sagt er. »Ehrenamtlich ist das nicht mehr
zu bewältigen.«
Hätte sich die WerteUnion eine Ga -
lionsfigur malen können, einer wie Hans-
Georg Maaßen wäre dabei herausgekom-
men, ein langjähriger Verfassungsschutz-
präsident, dem Kompetenz in Fragen der
inneren Sicherheit zugetraut wird, gebil-
det, unverblümt. Die WerteUnion küm-
mert sich nun um seine Auftritte im Wahl-
kampf, hilft ihm bei der Kommunikation,
auch auf Twitter.
Maaßen könnte das Gesicht des rechten
Flügels sein, die Frage ist nur, ob die CDU
das möchte, vor allem die Vorsitzende.
Maaßen will nicht nur die Union ver -
ändern, er will sich auch an der Bundes-
kanzlerin rächen und führt sich dabei
mitunter auf wie der Springteufel des
Konservatismus. Zum Mord an dem CDU-
Politiker Walter Lübcke fiel ihm vor allem
ein, dass er diese Tat im Herbst 2015
»nachvollziehbarer« gefunden hätte. Mer-
kels Flüchtlingspolitik in jener Zeit löste
bei Maaßen das nackte Grauen aus. Als
sie später von »Hetzjagden« in Chemnitz
sprach, hielt er öffentlich dagegen und ver-
lor in dem folgenden Streit sein Amt beim
Verfassungsschutz.
Nun macht er für die CDU im Osten
Wahlkampf, und jeder Auftritt ist im Prinzip
ein Affront gegen Merkel und Kramp-Kar-
renbauer. Aber das kümmert die ostdeut-
sche CDU nicht. Dort ist die Werte Union
keine Randgruppe, sondern in der Mitte der
Partei verankert. Am Wahlprogramm der
sächsischen CDU schrieb der ehemalige
Dresdner Politikprofessor Werner Patzelt
mit, der Mitglied der WerteUnion ist.
Sein Parteifreund Matthias Rößler, säch-
sischer Landtagspräsident, hatte Maaßen
zu einer Veranstaltung in seinen Wahlkreis
nach Radebeul eingeladen. Daraus wurde
eine Fanparty, etliche AfD-Anhänger pil-
gerten ins Hotel Goldener Anker und be-
kundeten ihre »Hochachtung« gegenüber
Maaßen. Rößler hält gleichwohl daran fest,
dass es richtig war, Maaßen einzuladen
und würde das wieder tun, soweit es um
innere Sicherheit ginge. Kramp-Karren-
bauers Einlassung zur Mitgliedschaft Maa-
ßens fand er daneben.
Der Parteichefin ist es bis heute nicht
gelungen, eine klare Linie gegenüber dem
rechten Parteiflügel zu finden. WerteUni-
on und Berliner Kreis hatten bei der Wahl
eines neuen Parteivorsitzenden ihren Kon-
kurrenten Friedrich Merz unterstützt. Um
eine Spaltung der CDU zu verhindern,
war die neue Vorsitzende den Konservati-
ven weit entgegengekommen.
Mitsch hatte sie angeboten, vier Mitglie-
der der WerteUnion als Teilnehmer zu
dem von ihr initiierten Werkstattgespräch
zur Flüchtlingspolitik zu benennen. Der
liberale Flügel, dem sie ihre Wahl verdank-
te, fand das unnötig.
Auch inhaltlich kam Kramp-Karren -
bauer den Gegnern Merkels entgegen. Die
Aussage, eine Schließung der Grenzen sei
als »Ultima Ratio« denkbar, war ein Zu-
geständnis an die Kritiker der Flüchtlings-
politik der vergangenen Jahre. Die Hoff-
nung war, dass diese sich nun hinter der
Parteivorsitzenden versammeln würden.
Der Plan scheiterte. Die Konservativen
wie Mitsch, Pantel und andere wollen kei-
ne Symbolpolitik, sondern eine andere
CDU »Es hat sich ja nichts wirklich ver -
ändert«, sagt Mitsch.
Fortan versuchte das Konrad-Adenauer-
Haus, die anfangs hofierte WerteUnion
kleinzureden. Sie sei vor allem ein
Medienphänomen. CDU-Generalsekretär
Paul Ziemiak warf Journalisten vor: »Sie
versuchen, mit Einzelstimmen eine Partei
zu beschäftigen.«
Mit ihren missglückten Äußerungen zu
einem Parteiausschluss Maaßens hat
Kramp-Karrenbauer ihre Situation weiter
erschwert. Die Konservativen in der Partei
wissen nun, dass sie nicht auf die Vorsit-
zende zählen können. Die Liberalen
trauen ihr nicht mehr zu, das Erbe Merkels
zu bewahren.
Zu diesem Erbe gehört allerdings auch
die Ödnis auf dem rechten Flügel. Kohl
hat sich über lange Zeit einen erzkonser-
vativen Fraktionsvorsitzenden geleistet,
Alfred Dregger, und selbst hin und wieder
nationale Signale gesendet.
Merkel dagegen förderte fast nur liberale
Politiker in der CDU. Die Konservativen
konnten nicht auf eine Karriere hoffen, was
zur Ödnis beiträgt. Es fehlen kluge Konzep-
te für einen deutschen Konservatismus, der
es tatsächlich schwerer hat als andere, weil
der Nationalbegriff durch den National -
sozialismus stark belastet ist. Dem plumpen,
zum Teil üblen Nationalismus der AfD hat
die CDU daher wenig entgegenzusetzen.
Laut Umfragen könnte die AfD die
CDU in Thüringen und Brandenburg über-
flügeln. In Sachsen muss die CDU darum
kämpfen, die AfD auf Abstand zu halten.
Wenn es ganz schlecht ausgeht, wird sich
die Frage stellen, ob die CDU mit der AfD
kooperieren wird. Zwar haben die Partei-
führungen in allen drei ostdeutschen Bun-
desländern das ausgeschlossen. Ob ein sol-
ches Gelübde nach der Wahl noch gilt, ist
ungewiss. Der Vorposten könnte in der
Not zur Verbrüderung neigen.
Eine Reihe von ostdeutschen CDU-
Politikern versteht nicht, warum ihre Par-
tei zwar mit den Grünen koalieren würde,
aber nicht mit der AfD, der sie in vielen
Punkten inhaltlich viel näher steht. Im
Konrad-Adenauer-Haus fürchtet man,
dass vor allem in Sachsen sehr bald eine
Diskussion über das Verhältnis zu den
Rechtspopulisten ausbrechen wird.
Sollten sich die Sachsen für eine wie
auch immer geartete Zusammenarbeit mit
der AfD entscheiden, könnte Kramp-Kar-
renbauer das verurteilen, aber nicht ver-
hindern. Damit wäre ein Tabu gebrochen,
was vielleicht auch die Konservativen im
Westen dazu bringen könnte, sich der AfD
anzunähern. Die liberale Demokratie wür-
de an ihrem rechten Rand ausfransen.
Selbst wenn es noch mal ohne AfD zu
halbwegs stabilen Mehrheiten reicht: Der
Umgang mit den Rechtspopulisten bleibt
eine zentrale Herausforderung für Kramp-
Karrenbauer. Sie muss das Programmspek-
trum extrem spreizen, um Merkels Erbe
zu bewahren und die AfD in Schach zu
halten.
Eine Lösung könnte Armin Laschet ge-
funden haben. Der Ministerpräsident von
Nordrhein-Westfalen ist ein ausgewiesener
Anhänger von Merkels Flüchtlingspolitik
und auch sonst ein liberaler CDU-Mann –
aber er hat schon im Landtagswahlkampf
im Frühjahr 2017 eine harte innen- und
sicherheitspolitische Linie vertreten, we-
nige Wochen vor der Wahl machte er den
konservativen Wolfgang Bosbach zu sei-
nem Berater. Sein Innenminister Herbert
Reul fährt seitdem eine rigide Linie bei
den Themen Abschiebungen und Clan-Kri-
minalität.
Für Kramp-Karrenbauer ist das nicht
unbedingt eine Beruhigung: Laschet hat
auch Ambitionen, als Nachfolger Merkels
ins Bundeskanzleramt einzuziehen.
Florian Gathmann, Dirk Kurbjuweit,
Timo Lehmann, Ralf Neukirch
28 DER SPIEGEL Nr. 35 / 24. 8. 2019
KARSTEN THIELKER
Konservative Pantel
»Wenn sie redet, hören die anderen zu«
Wenn es ganz schlecht
ausgeht, wird sich die
Frage stellen, ob die CDU
mit der AfD kooperiert.