger lustig findet sie es, dass
die drei dann trunken Auto fahren: „Das
ist eine befremdliche Darstellung.“
Dass die promillehaltigen Serienfreunde
die Zuschauer zum Trinken verleiten, will

Fischer nicht ausschließen, besonders
wenn der fiktionaleAlkohol in erstrebens-
werten Kreisen fließt: „Es hat schon ani-
mierenden Charakter, wenn man sich in
diese Welt des Establishmentshineinden-
ken kann.“
Bilden Serien die Realität ab? „Es gibt
eine gewisse Häufigkeit von Männern, de-
ren Alkoholkrankheit schon in jungenJah-
ren beginnt“, sagt Fischer–siehe zumBei-
spielPatrickMelrose. Trinkende Frauen in
der Lebensmittesind Fischer ebenso be-
kannt–seltenzwar mitBourbon zu Mittag,
wie inOtherhood, sondernimmer öfter
mit ProseccobeimFriseur am Vormittag.
Zu den gefährdetenGruppen gehörten
darüber hinaus immer mehr von Armut
bedrohteMenschen. Gesichertewissen-
schaftliche Datenfehlen in Österreich,
darüber hinausgibtes–fast einzigartig –

keinen nationalen Suchtplan mit klaren
Anleitungen, wie mit Diagnostik und The-
rapie umzugehen ist. „Das sagtetwas über
die Bagatellisierung von Alkohol aus“,
schlussfolgertFischer.
Die Vermutungliegt nahe,dass es
sich beim Seriensuff um Lösungsansätze
unter Drehbuchautoren handelt. Über den
Konsum von vergorenen, gebrauten oder
gebrannten Getränken wird versucht, eine
gewisse Atmosphäre darzustellen.Bier-
flaschen können Gemütlichkeit signalisie-
ren, der Brandy aus der schweren Bleikris-
tallkaraffe ein scharfes Detailankündigen,
der Schampus den ZuschauernPrickeln
vermitteln. „Es passt gut in die Dramatur-
gie, Szenen zu überzeichnen. Alkohol
schränkt die Kritikfähigkeit ein. Das dient
einer Szene zur Lockerung einer Situa-
tion“,sagt Fischer.

Herr und Frau Draper trinken in „Mad Men“ viel und regelmäßig: Serienfiguren genießen ihre Drinks oftinrauen Mengen.

Foto:HBO

D


ie Journalistenzunft kann
sich eines Neuankömm-
lings in ihren Reihen–er-
freuen wäre zu viel gesagt–also
besser: nicht erwehren. Das Er-
eignis hat etwas Planetarisches
an sich, war es doch ein ehema-
liger FPÖ-Obmann, der in einer
historischen Stunde auf der Insel
Ibiza seine profunden Gedanken
den Gestirnen zuwandte und die
geflügelten Wort sprach, Journa-
listen wärendie größten Huren
des Planeten.Gemeinsam ist bei-
den Ständen, dass ihre Arbeit
oft unbedankt bleibt, weshalb es
sich nicht sofort erschließt,
warum jemand, dessen Hang
zu politischer Prostitution auf
einem Video dokumentiert ist,
auch noch in journalistischer
Hurerei schwelgen zu müssen
glaubt. Kurz: Strache ist jetzt
Facebook-Reporter, teilte das
Gratisblatt „Heute“ Donnerstag
mit, samt der journalistischen
Selbsteinschätzung:„Ich agiere
im Status eines Redakteurs“.
Es mag manchen Freiheitli-
chen überraschen, wie kurz in
Österreich der Weg vom Vize-
kanzler zurHureist, noch mehr
aber, wie unterwürfig sich der
Abgehalfterte in seinem neuen

Zustand suhlt. Neulich noch der
Führer jener Partei, die ihm nun
die Administratorenrechte für
die Facebook-Seite„HC Strache“
entzogen hat,ist er jetzt „Redak-
teur“, muss seine Texte freigeben
lassen, findet das aber (offiziell)
okay.Dem„Redakteur“im Stand
der Hurerei gegenüber über-
nimmt die FPÖ die Rolle des Zu-
hälters, der als Eigentümer der
Seite verfügt, welchen Kunden-
serviceeraufFacebookweiterhin
anbieten darf.
Was er sich folgendermaßen
schönlügt:„Die Partei steuert als
Administrator die Verbreitung,
während ich im Status eines
Redakteurs agiere.“Und so wie
das Verhältnis zwischen Zuhäl-
ter und Hure meist schöngefärbt
wird,gehe es darum, „abgestimmt
und im Interesse der gemeinsa-
men freiheitlichen Ziele zusam-
menzuarbeiten“. Schließlich
geht es ja um eine freie Betäti-
gung, wenn auch unter unfrei-
willigen Umständen.

Wie unfreiwillig, das kann nur
jemand ermessen, der das Wesen
des Menschen in seiner Tiefe zu
erfassen vermag, der freiheitli-
che Landesrat zu St. Pölten,
Waldhäusl. „Wie verzweifelt
muss ein Mensch sein, wenn er vor
dem Scherbenhaufen seines Le-
benswerkes steht und dennoch je-
den zweiten Tag bar-
fuß in die Scherben
tritt?“,fiel im zu sei-
nem Ex-Parteichef
Strache ein. Die
Antwort darauf
fand sich schon vor-
her beim Schnee-
brunzer von der Zei-
tung Österreich,der
sich täglich derart rührend um
die Befindlichkeit seines nun-
mehrigen Berufskollegen –ge-
meint ist derRedakteur,nicht die
Hure–kümmert, dass man ihm
gelegentliches Harnverhalten
wünschen würde. Bei ihm durf-
teStracheDetailsausseinergröß-
ten Lebenskrisezum Besten ge-

ben,barfuß im Scherbenhaufen
seines Lebensstehend:„Ich war
noch nackt, als Polizei kam.“
Unter einem Innenminister Kickl
wäre das nicht passiert, aber in
den gegenwärtigen Zuständen
scheint alles möglich.„Es hat in
der Früh geklopft, ich bin aufge-
standen, habe gefragt, wer dort ist
–die Kriminalpoli-
zei. Ich war noch
nackt“ –und da der
entscheidende Feh-
ler –,habe sie dann
gebeten, noch etwas
zu warten. Ich habe
mich angezogen,
dann kam eine Be-
amtenschar ins
Haus.“ Das Ganze sei „ein
Schock“ gewesen.Wer weiß, ob
dieBeamtenscharnicht verstört
abgezogen wäre, hätte sie nackt
gesehen, wie eine Personalunion
von Hure und Redakteur im
Scherbenhaufen ihres Lebens
steht. Auf Ibiza wäre so viel
Schamgefühl besser gewesen.

Dabei geht es ja nicht nur um
die Facebook-Seite. Laut„Öster-
reich“ erbebt die FPÖ unter
einemZittern vor tausend Stra-
che-SMS,die auf seinem von der
Kriminalpolizei beschlagnahm-
ten Handy gespeichert sind. Wo
sind die Zeiten, wo jeder halb-
wegs intelligente Politiker die
Weisheit intus hatte, ein Schrift’l
ist ein Gift’l, und sich daran hielt.
Lautblauer Insidersollen Stra-
chesTexte verdeutlichen, dass die
Harmonie zwischen ÖVP und FPÖ
weit brüchiger war, als nach
außen dargestellt.
Wer hätte das gedacht! War
also die stets beschworene Har-
monie nur ein Schwindel? Auch
schon egal. Nur dass jetzt noch
ein Disput um dieRehaugenvon
Strache-Nachfolger Hofer ent-
brennt, geht zu weit. Deren
Glaubwürdigkeit in Bezug auf
Postenbesetzungen tendiere
gegen null,hat Professor Filz-
maier nach dessen Sommerge-
spräch diagnostiziert. Diese
Schmeichelei empörte Michael
Jeannée in der„Krone“,der das
seit Neuestem darf. Hofer habe
Kieselsteinaugen, die zu lächeln
versuchen.Aber die sind absolut
glaubwürdig.

BLATTSALAT


Videokünstler,Hure, Redakteur


GÜNTERTRAXLER

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