Sticks fuhrwerken und Handküsse Rich-
tung Kameralinse werfen. Wenn man die
Welt gesehen hat, bleibt einem immer
noch Grönland, hieß es früher. Diese Zeit
ist nun offenbar angebrochen.
Kangerlussuaq ist, wenn man so will, der
Dreh- und Angelpunkt für Trips hinauf
zur Diskobucht und nach Ilulissat, zum
meistfotografierten Ort der Insel. Auf den
ersten Blick wirkt die Siedlung mit ihren
karmesinrot, minzgrün und senffarben
gestrichenen Häusern so perfekt, als wäre
sie nur als Fotokulisse auf die Felsen
gesetzt worden. Erst wenn man genauer
hinsieht, entdeckt man ausrangierte
Küchenherde, verrostete Motorschlitten
und all den anderen Zivilisationsmüll,
mit dem jeder Ort in der Abgeschieden-
heit des hohen Nordens zu kämpfen hat.
Es gibt ein Einkaufszentrum, ein Museum
für den grönländisch-dänischen Polarfor-
scher und Ethnologen Knud Rasmussen
und einen Bolzplatz, auf dem Grönlands
künftige Nationalspieler kicken.
Und überall stehen Hundehütten. Weil in
Ilulissat fast so viele Schlittenhunde – 3500
- wie Menschen zu Hause sind – 4500 –,
gehört unbedingt Ohropax ins Gepäck: In
unregelmäßigen Abständen und auf er-
ratische Auslöser hin legen die Tiere den
Kopf in den Nacken. Ihr Geheul ist mark-
erschütternd. Und dauert endlos an.
Berühmt ist Ilulissat aber vor allem für
seine Eisberge. Sie kommen angetrieben
wie Gebilde aus einem surrealistischen
Gemälde. Manche sehen tatsächlich aus
wie Berge, mit Zacken und Gipfeln, ande-
re erinnern eher an mittelalterliche Bur-
gen. Oder Fußballstadien. Oder Flugzeug-
träger. Man verbringt Stunden damit,
zuzusehen, wie sie vorbeitreiben. Und
selbst in Momenten, in denen man nicht
auf sie achtet, tauchen sie immer wieder
in den Augenwinkeln auf. Natürlich muss
man sie fotografieren. Alle, die man sieht.
Und alle mehrmals. Wenn man die Auf-
nahmen später zu Hause Freunden zeigt,
werden sie die eigene Begeisterung nicht
ganz teilen können. Denn selbst die groß-
artigsten Fotos ersetzen nicht das Gefühl,
das man empfindet, wenn einer dieser
weißen Riesen ein paar Hundert Meter
vor einem auf dem Meer treibt.
Leben mit dem Klimawandel
Das Eis ernährt die Inuit von Ilulissat.
Früher waren sie Jäger und in den langen
Wintern Grönlands mit ihren Hunde-
gespannen auf dem Eis unterwegs, um
Robben zu erlegen. Seit das Wasser aber
nur noch für wenige Wochen im Jahr zu-
friert, müssen viele sich ein anderes Aus-
kommen suchen. Manche sind Fischer
geworden und nun mit Kajak und Angel
unterwegs statt mit Huskys und Waffen.
Andere fahren Touristen zum Sightseeing
hinaus an die Gletscherzunge im Eisfjord.
Dort stoppen sie die Motoren, und wenn
Rund 4000 Moschusochsen sind auf Grönland
heimisch, wie hier bei Kangerlussuaq
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