Hans-Jürgen Jakobs, Stefan Menzel,
Martin Murphy Düsseldorf, Frankfurt
W
as wird aus einem Menschen,
der seinem Gefühl nach den
falschen Namen trägt? Der
nicht „Porsche“ heißt wie der
berühmte Großvater, der mit
dem Wohlwollen der Nazis einst den „Käfer“ kon-
struierte und dann 1938 im heutigen Wolfsburg das
erste Volkswagen-Werk errichtete? Der stattdessen
„Piëch“ genannt wurde, so wie der Kaufmann, den
Porsches Tochter Louise geheiratet hat? Immerhin
war der Vorname gleich. Opa und Enkel hießen
Ferdinand.
Die Sache mit dem falschen Namen hatte große
Folgen, denn Zeit seines Lebens wollte Ferdinand
Piëch beweisen, dass er ein richtiger „Porsche“ ist,
der wahre, kongeniale Erbe des „Käfer“-Erfinders.
Besser jedenfalls als jeder aus dem anderen Zweig
der Dynastie unter seinem Cousin Wolfgang Por-
sche. Und allemal besser als jeder andere aus der
deutschen Automobilwelt.
So führte der Spross der Sippe über Jahrzehnte
im Grunde einen extremen Kampf um extreme An-
erkennung, einen nie enden wollenden Feldzug.
Das hob ihn ab von der Menge bloßer Wirtschafts-
planerfüller, ließ ihn auch zum Manischen werden,
zum Sonderling, dem ökonomisch gleichwohl Gro-
ßes gelang: die Wiederbelebung der damaligen Se-
niorenmarke Audi in den 1980er-Jahren und
schließlich, von 1992 an, die globale Expansion des
Volkswagen-Konzerns mit immer mehr Marken
und immer mehr Rekorden.
Am Ende baute niemand mehr Autos auf der
Welt als die Firma in Wolfsburg, und als das Ziel er-
reicht war und Machtkämpfe mit unverstellter
Wucht ausbrachen, war sie zu Ende, diese Karriere
eines Kauzes und Kriegers. Irgendwie passend, dass
das ungewöhnliche Leben des österreichischen Un-
ternehmer-Techniker-Managers am vorigen Sonn-
tag höchst ungewöhnlich endete: Nach einem Kol-
laps in einem Restaurant, der Residenz Heinz Wink-
ler in Aschau im Chiemgau, verstarb Piëch im Alter
von 82 Jahren in einem Krankenhaus.
Wie immer bei einem ganz Großen der deut-
schen Wirtschaftsgeschichte häufen sich die Lobes-
bezeugungen und Erinnerungen. Er hatte, gleich,
was man von ihm hielt, eine singuläre Stellung.
Die akademische Form liefert der bekannte Wirt-
schaftshistoriker und Buchautor Werner Plumpe
von der Universität Frankfurt/Main. Für ihn war
Ferdinand Piëch „zweifellos die Symbolfigur für
den Erfolg der deutschen Automobilindustrie seit
den 1990er Jahren“. Das habe viel mit der Sanie-
rung von VW zu tun, vor allem aber mit einer
„kompromisslosen Qualitätsorientierung“. Mit sei-
ner Person verbinde sich die Botschaft, dass tech-
nische Qualität und wirtschaftlicher Erfolg zwei
Seiten einer Medaille seien – es also nicht um den
schnellen Gewinn gehe wie beim Shareholder-Va-
lue, der in diesen Tag selbst in den USA aus der
Mode kommt.
Nicht alles sei bei Ferdinand Piëch erfolgreich ge-
wesen, in der Summe aber schon, findet der Pro-
fessor aus Frankfurt. Der internationale Erfolg des
VW-Konzerns, ja der gesamten deutschen Autoin-
dustrie, sei in seiner Bedeutung für den Standort
Deutschland gar nicht zu unterschätzen. Die Bilanz
von Plumpe: „Für die moderne Unternehmensge-
schichte sind Typen wie Piëch absolut prägend ge-
wesen, auch mit einer gewissen Rücksichtslosigkeit
in der Durchsetzung eigener Vorstellungen.“
Die pragmatisch-professionelle Form der Würdi-
gung liefert der frühere VW-Chef Bernd Pischets-
rieder, der von seinem einstigen Vorgesetzten rüde
rausgeworfen worden war („Zu spät habe ich er-
kannt, den Falschen gewählt zu haben“). „Wir wa-
ren uns in einigen wenigen Punkten nicht einig,
aber ansonsten haben wir uns gut verstanden“,
sagt Pischetsrieder heute im Gespräch mit dem
Handelsblatt. Gegensätze hätte es bei beiden in
Ein Krieger,
der die Welt
veränderte
Detailbesessen, visionär, aber auch knallhart hat
Piëch die Autoindustrie geprägt wie kein anderer.
Selbst Manager, die er fallen ließ, würdigen nach
seinem Tod die Verdienste Piëchs für Volkswagen
und die Branche.
Ferdinand Piëch
picture alliance / dpa [M]
Familienunternehmen
des Tages
MITTWOCH, 28. AUGUST 2019, NR. 165
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