E
dles Holz, schwarze Vitrinen, glän-
zende Metallkanten: Zum Start
seiner ersten beiden Filialen in
China hat sich Aldi Süd schick
gemacht. Mit Berliner Bao, einer angeb-
lich schmackhaften Kombination aus
Wurst, Sauerkraut und chinesischer
Dampf nudel, mit Weinen aus Bordeaux
und Milch aus Australien eröffnete der
deutsche Discounter im Juni seine Shops
in Shanghai.
Aldi hofft auf gute Geschäfte mit der
wohlhabend gewordenen Mittelschicht in
der Volksrepublik. Deutsche Produkte
sind in China begehrt, die Bundesrepublik
zählt dort zu den zehn größten Lieferanten
von Nahrungsmitteln und Getränken. Bis-
lang verkaufte der Discounter seine Waren
nur über einen Webshop, nun soll die Ex-
pansion in Läden gelingen.
In China macht nur Geschäfte, wer sich
brav verhält. Das wissen auch die Aldi-
Manager. Sie sprechen also nicht von Frei-
heit oder Demokratie, wenn sie nach der
Lage in Hongkong gefragt werden, son-
dern bloß über den Schutz ihrer Beschäf-
tigten. »Die aktuelle Serie von politischen
Protesten«, heißt es bei Aldi, »nehmen wir
im Sinne der Sicherheit unserer Mitarbei-
ter sehr ernst.«
Seit Monaten demonstrieren Millionen
Bewohner Hongkongs auf den Straßen der
Finanzmetropole. Es geht um Bürgerrech-
te und das Verhältnis zum übermächtigen
Nachbarn China – und zunehmend auch
um die Rolle der Wirtschaft. Um die Kraft
der Proteste zu brechen, zwingt die Pekin-
ger Regierung in- wie ausländische Unter-
nehmen auf ihre Seite. Die Volksrepublik
setzt Aufsichtsräte unter Druck und geht
gegen Vorstände vor, sie lanciert Internet-
kampagnen und presst Konzernen Pro-
Peking-Erklärungen ab. Ganz so, als wolle
die chinesische Führung beweisen, dass
die Ängste der Demonstranten berechtigt
sind.
Was als begrenzter Streit um ein ver-
schärftes Auslieferungsgesetz begann, hat
sich zu einem Modellfall für den aufzie-
henden Großkonflikt des 21. Jahrhunderts
ausgewachsen. Auf der einen Seite steht
der Westen, dessen Unternehmen sich
gern auf Menschenrechte und demokrati-
sche Werte berufen. Auf der anderen Seite
steht die autoritäre Pekinger Regierung,
die genau weiß, wie abhängig die Firmen
vom riesigen chinesischen Markt sind.
Kommt es hart auf hart, schlägt das Ge-
schäft meist die Moral. Allzu häufig schon
haben westliche Konzerne den Pekinger
Wünschen Folge geleistet. China benutze
die Multis, um »die Rebellen in Hongkong
zu disziplinieren«, urteilt die »Financial
Times«. Und der Berliner Chinaforscher
Max Zenglein sagt: Die Volksrepublik sei
dabei, »ihre Wirtschaft in bislang nicht ge-
kannter Weise zu politisieren«. Zenglein
arbeitet beim Mercator-Institut für China-
Forschung, er war in den vergangenen Ta-
gen in Hongkong unterwegs. Am vergan-
genen Wochenende mischte er sich bei den
Massenprotesten unter die Demonstran-
ten, sprach mit Aktivisten und Bürgern.
Was er dort hörte, stimmte ihn wenig
zuversichtlich. Im Gegenteil: Unter den
60
Ewiger Kniefall
WelthandelUm die Demokratiebewegung in Hongkong zu brechen, macht sich Chinas Regierung
ausländische Unternehmen zunutze. Wer sich den Pekinger Vorgaben nicht
beugt, muss mit Einbußen rechnen. Auch deutsche Manager üben sich in Demutsgesten.
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