Weltwoche Nr. 35.
gar in der SVP für Irritationen sorgt, steht für
ihn nicht im Widerspruch dazu: «Wenn die
Souveränisten in Europa die Oberhand ge-
winnen, stützt das die Souveränität der
Schweiz», sagt Freysinger. «Die EU will die
Schweiz schwächen. Also frage ich mich: Was
kann ich tun? Die Antwort ist einfach: Ich ge-
he raus und werfe einen Stein in den Garten
des Gegners.»
Vorerst kümmert er sich aber um die SVP in
der Romandie. Seine Prognose: «Vielleicht ge-
winnen wir einen Sitz in der Waadt, vielleicht
verlieren wir einen in Neuenburg. Grosse Ver-
änderungen wird es jedenfalls nicht geben.
Wir haben hier nicht so viel Fett angesetzt wie
in der Deutschschweiz.»
Und die Klimadiskussion?
«Ich glaube, sie kam zu früh. Die Leute
haben die Schnauze voll: Greta zum Früh-
stück, Greta zum Mittagessen – auf Dauer hält
das niemand aus. Sie hat ja nicht einmal ein
Argument. Sie sagt: ‹Ich will euch in Panik ver-
setzen.› Gut, nehmen wir an, es stehe wirklich
so schlimm, wie sie behauptet: In einer solchen
Situation sollte man eher einen kühlen Kopf
bewahren.»
Freysinger lächelt, vielleicht auch über die
Ironie des Moments: dass er, der rhetorische
Steinewerfer, zur Ruhe mahnt. Er schaut auf
seinen Teller mit dem Raclette. Einen Moment
zögert er. Dann greift er zum Pfeffer.
Was das heisst, zeigte sich vor ein paar Wo-
chen, als Freysinger in der Republik behauptete,
George Soros, ein amerikanischer Milliardär
ungarisch-jüdischer Herkunft, wolle die
Nationalstaaten zerstören und sponsere dafür
auch das Forum Aussenpolitik (Foraus), einen
Think-Tank aus der Schweiz. Foraus wies das
als antisemitische Verschwörungstheorie zu-
rück. Der Beobachter forderte die SVP danach
indirekt dazu auf, Freysinger als Wahlkampf-
leiter abzuziehen. Passiert ist nichts. Der Vor-
fall ist in der Partei, wie es heisst, kein Thema.
Freysinger fühlt sich bestätigt. «Was ist
mein Ziel? Ich will, dass man über Souverä-
nität redet. Der SVP geht es immer um Sou-
veränität, alle anderen Positionen sind nur
Ableitungen davon.» Über Soros und Foraus
mag er sich allerdings nicht mehr konkret
äussern, dafür erzählt er umso ausführlicher
vom neusten Wahlkampfplakat der SVP: ein
Schweizer Apfel, zerfressen von Würmern, die
für die EU und die anderen Parteien stehen.
Was sogar in der SVP auf teils harsche Kritik
stiess, verzückt Freysinger regelrecht: «Wir
kehren zu unseren Wurzeln zurück: Angriff
total!» Er selber hat den Plakatspruch – «Sol-
len Linke und Nette die Schweiz zerstören?»
- ins Französische übersetzt. Die Zeile lautet:
«Des vers pour notre pomme? Non merci!» –
«Würmer für unsere Äpfel? Nein danke!»
Freysinger erklärt, es handle sich um ein
doppeltes Wortspiel: «Vers klingt wie verts, also
Grüne, und C’est pour ma pomme ist Umgangs-
sprache für ‹Es geht auf meine Kappe›. Man
kann den Spruch also auch so lesen: ‹Grüne auf
unsere Kosten? Nein danke!› Wenn deren
Klima politik ja etwas nicht ist, dann billig.»
«Dunkle Seite des Lichts»
Er ist sichtlich zufrieden mit seinem Werk. «Es
dauerte, bis ich mich damit durchsetzen konn-
te. Ich sagte zu Silvia Bär vom Generalsekre-
tariat: ‹Ihr könnt bei uns nicht mit euren rabi-
aten Sprüchen kommen.› Nicht, dass ich ein
Problem damit habe» – Freysinger grinst –,
«aber in der Romandie zieht das nicht. Hier
muss man feiner vorgehen, ironischer.»
Als Beispiel dienen ihm die Nachbarn rhone-
abwärts: «Die Waadtländer sind Softies. Das
sind Berner, die kein Deutsch können. Ein bru-
taler Auftritt bringt da gar nichts.» Am Ende
würden so oder so die Leute vor Ort entschei-
den, wie der Wahlkampf geführt wird. Er sel-
ber verstehe sich eher als Berater – «ehrenamt-
lich», wie er mehrmals betont.
Ein weiterführendes Comeback schliesst er
aus: «Das ist mir so fern wie der fernste Stern»,
sagt Freysinger, immer auf Wirkung bedacht,
in akzentfreiem Bühnendeutsch. Im Frühling
2017 verlor er seinen Sitz in der Walliser Regie-
rung an Christoph Darbellay, seither ist er als
freier Autor tätig.
Warum kandidiert er nicht für den Natio-
nalrat?
«Ich machte dem Volk ein Angebot, das Volk
wählte Darbellay, jetzt hat es ihn, und ich ma-
che etwas anderes, und alle sind zufrieden»,
sagt Freysinger und klingt trotzig.
Seine Abwahl hat er in einem Buch verarbei-
tet – «Die dunkle Seite des Lichts», Gattungs-
bezeichnung: «Survival-Report» –, aber ver-
heilt scheinen die Wunden nicht. Über
Darbellay, mit dem er einen knallharten Wahl-
kampf ausfocht, sagt er heute, zwei Jahre spä-
ter: «Ich kann mit diesem Typen nichts anfan-
gen. Er steckt für mich in der untersten
Schublade, menschlich, intellektuell, ethisch.
Was ihm dient, hält er für gut, was ihm schadet,
für böse. Das ist das Nullstadium der Ethik.»
Noch einmal wechselt Freysinger in sein
Bühnendeutsch, um seinen Rückzug aus der
institutionellen Politik möglichst dramatisch
darzustellen: «Die Chance ist vergeben wor-
den, und eine zweite gibt es nicht.»
Berichtet er von seiner literarischen Arbeit,
weicht das Pathos der Emphase: «Ich bin als
Autor heute reifer denn je. Ich habe gelitten
wie eine Sau, aber eine unglaubliche Lebens-
erfahrung gemacht. Man findet in der Politik
ja alles, das Edelste und das Schlimmste.» Dass
jeder Politiker zum Schriftsteller tauge, will er
damit aber nicht behauptet haben. Didier
Burkhalter, der sich als Romancier betätigt,
seit er nicht mehr Bundesrat ist, sei künstle-
risch dürftig: «Da spürt man keine Autor-
schaft. Der Mann schreibt so, wie er ist: fad.
Ihm fehlt der Pfeffer.»
Obschon Burkhalter mit seinen Büchern
eine gewisse Aufmerksamkeit erzielt – in der
Politik wie in der Kunst eine harte Währung –,
gibt Freysinger sich unbeeindruckt: «Ich will
Leser, kein Publikum. Wer ein Publikum will,
wird zum Gefangenen, wie der Politiker ein
Gefangener seiner Wähler ist. Ich will kein
Gefangener mehr sein. Sollten meine Bücher
nach meinem Tod aus der Versenkung hervor-
kommen, habe ich mein Ziel erreicht.»
Dreizehn Stents
Freysinger ist inzwischen 59, er hat dreizehn
Stents und sagt, er rechne mit höchstens noch
zwanzig Lebensjahren. Diese Zeit wolle er
nutzen, nicht nur literarisch, sondern auch
politisch. Er kämpfe nur noch für die Sache,
zum Beispiel gegen den Rahmenvertrag, den
er als «absoluten Horror» bezeichnet.
Was treibt ihn an?
«Wir haben – frei nach Leibniz – das beste
aller möglichen politischen Systeme. Das will
ich bewahren.»
Dass er immer wieder zu rechten Ge-
sinnungsgenossen ins Ausland reist, was so-
«Die Waadtländer sind Softies.
Das sind Berner, die kein Deutsch
können.»
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